Studie:Rettung aus Fernost

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Gerade in Niedrigzinszeiten sind Mittelständler wie etwa im Maschinenbau ein interessantes Investitionsobjekt. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Eine Studie zeigt: Wenn Chinesen deutsche Firmen kaufen, müssen Arbeitnehmer nicht bangen. Investoren nehmen oft sogar viel Geld in die Hand, um sich am deutschen Markt zu etablieren.

Von Alexander Hagelüken, München

Die Mitarbeiter von ZF Friedrichshafen wehrten sich. "Keine Experimente" stand auf Transparenten, mit denen sie 2013 gegen den Verkauf der Gummi- und Plastiksparte des Autozulieferers nach China demonstrierten. Wenn Inder, Russen, Brasilianer oder Chinesen bei deutschen Firmen einsteigen, lösen sie Ängste aus - ob beim Baumaschinenhersteller Putzmeister oder der Windanlagenfirma Repower. "Das Vorurteil ist, dass die Investoren nur schnell Wissen abziehen und dann den Laden dichtmachen", sagt der Wirtschaftsgeograf Martin Franz. "Und dass sie deutsche Firmen fernsteuern und es Betriebsräten schwer machen."

Professor Franz hat mit Kollegen 280 Betriebe untersucht, bei denen ausländische Investoren aus den vier Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) einstiegen. Fazit: Die Ängste sind unbegründet, die Vorurteile nur Vorurteile. "Ausländische Investoren bedeuten oft eine Zukunftsperspektive oder sogar eine Rettung der Firma", sagt Franz über die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Manches Engagement ist erst wenige Jahre alt, sodass man mit der Bewertung abwarten muss. Weil die Untersuchung ausgerechnet von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, steht sie aber kaum in Verdacht, kritiklos mit den Arbeitgebern umzugehen.

Firmenkäufer aus weit entfernten Ländern sind ein Trend. Nach einer Studie des Forschungsinstituts Merics wird sich allein der Wert der chinesischen Direktinvestitionen im Ausland bis 2020 fast verdreifachen. Nimmt man Gründungen hinzu, beschäftigen die Investoren aus dem Osten und Süden laut Franz' Studie schon mindestens 42 000 Mitarbeiter in Deutschland. Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte der deutschen Firmen in Schwierigkeiten steckten, von schlechten Aussichten bis zum Bankrott - und ihnen die Investoren in den meisten Fällen eine Zukunft bescherten. "Uns sind keine Fälle bekannt, in denen Firmen nach der Übernahme insolvent wurden", sagt Franz.

Nach seinen Erkenntnissen nehmen die Investoren oft viel Geld in die Hand, womöglich mehr, als ein deutscher Eigentümer oder Käufer es tun würde. Denn es geht ihnen um den Sprung auf den deutschen Markt (und vielleicht den Rest Europas). Sie schätzen die Kenntnisse der deutschen Mitarbeiter und ihre Fähigkeit, Qualität zu produzieren, die sie oft noch nicht hinkriegen. Franz: "Die Investoren sind auf ihrem Heimatmarkt stark, können mit ihren Produkten in Deutschland aber nicht landen" - so wie die chinesische Firma Sany hier keine einzige Autobetonpumpe losgeschlagen habe, bis sie 2012 den schwäbischen Hersteller Putzmeister kaufte.

Weil die exotischen Investoren auf dem deutschen Markt landen wollten, handeln sie meist langfristig. Damit würde sich Vorurteil eins als falsch erweisen: Von wegen schnell Wissen absaugen und die deutsche Firma als leere Hülle zurücklassen. "Das Know-how der deutschen Firmen ist zwar ein wichtiger Grund für die Investition, die Angst vor einem schnellen Transfer aber zumeist unbegründet", schreiben die Autoren. Demnach verzichten die Investoren entgegen Vorurteil zwei auch darauf, deutschen Managern ins Tagesgeschäft zu funken und deren Strategie zu verwerfen.

Und: Sie respektieren Arbeitnehmerrechte wie die Mitbestimmung. In mehreren Fällen schlossen sie Beschäftigungsgarantien mit Gewerkschaftern ab. Ein indischer Investor redet sogar davon, in seiner Heimat die Mitbestimmung einzuführen, weil sie klassische Hierarchien abschleife und so zu mehr Kreativität führe. Die meisten Investoren sind gegenüber Mitbestimmung eher indifferent, aber immerhin: "Es wird als etwas akzeptiert, das in Deutschland dazugehört", resümiert Martin Franz. So viel zu Vorurteil drei. Gibt es keine Fälle, in denen sich ausländische Investoren negativ auswirken? Doch, sagt Franz. "Aber es sind nur Einzelfälle." Die Mitarbeiter der ZF-Gummisparte, die 40 000 Unterschriften gegen einen Verkauf an die Chinesen sammelten, bekamen von den neuen Eignern was zu hören: Die Firma TMT gab eine Beschäftigungsgarantie bis 2018.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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