US-Finanzreform:Verwässert

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Die Regierung in Washington möchte mehr Transparenz schaffen. Kritiker aber sehen in den neuen Regulierungen die nächsten Schlupflöcher.

Von Nicolas Richter, Washington

Barack Obama verlangt immer wieder, dass auch reiche Amerikaner ihren "fairen Anteil" an Steuern zahlen. Der US-Präsident weiß, dass in dieser Hinsicht noch immer einiges im Argen liegt. Als Beleg führte er jüngst die Panama Papers an, die geheimen Unterlagen aus der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden. "Wir haben gesehen, zu welchem Problem globale Korruption und Steuerflucht geworden sind", erklärte der Präsident am Freitag im Weißen Haus. Er zeigte sich besorgt über das weltweite Ausmaß legaler wie illegaler Steuertricks.

Die US-Regierung hat nun einige Gegenmaßnahmen angekündigt. Er wolle dafür kämpfen, sagte Obama, "dass die Regeln nicht manipuliert sind und dass unsere Wirtschaft allen zugutekommt." Die neuen Vorschriften sind seit Jahren in Arbeit. Sie gehen nicht auf die Panama Papers zurück, aber diese Enthüllungen über Briefkastenfirmen helfen natürlich, mehr staatliche Kontrolle zu rechtfertigen. Allerdings sind die neuen Regulierungen nicht sehr weitreichend: Experten kritisieren, dass sie weiterhin Schlupflöcher enthalten. Außerdem hat eine von Obamas Regierung vorgeschlagene Gesetzesverschärfung mitten im Wahljahr wenig Aussicht auf Erfolg. Ironischerweise ist Obamas Vorstoß gegen Geldwäscher und Steuerhinterzieher also ein neuer Beleg dafür, wie schwierig der Kampf gegen die Vertuschung ist.

In der vergangenen Woche hatte Obamas Finanzminister Jacob Lew zwei neue Vorschriften vorgestellt, die den Steuerbehörden einen besseren Einblick gewähren sollen in die wahren Eigentumsverhältnisse von Firmen. Eine Regel, die Customer Due Diligence Rule (CDD), soll Banken dazu zwingen, die wahren Inhaber von Firmen zu ermitteln und Unterlagen darüber anzulegen und aufzubewahren. "Wir sagen den Finanzinstituten: Ihr müsst euch anstrengen und diese Informationen besorgen", erklärte Obama. Die zweite Regel soll ein Schlupfloch schließen, das es Ausländern ermöglicht, sich der US-Steuerbehörde zu entziehen, indem sie Briefkastenfirmen in den USA gründen. Die Regierung kann beide neuen Vorschriften selbst umsetzen.

Ferner bitten Obama und sein Minister Lew das Parlament, auch die Gesetze zu verschärfen. So soll der Staat jene verfolgen können, die ihre finanziellen Angelegenheiten verheimlichen und sich ihren Pflichten als Steuerzahler entziehen wollen. Dem Gesetzentwurf zufolge, den Lew an den Kongress schickte, müssen Firmen ihre wahren Inhaber kennen und diese Information an die Regierung übermitteln. Außerdem soll ein weiteres Gesetz US-Banken dazu zwingen, mehr Information über die Inhaber von Auslandskonten zu sammeln. Es gilt in Washington allerdings als unwahrscheinlich, dass diese Gesetzesinitiativen bald zu greifbaren Ergebnissen führen. Die Demokratische Partei Obamas besitzt keine Mehrheit im Parlament; die Republikaner wiederum sind derzeit tief gespalten und vor allem mit dem Wahlkampf um die Präsidentschaft beschäftigt. Strengere Steuervorschriften sind allgemein kein vorrangiges Thema für die Republikaner, schon gar nicht in einem Wahljahr.

(Foto: sz)

Selbst die neuen Regulierungen aus dem Finanzministerium, die ohne Zutun des Kongresses in Kraft treten können, stehen nun in der Kritik. Experten für Korruptionsbekämpfung monierten, die neuen Ermittlungs- und Buchführungspflichten aus der "Customer Due Diligence"-Regel beinhalteten neue Schlupflöcher. So ist es Briefkastenfirmen zum Beispiel erlaubt, statt ihrer Eigentümer oder der wirtschaftlich Berechtigten einen Geschäftsführer oder anderen hochrangigen Manager zu nennen. Dies würde es den wahren Inhabern von Briefkastenfirmen erlauben, ihre Identität auch weiterhin gegenüber ihrer Bank zu verschweigen, moniert die Anti-Korruptions-Organisation Global Witness. Ähnlich fiel die Reaktion auf den Gesetzentwurf des Finanzministeriums aus: Während sich der Bankenverband American Bankers Association zufrieden zeigte, erklärte die Gruppe Global Financial Integrity, der Gesetzentwurf sei "stark verwässert worden".

Obama und sein Finanzminister baten den US-Kongress schließlich, acht Steuerabkommen zu ratifizieren, die zwar längst mit anderen Staaten ausgehandelt, vom Parlament aber noch nicht gebilligt worden sind. Obama kritisierte besonders den libertären US-Senator Rand Paul, der sich in der Angelegenheit "etwas schrullig" verhalte. Paul moniert, der Schutz der Privatsphäre sei durch die Abkommen beeinträchtigt, denn die Verträge erlaubten es, Informationen über Bürger zu sammeln und mit dem Ausland zu teilen. Auch an diesem Beispiel zeigt sich also: Obama hat mehr Steuergerechtigkeit zwar immer wieder zu einem Schwerpunkt seiner Politik erklärt, aber dies ist angesichts der derzeitigen politischen Lage in Washington nur sehr schwer zu verwirklichen.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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