Talente: Marta Ortega (17):Im Namen des Vaters

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Marta Ortega arbeitet erst mal als einfache Angestellte im Laden, bevor sie zur Chefin der spanischen Textilgruppe Zara aufsteigt

Javier Cáceres

Marta Ortega Pérez war 14 Jahre alt, als sie das erste Mal strategisch in die Geschicke des Imperiums ihres Vaters eingriff, im Wege der pubertären Zickerei. "Ich mag die Zara-Kleidung nicht", quengelte sie. Die Kleidung des Modelabels, das ihren Vater Amancio Ortega schon damals zu einem der reichsten Männer Spaniens gemacht hatte, empfand sie als "viel zu formell".

Neue Kollektion des Modekonzerns Zara. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Der Vater scheint zugehört zu haben. Wenig später entstand ein neuer Geschäftszweig seines Firmen-Konglomerats Inditex. Eine Streetwear-Modemarke musste her, so schrill und laut, wie es dem Impetus der Tochter entsprach. Bershka wurde das neue Format genannt. Und hatte Erfolg: In den zehn Jahren, die seither vergangen sind, ist aus Bershka selbst ein kleines Imperium geworden.

In 35 Ländern sind bis heute mehr als 500 Bershka-Filialen entstanden. Zum Ergebnis des - vor dem US-Konzern GAP und der schwedischen H&M-Gruppe - größten Bekleidungsfilialisten der Welt trägt Bershka mittlerweile zehn Prozent bei. So schloss sich also bloß ein Kreis, als Marta Ortega, mittlerweile eine Mittzwanzigerin, im September vergangenen Jahres unter dem Deckmantel der Anonymität in einer unbekannten Stadt eine Arbeit als Angestellte einer Bershka-Niederlassung aufnahm. Als eine weitere Etappe ihrer langen Bildungsreise, die sie auf den Platz an der Inditex-Spitze vorbereiten soll.

"Reden ist negativ"

Wann wird Marta Ortega die Chefin? Gute Frage. 72 Jahre ist ihr Vater nunmehr alt, und auch wenn er selbst einmal gesagt haben soll, dass er eigentlich nicht mehr gebraucht werde, weil er alle Aufgaben delegiert habe, so lässt er sich doch noch jeden Tag in der Firmenzentrale im galicischen Arteixo blicken. Zwar nicht mehr wie früher um halb acht. Aber immerhin.

Genau genommen gibt es bis heute keine offizielle Mitteilung, wonach seine Tochter einmal an die Spitze rücken soll. "Zu viel reden ist negativ", hat der chronisch schweigsame Amancio Ortega einmal erklärt. Eine Bestätigung liegt nur deshalb vor, weil der öffentlichkeitsscheue Ortega vergangenes Jahr bei einem Treffen mit Business-School-Professoren einige Geschäftsaphorismen zum Besten gab ("In diesem Unternehmen haben wir uns nie ausgeruht. Optimismus ist negativ."), vor allem aber erklärte, dass die Nachfolge geregelt sei. Die künftige Zara-Zarin heiße Marta Ortega.

Geboren wurde sie 1984 in La Coruña, als einziges Kind der zweiten Beziehung ihres Vaters. Gut zwanzig Jahre war er mit Rosalía Mera verheiratet gewesen, die einst mit ihm das Inditex-Imperium gegründet hatte und als zweitgrößte Aktionärin noch immer eine wichtige Rolle im Konzern spielt. Die Ehe ging kurz nach der Geburt der Tochter zu Bruch. Damals lernte Amancio Ortega seine jetzige Frau Flora Pérez kennen, die zu der Zeit als Angestellte in einer Zara-Filiale in La Coruña arbeitete. Sie heirateten erst, als Marta volljährig war.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Marta Ortega langsam als Inditex-Führerin aufgebaut wird - und warum sich heute eher die Wirtschaftszeitungen als die Klatschpresse für die ehemalige Jesuitenschülerin interessieren.

Lange Zeit war über Marta Ortega nicht viel mehr bekannt, als dass sie "das rechte Auge ihres Vaters" sei - sein Ein und Alles. Die Jesuitenschülerin hatte ihren Vater so gut im Griff, dass dieser sich schon mal in seinen Privat-Jet setzte, um ihr in Großbritannien Rassepferde zu kaufen. Das Reiten war jedoch nicht bloß eine Teenager-Laune; erst mit 19 verwarf sie die Idee einer Profi-Karriere. Sie war spanische Jugendmeisterin im Springreiten, auch die prestigeträchtige Trofeo Príncipe de Asturias hat sie ein Mal gewonnen.

Ende 2000 richtete ihr der Papa - seinerseits ein Autofreak - auf einem 30 Hektar großen Gelände sogar ein 12.500 Quadratmeter großes Reitzentrum namens Casas Novas ein. Mittlerweile ist die international hochangesehene Anlage Heimstatt exklusiver Reitwettbewerbe. Weil sich dort auch gerne Geldaristokratinnen wie Athina Onassis und Mitglieder des Hochadels wie Spaniens Königstochter Elena oder Jordaniens Prinzessin Haya blicken lassen, ist die Klatschpresse selten fern.

Doch erst, als ihre Beziehung zum Profi-Reiter Gonzalo Testa publik wurde, begann der Name von Marta Ortega allmählich aus den Hochglanz-Magazinen zu verschwinden, um stattdessen auf den lachsfarbenen Seiten der spanischen Wirtschaftszeitungen aufzutauchen. Dort interessiert man sich nun dafür, wie die einstige Jesuitenschülerin und spätere Absolventin eines Schweizer Colleges und der Londoner European Business School zur Chefin von Spaniens Vorzeigeunternehmen aufgebaut wird.

"Kaum bedeutender" Anteil

Ihr Aufenthalt in der Bershka-Filiale im vergangenen Herbst dürfte dem Werdegang des Vaters nachempfunden sein: Er hatte in den sechziger Jahren als Zuarbeiter bei einem Herrenausstatter angefangen und so das Geschäft von Grund auf gelernt. Ähnlich soll auch Marta jede Facette des Filialgeschäfts des Inditex-Betriebs aus erster Hand kennenlernen - außer die Nähereien in den Zulieferbetrieben. An welcher Stätte ihres Bildungswegs sich Ortega zurzeit genau befindet, ist unbekannt. Verraten wurde nur, dass sie nach ihrer Bershka-Visite den Finanz- und Verwaltungsapparat kennenlernen sollte, ebenso die Produkt- und Designabteilung. Auch die Außenbüros in Paris, London und Shanghai soll sie aufsuchen.

Nach und nach werden ihr auch offizielle Aufgaben übertragen. Ende Dezember 2006 übernahm Marta Ortega einen Verwaltungsposten in den beiden Firmen, über die ihr Vater nahezu 60 Prozent an Inditex kontrolliert: Partler und Gartler. Anfang 2008 übernahm sie zudem einen direkten Anteil an Inditex. Unklar ist, wie hoch dieser genau ist, Inditex-Kreise nannten ihn damals "kaum bedeutend". Klar ist hingegen, dass Marta Ortega einige Verhaltensmuster des Vaters übernommen hat: Interviewanfragen werden von der PR-Abteilung mit einem Verweis auf die Homepage beantwortet. Und dass sie mittlerweile aus dem Bershka-Alter heraus ist, kann man auf Fotos sehen: Marta bevorzugt nun eher schlichte Eleganz.

© SZ vom 25.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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