Tengelmann:Der Konter des Vizekanzlers

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht im Fall Edeka-Tengelmann einen Fehler der Richter - und der Konkurrent Rewe ärgert sich. Der Minister will klagen.

Von Varinia Bernau und Thomas Öchsner, Berlin/Düsseldorf

Die Nordseeinsel Amrum nennt sich "die kleine Insel mit der großen Freiheit". Man kann dort den "Strand umbuddeln, übers Eiland toben, wattwandern, Möwen verscheuchen oder Seehunde beobachten", heißt es auf der Homepage der Insel. Dafür hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der derzeit auf Amrum urlaubt, an diesem Mittwoch allerdings keine Zeit. Den Vizekanzler zog es aus Nordfriesland zurück in die Hauptstadt. Die harsche Richterschelte im Fall Edeka/Tengelmann wollte er nicht auf sich sitzen lassen.

Also trat er am frühen Nachmittag vor die Presse - mit einer Viertelstunde Verspätung ("Ich wollte Ihnen meinen Urlaubsdress ersparen") - und las entgegen seinen Gewohnheiten lange vom Blatt ab. Bei der Darlegung seiner Version der Geschichte wollte Gabriel auf Nummer sicher gehen. Nur keine Fehler machen. Genau das hatten ihm nämlich die Richter vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf vorgeworfen, als sie am Dienstag in einem Eilverfahren die Ministererlaubnis zur Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann für nicht haltbar erklärten - und das ganze Projekt stoppten. Sie hatten dabei ungewöhnlich schwere Vorwürfe gegen Gabriel erhoben: Von "Befangenheit" und "Geheimgesprächen" war die Rede. Nun also setzte Gabriel zum Konter an: Das Gericht habe "in einer ganzen Reihe von Fällen sowohl formale als auch inhaltliche Gründe aufgezählt, die sich mit den realen Tatsachen nicht decken", sagte der Minister. So habe das OLG falsche Termine genannt und Gesprächsrunden unterstellt, die es so gar nicht gegeben habe. Für den Minister ist deshalb klar, dass er klagen wird: "Wir werden vor Gericht gehen." Strittig ist vor allem ein Gespräch Mitte Dezember, bei dem der Minister mit dem Chef von Edeka, Markus Mosa, und dem von Tengelmann, Karl-Erivan Haub, zusammenkam. Bei diesem Gespräch, so betonte Gabriel nun, seien Beamte aus dem Ministerium dabei gewesen. Von Geheimgesprächen könne "nicht die Rede sein". Weder sei er befangen, noch sei seine Erlaubnis eine "Gefälligkeitsentscheidung" gewesen, sagte Gabriel. Das zeigten schon die harten Auflagen des Ministeriums für die Fusion. Er habe mehrere Stunden an einer Anhörung mit allen Beteiligten teilgenommen, "weil ich alle Argumente selbst hören wollte". Das Gericht hätte durch "eine kurze Rückfrage" im Ministerium erfahren können, wer wann mit wem geredet habe, statt von falschen Voraussetzungen auszugehen. Die Richter sind aber offenbar skeptisch, dass Gabriel zu diesen Gesprächen wirklich so auskunftsfreudig ist, wie er behauptet: Denn in einem Schreiben, das das Ministerium im Januar an die Anwälte von Rewe schickte, heißt es noch, dass es keinerlei Notizen zu dem ersten Gespräch gebe. Und im Übrigen auch keine weitere Korrespondenz in der Angelegenheit zwischen dem Ministerium und anderen. Während das Ministerium solche Gespräche für "üblich, möglich und zulässig" hält, zeigten sich selbst erfahrene Juristen, die nicht an dem Fall beteiligt sind, erstaunt darüber, dass in den Unterlagen für das Gericht zunächst nichts über die Gespräche vermerkt war. Für sie stellt sich deshalb auch die Frage, ob Gabriel von seinen Beamten zu wenig über Risiken aufgeklärt wurde. Oder wurde er aufgeklärt - und hat womöglich nicht auf ihre Ratschläge gehört? "Politisch ist es absolut verständlich, dass der Minister sich in vertraulicher Atmosphäre die Argumente Einzelner anhöre. Das aber nicht zu den Akten zu geben, ist formal nicht korrekt", sagt ein Beobachter.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel musste am Mittwoch seinen Sommerurlaub auf Amrum unterbrechen, um in Berlin seine Sicht der Dinge zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu erläutern. (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Deutlich kritisierte der Vizekanzler die Auffassung des Gerichts, bei Tausenden Arbeitsplätzen und den Arbeitnehmerrechten von fast 16 000 Tengelmann-Mitarbeitern gehe es nicht um das Gemeinwohl. "Ich weise diese Auslegung unserer Verfassungsordnung entschieden zurück." Sollte es bei dem Gerichtsurteil bleiben, befürchtet Gabriel, dass bei einer Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann 5000 bis 8000 Jobs gefährdet seien. Nun gebe es für die Beschäftigten wieder eine "Hängepartie".

Sicher ist: Das OLG, das in den nächsten Monaten abschließend ein Urteil verkünden wird, hat keine Revision zugelassen. Der Wirtschaftsminister kann nun eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Oder er wartet, bis das Hauptsacheverfahren zu Ende geführt ist, und legt dann Rechtsmittel ein. Beides wird nun geprüft, kündigte Gabriel an.

Auch der Handelskonzern Edeka will sich nicht geschlagen geben. Man halte die Begründung der Richter für falsch. Den Vizekanzler durften die Journalisten am Ende sogar noch nach den deutschen Soldaten in der Türkei fragen. "Ich lasse jede Frage zu. Ich bin aus dem Urlaub gekommen, dann muss es sich auch lohnen", sagte Gabriel.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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