Tourismus:Dann eben Portugal

Lesezeit: 3 min

Angesichts der Terroranschläge haben die Deutschen lange bei der Frage gezögert, wo sie in diesem Jahr ihren Urlaub verbringen sollen. Aber auf das Reisen ganz verzichten wollen die Wenigsten.

Von Michael Kuntz, Berlin

Spanien, Portugal oder Italien statt Türkei, Ägypten oder Tunesien - dieser Sommer ist für deutsche Urlauber der Sommer, in dem sie nach Alternativen suchen. Denn viele von ihnen treibt die Furcht vor dem Terror um, vor möglichen Anschlägen, wie es sie in Nizza und Istanbul gegeben hat. "Die meisten wollen nicht auf ihren Urlaub verzichten. Sie entscheiden sich nicht gegen den Urlaub, sondern für ein anderes Reiseziel", sagt Norbert Fiebig, der als Präsident des Deutschen Reiseverbandes für die Reiseveranstalter und Reisebüro spricht.

Keine Branche bekommt die wirtschaftlichen Folgen der terroristischen Gewalttaten derzeit stärker zu spüren. Erst haben die Leute abgewartet. Das Frühbuchergeschäft im Frühjahr fiel fast aus. Dann buchten viele doch noch. Aber es wird für die Branche schwierig werden angesichts der vielen zögernden Kunden, die guten Ergebnisse von 2015 zu erreichen. "Wir liegen bei den Buchungen gemessen am Umsatz aktuell unterhalb des Vorjahres im mittleren einstelligen Bereich", sagt Fiebig.

Das deckt sich mit aktuellen Umfragen. So zeigen aktuelle Zahlen der GfK-Konsumforscher vom Donnerstag, dass die Bereitschaft, in Trips im In- und Ausland zu investieren, unter dem Eindruck der Anschläge von Paris, Brüssel und Istanbul in den ersten Monaten des Jahres deutlich zurückgegangen ist. Die Befragung im Auftrage des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) fand im Juni statt, noch vor dem Anschlag in Nizza mit 84 Toten, den beiden Attentaten in Bayern und dem gescheiterten Putsch in der Türkei. Die Zahl der Reisetage in Deutschland sank in den ersten vier Monaten des Jahres demnach um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Es ist Urlaubszeit und keiner fährt hin - ganz so leer wie hier am Lara Beach in Antalya ist es nicht überall in der Türkei. (Foto: Marius Becker/dpa)

Als Grund nennt der BTW den Rückgang bei den Tagesausflügen: "Die Bilder von den Anschlägen in europäischen Städten haben die Menschen in den folgenden Tagen und Wochen bei spontanen Ausflügen in Städte zögern lassen", sagt BTW-Präsident Michael Frenzel. Der weitere Verlauf bis Mitte des Jahres deutet Frenzel zufolge aber darauf hin, "dass die Reiselaune nach einer krisenbedingten Verunsicherung relativ schnell wieder an Fahrt aufnimmt" und die Deutschen nun mit Verzögerung doch buchen.

Das sieht auch Norbert Fiebig vom Deutschen Reiseverband so. Er verweist auf Gewinner und Verlierer bei den ausländischen Reisezielen. So ist mit der Türkei zum ersten Mal eines der beliebtesten Reiseziele von der Zurückhaltung der Reisenden betroffen. Etwa 5,6 Millionen Deutsche machten 2015 in dem Land Urlaub. Mehr waren es nur in Spanien und Italien. Und in Deutschland selbst.

"Das ist jetzt für den deutschen Reisemarkt und die Veranstalter eine große Herausforderung, denn die Türkei ist ein bedeutendes Reiseland, für das nicht einfach irgendwo ein gleichwertiger Ersatz zu finden ist", sagt Fiebig und nennt als den zentralen Grund: "Das Preis-Leistungs-Verhältnis in der Türkei war schon immer ausgezeichnet."

Der Reise-Präsident sieht aber durchaus auch, dass neben Fragen der Sicherheit für die Kunden des Urlaubsindustrie vermehrt die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei eine Rolle spielen. "In den Reisebüros muss nun sehr viel erklärt werden." Erklärungsbedürftig seien zum Beispiel die räumlichen Distanzen innerhalb des Landes: "Die touristisch relevanten Regionen an der türkischen Riviera und der Ägäis sind von den Ereignissen in Ankara und Istanbul nicht betroffen. Dennoch verzeichnet die Region deutliche Rückgänge aus dem deutschen Markt." Hinzu kommt in der Türkei, dass auch die Urlauber aus Russland weitgehend wegbleiben - sie stellten bisher die zweitgrößte Gruppe an Gästen.

Das Tourismusministerium in Ankara meldet gerade, dass im Juni 40 Prozent weniger ausländische Besucher gezählt wurden als vor einem Jahr. Vor dem versuchten Militärputsch hatte bereits eine Serie von Anschlägen für Verunsicherung gesorgt. "Der Kunde ist sehr aufmerksam, was die Frage der Sicherheit angeht", sagt Fiebig. "Er wird sich vielleicht mit der Zeit ein dickeres Fell zulegen, weil Terroranschläge ja leider fast schon zum Alltag gehören. Alle realisieren, dass eine hundertprozentige Sicherheit nirgendwo auf der Welt gegeben ist." So hätte bis zum Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg doch niemand daran gedacht, dass man an einem solchen Ort das Opfer eines terroristischen Anschlags werden kann.

"Im Moment bedarf es noch etlicher Anstrengungen und einiger Kunden, die sagen, jetzt fahren wir doch noch in Urlaub. Schlechtes Wetter hierzulande wäre hilfreich. Die Angebote sind da, die Preise sind teilweise äußerst attraktiv", sagt Fiebig. Die momentanen Preise wird es nach seiner Ansicht nur vorübergehend geben: "Dauerhaft wird man mit Superniedrigpreisen dem Gast nicht die Qualität garantieren können, die er erwartet."

Während Ägypten, Tunesien und die Türkei verzweifelt um Gäste werben müssen, haben viele Hoteliers in Spanien den Andrang auf ihre Häuser zu teilweise kräftigen Preisaufschlägen genutzt: "Wo es super läuft, gibt es nicht unbedingt noch Superpreise. Wo es weniger gut läuft, versucht man die Nachfrage über günstige Preise zu stimulieren."

Der deutsche Verbandspräsident warnt die Profiteure der Krise vor übertriebenem Gewinnstreben: "Die Hoteliers in den aktuell sehr stark nachgefragten Reiseländern dürfen jetzt nicht übermütig werden, weil es nicht mehr so viel Mühe macht, Kunden zu gewinnen", sagt Fiebig.

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: