Talente: Stéphane Richard (10):Der Mann, der Siemens bangen lässt

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Stéphane Richard, Kabinettschef im französischen Wirtschaftsministerium, entscheidet über die Siemens-Kraftwerkssparte.

Michael Kläsgen

Neulich war Stéphane Richard mal für Sekunden im Fernsehen zu sehen. In dem Beitrag ging es um den kleinen Obolus, den die französische Regierung dem Ölkonzern Total abverlangte. Richard saß mit vielen anderen am Konferenztisch im Hintergrund, also da, wo der 46-Jährige sich im Moment noch aufhält, "in der totalen Anonymität", wie er es ausdrückt. Dort, hinter den Kulissen, zieht er die Fäden, und das in einer für Deutschland besonders delikaten Angelegenheit.

Stéphane Richard gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Chefposten beim weltgrößten Atomstromkonzern EDF. (Foto: Foto: AFP)

Richard ist "Directeur de Cabinet" im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium, was sich schwer übersetzen lässt. Im Prinzip ist er die Nummer zwei hinter der Ministerin und damit der wichtigste von drei Drahtziehern, die derzeit darüber befinden, wie man am klügsten mit dem "Problem Siemens" umgeht.

Der Münchner Konzern baut mit dem französischen Atomkonzern Areva seit fast zehn Jahren Atomkraftwerke, unter anderem gerade solche der neuen Generation in Nordwestfrankreich und in Finnland.

Wichtige Pläne in der Schublade

Doch wie es mit dem Aktionärspakt weitergeht, der Siemens 34 Prozent am Kapital der Areva-Sparte Nuclear Power (NP) garantiert, darüber muss 2009 entschieden werden, wie Richard der SZ bestätigt.

Bisher hieß es, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bastle an einem großen, rein französischen Atomkonzern, der den amerikanisch-japanischen und russischen Konkurrenten Paroli bieten kann. Kurzum: Die Konzerne Bouygues und Alstom sollen Siemens ersetzen. Aber es gibt auch andere Varianten, die Siemens-freundlicher sind, mit Mitsubishi zum Beispiel.

Die Pläne dafür liegen in den Schubladen - in jener von Stéphane Richard und seit kurzem auch in jener von Sarkozy, der am Ende entscheidet. Richard hat sie nicht allein ausgeheckt, sondern stimmte sich mit der Unternehmensberatung McKinsey, der Bank HSBC, der staatlichen Beteiligungsgesellschaft APE und der staatlichen Atombehörde CEA, dem Großaktionär von Areva, ab.

Jeden Mittwoch traf er sich zudem mit zwei weiteren hochkarätigen Kulissenarbeitern, um das Problem ressortübergreifend zu diskutieren: François Pérol aus dem Elysée und Antoine Gosset-Grainville aus dem Hôtel Matignon, dem Sitz des Premierministers.

Neuer Traumjob

"Jetzt muss der Präsident nur noch entscheiden", sagt Richard. "Aber es besteht kein Grund zur Eile. Dass noch während der halbjährigen französischen EU-Ratspräsidentschaft eine Entscheidung fällt, bezweifele ich", sagt er. Auch die Aktienkurse stehen gerade nicht gut. Andererseits weiß man bei diesem Präsident nie so genau.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Richard seine ersten Millionen verdiente.

"Will man Deutschland die Rückkehr zur Atomkraft wieder schmackhaft machen, wäre es andererseits auch kontraproduktiv, wenn Siemens nicht mehr an der Atomindustrie beteiligt wäre." Richard sagt zudem, dass man unterscheiden müsse zwischen der Politik eines Landes und den Interessen eines Unternehmens. Das wisse er, war er doch lange auf der Unternehmensseite. Bisher hatte Frankreich den Verbleib von Siemens in der Areva-Gruppe von der Rückkehr Deutschlands zur Atomkraft abhängig gemacht.

Richard hat schon eine andere knifflige Fusion hingekriegt, die in den nächsten Tagen endlich vollzogen wird: die der Energiekonzerne Suez und Gaz de France (GDF). Sie ist maßgeblich sein Verdienst. Areva könnte sein Meisterstück werden, jedenfalls hofft er auf höhere Weihen, und das ist wohl der Hintergedanke seines stillen Schaffens im Anonymen.

Die Krönung wäre für ihn, den Chefposten eines großen Unternehmens zu erklimmen, den von EDF zum Beispiel, des größten staatlichen Atomstromkonzerns der Welt. Pierre Gadonneix tritt in wenigen Monaten ab, und Richard ist im Gespräch für seine Nachfolge. Er ist zwar nicht der einzige, doch einer der aussichtsreichsten Kandidaten. "Aber es gibt auch andere schöne Unternehmen", sagt er. Auf jeden Fall reizen ihn Unternehmen mehr als ein Ministerjob. Denn auch da könnte sich etwas tun. Eine Kabinettsumbildung plant Sarkozy für Anfang 2009.

Die ersten Millionen

Richard käme für die Wirtschaft durchaus in Frage. Er ist alles andere als ein Aktenfresser oder Wasserträger, wie es der Titel des Kabinettschefs vermuten lassen könnte. Richard gründete seine eigene Firma, da war er gerade 36 Jahre alt und beim Mischkonzern Vivendi. Sein Chef, Jean-Marie Messier, berauschte sich damals an der schönen neuen Medienwelt und beauftragte Richard damit, bei der langweiligen, darniederliegenden und in viele juristische Streitereien verwickelten Immobiliensparte des früheren Wasserkonzerns aufzuräumen.

"Ich hatte den Eindruck, alle steigen ins Boot, und ich muss an Land bleiben", sagt Richard. Mit einem Kompagnon hatte er die zündende Idee, die ihn zum Firmengründer und Millionär machte: Er beteiligte sich mit 600000 Euro an dem Kauf der Sparte, hielt dann ein Prozent des Unternehmens und stieg beim Börsengang desselben, das nun Nexity hieß, aus - mit einem soliden Gewinn von mehreren zehn Millionen Euro, wie es heißt.

Richards noch kurzes Leben hat bereits viele Facetten. Vor Messier kreuzte Dominique Strauss-Kahn seine Wege, mit dem er noch heute in Verbindung steht. Anfang der neunziger Jahre arbeitete Richard als einer der Berater von "DSK", des damaligen Industrie- und Außenhandelsministers, der heute Chef des Internationalen Währungsfonds ist.

Sarkozy-Freund

Überhaupt galt Richard, der in Bordeaux geborene und in Marseille aufgewachsene Absolvent der Eliteschulen Ena und HEC, eher der marktwirtschaftlich orientierten Linken zugeneigt. Dann schloss er sich der Regierung Sarkozy an, was seine Mutter, eine Anhängerin des anderen politischen Lagers, anfangs nicht begeisterte.

Mit Sarkozy kam er erstmals Mitte der neunziger Jahre in Kontakt. Inzwischen soll sie Freundschaft verbinden. Der Präsident überzeugte ihn persönlich im Mai 2007 davon, noch einmal für den Staat zu arbeiten. Richard hatte ein Wochenende Bedenkzeit. Es war keine leichte Entscheidung.

Nach dem Jackpot bei Nexity war Richard dank seines Ziehvaters Henri Proglio wieder zu seinem ursprünglichen Arbeitgeber zurückgekehrt, der jetzt Veolia hieß und von Proglio geleitet wurde. Dieser machte Richard zum Chef der Transportsparte des Dienstleisters, der in Deutschland unter dem Namen Connex bekannt ist - ein Geschäft mit 80000 Mitarbeitern und fünf Milliarden Euro Umsatz.

Für Richard bedeutete der Gang ins Ministerium und in die Anonymität, Abschied zu nehmen von einem einträglichen Auskommen mitsamt Aktienoptionen. So etwas tut ein Ehrgeiziger nur mit der berechtigten Hoffnung, irgendwann dafür belohnt zu werden.

© SZ vom 07.07.2008/jpm/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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