Umstrittenes Fusionsverbot:Hörgeräte-Hersteller klagt gegen Kartellamt

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Gewinnt der dänische Hörgeräteherstellers GN ReSound seine Milliardenklage gegen das Kartellamt, drohen der Behörde in Zukunft weitere Prozesse. (Foto: dpa)

Erstmals verklagt ein Unternehmen das Kartellamt auf Schadenersatz. Sollte das Gericht die Milliardenforderung des dänischen Hörgeräte-Herstellers anerkennen, muss die Wettbewerbsbehörde mit weiteren Prozessen rechnen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es geht um 1,1 Milliarden Euro Schadensersatz. Das dänische Unternehmen GN Store Nord fordert diesen ansehnlichen Betrag, weil das Bundeskartellamt im Jahr 2007 den geplanten Verkauf der dänischen Hörgerätesparte an die Schweizer Phonak Holding verboten hat. Das Fusionsverbot war von Anfang an umstritten. Im Jahr 2010 hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Bonner Behörde wegen fehlender Begründung auf.

Zu diesem Zeitpunkt war der Deal schon geplatzt. Die Dänen fordern deshalb Kompensation. Damit wird das Bundeskartellamt erstmals auf Schadensersatz verklagt, weil es zu Unrecht eine Fusion untersagte. Im Zuge der Staatshaftung muss der Steuerzahler für Fehler der Behörden aufkommen - auch in diesem Fall?

Die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Köln am Dienstag lief nicht so gut für die Kläger. Der Vorsitzende Richter Reinhold Becker deutete an, dass in dem Fall ein Verschulden der obersten deutschen Wettbewerbsbehörde fehlen könnte. Aber das muss nichts heißen. In diesem brisanten Streit geht es dem Vernehmen nach bestimmt in die Berufung und womöglich auch in die Revision.

Es gibt einen vergleichbaren Fall. Die EU-Wettbewerbshüter hatten 2001 die Fusion von Schneider Electric mit dem Konkurrenten Legrand verboten. Das EU-Gericht hob später das Veto auf. Schneider forderte dann 1,7 Milliarden Euro Schadensersatz, doch der Europäische Gerichtshof sprach dem Konzern 2009 gerade einmal 2,1 Millionen Euro Kostenerstattung zu.

"Bei komplexen ökonomischen Bewertungen kann man unterschiedlicher Ansicht sein, aber unterschiedliche Schlussfolgerungen rechtfertigen keine Schadensersatzforderungen", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. Die Behörde untersagte das Geschäft der Dänen, um eine wettbewerbsschädigende Dominanz des fusionierten Unternehmens auf dem Markt für Hörgeräte zu vermeiden.

"Wenn der Kläger recht bekommt, wird es brenzlig", sagt Christian Horstkotte, Kartellrechtspartner bei Baker & McKenzie. "Das Bundeskartellamt käme in die Bredouille, schließlich richten sich dessen Entscheidungen immer gegen Unternehmen. Das Amt müsste dann immer auch potenzielle Schadensersatzklagen berücksichtigen." Das Urteil soll am 26. Februar 2013 fallen.

© SZ vom 05.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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