Verbraucherschutz:Der Mann mit dem Schredder

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"Finanzschrott" gehört in den Schredder und nicht ins Depot. Das sagt Deutschlands oberster Verbraucherschützer Gerd Billen - und macht sich ans Werk.

Katja Riedel

Verbal hatte er sie schon oft in Stück gerissen: Finanzprodukte nennt Gerd Billen deshalb auch lieber "Finanzschrott". Schwarz auf gelb prangt dieses Lieblingswort an diesem Montag, dem Weltverbrauchertag, auf dem Plexiglasbehälter.

In diesen Behälter hinein schredderte Billen mitten in Berlin, zwischen Kanzleramt und Bundestag, seiner Ansicht nach mangelhafte Produktinformationen und Finanzprodukte, die Kunden mehr schaden könnten als nützen.

Gerd Billen weiß, wovon er redet und wie laut er sprechen muss. Schließlich hat er eine starke Macht im Rücken, die seiner Meinung nach nicht angemessen genug gehört wird. Seit 2007 vertritt der 55-Jährige die zahlenstärkste deutsche Lobby, die Verbraucher. Er ist Vorstand des Bundesverbandes Verbraucherzentralen, in dem die 16 Verbraucherzentralen der Länder und 25 Verbände eine gemeinsame Stimme erheben wollen.

Die symbolträchtige Schredderaktion im Zentrum des politischen Berlin passt zu der Art, wie Billen sein Amt führt. Er liebt es markig. "Ausgetrickst und angeschmiert" hat er sein Buch betitelt, in dem er die Lage deutscher Verbraucher bilanziert. Billen spricht gerade heraus, für alle verständlich.

Zu Billens Lieblingsthemen gehört die Sache mit den Dönerbuden. Auch an diesem Montag, dem Weltverbrauchertag, hat er dieses Bild hervorgeholt. Dönerbuden seien seit dem Gammelfleischskandal in Deutschland besser kontrolliert, als Finanzprodukte.

Niemand interessiert sich für Verbraucher, aber jeder für Autos

"Die Finanzaufsicht hat derzeit keinen gesetzlichen Auftrag, den Markt aus Verbrauchersicht unter die Lupe zu nehmen. Deshalb landet der Finanzschrott bei den Verbrauchern", so Billen. Um dies in Zukunft zu verhindern, seien eine verbraucherorientierte Reform der Finanzaufsicht und strengere Regeln für Banken und Finanzvermittler vonnöten.

Dass Billen für seine Schredder-Aktion das politische Zentrum Deutschlands wählte, ist also wohl begründet. Seit seinem Amtsantritt hat Billen immer wieder beklagt, dass die Politik Verbraucherbelangen nicht genügend Aufmerksamkeit entgegenbringe.

"Wenn die Autoindustrie ein Anliegen hat, springen ihr gleich zehn Politiker zur Seite und kümmern sich um die Sache. Wenn Verbraucher am Telefon und im Internet abgezockt werden, bringt das nur vereinzelte Politiker auf den Plan", sagte er im Sommer 2008 in einem Interview mit dem Tagesspiegel - noch vor den monatelang geschmiedeten Opel-Rettungsplänen.

Der lange Weg zum Verbraucherschutz

Gerd Billen selbst hat sein Auge für die Verbraucherbelange schon früh geschult, an der Basis. Er wuchs in der Eifel im Kolonialwarenladen seiner Mutter auf, packte schon früh mit an und bekam einen Blick dafür, zu welchem Produkt die Kunden gerne griffen und welche sie lieber nicht kauften.

Kaufmann wurde er aber nicht. Billen studierte in den siebziger Jahren in Bonn Sozial-, Ernährungs- und Haushaltswissenschaften. Bevor er seinen Job als oberster Verbraucherschützer antrat, engagierte er sich als Umweltschützer.

Zunächst arbeitete er für die Bürgerinitiativen Umweltschutz. Von 1993 bis 2005 war Gerd Billen dann Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland. 2005 wechselte er zum Versandhändler Otto - und kündigte, als er an die Verbraucherschutz-Spitze berufen wurde. Die Rolle als Verbraucheranwalt erlebt er augenscheinlich tatsächlich als Berufung.

© SZ vom 16.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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