Steuersätze:Umziehen spart Millionen

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Die Kantone liefern sich bei Steuerfragen seit jeher einen harten Wettbewerb - er ist tief im Schweizer System verwurzelt.

Von Charlotte Theile, Zürich

Wenn ein Schweizer im Lotto gewinnt, ist seine erste Sorge oft nicht, wo er das Geld am besten anlegt, oder wem er von den unerwarteten Millionen erzählt. Im Lotto gewinnen, das heißt in der Schweiz vor allem: möglichst schnell die Wohnsitzadresse ändern. Ein paar Kilometer umziehen spart in solchen Fällen schnell mal ein paar Millionen Franken - denn die Steuern, die Kantone und Gemeinden von ihren vermögenden Einwohnern und den ortsansässigen Unternehmen einfordern, unterscheiden sich ganz erheblich. Für Briefkastenfirmen, die im Prinzip nicht mehr brauchen als ein Formular und eine gültige Postadresse, ist der Steuersatz oft das entscheidende Argument.

Hintergrund dieser unterschiedlichen Besteuerung ist der schweizerische Föderalismus. Jeder der 26 Kantone hat ein eigenes Steuergesetz und erhebt eine eigene Einkommen-, Vermögen-, Gewinn-, Kapital-, Quellen- und Grundstückgewinnsteuer. Im Ergebnis führt das dazu, dass sich jeder Kanton der Schweiz in einem Wettbewerb mit Steueroasen auf der ganzen Welt sieht. Im "Swiss Tax Report", den die Wirtschaftsprüfer von KPMG einmal im Jahr veröffentlichen, führt Luzern, was die Gewinnsteuer angeht, mit gut zwölf Prozent ganz knapp vor Irland und Liechtenstein. Der als Steuerparadies bekannte Kanton Zug steht mit gut 14 Prozent immer noch besser da als Albanien, Litauen und Serbien, die alle bei 15 Prozent liegen.

Wie wenig das ist, zeigt sich im globalen Vergleich: Selbst Hongkong und Singapur erheben mit etwa 17 Prozent höhere Gewinnsteuern als viele Schweizer Kantone. Deutschland liegt in diesem Report bei knapp 30 Prozent, der Schweizer Durchschnitt bei 17, 8 Prozent.

Auch die Kantone, die im Vergleich hohe Steuern verlangen und deshalb im Wettbewerb mit den besonders günstigen Kantonen in der Innerschweiz kaum mithalten können, berufen sich auf die Budgetfreiheit. Oft sind es Kantone, die darauf bauen können, dass sich auch ohne Dumping-Steuern genug internationale Unternehmen ansiedeln werden. Dazu zählen etwa Zürich und Genf, wo die Gewinnsteuern 2015 bei 21,2 beziehungsweise 24,2 Prozent lagen.

Die Schweiz legt seit jeher großen Wert auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. So sind etwa die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt, wo auch langjährige Mitarbeiter ohne Weiteres gekündigt werden können, besonders unternehmensfreundlich. Die nun vorgesehene Steuerreform steht in dieser Tradition: Die Kantone erhalten bei der Ausgestaltung große Freiheiten. "Jeder Kanton kann die vorgesehenen Maßnahmen so umsetzen, wie es seiner Steuerpolitik entspricht", heißt es im Abstimmungsheft. Eine Folge aber ist schon jetzt klar: In vielen Kantonen würden "im Zuge der Reform die Gewinnsteuern" gesenkt. Auch ob die Steuergeschenke für Forschung und Entwicklung, Abzüge beim Eigenkapital oder bei der Kapitalsteuer an die Gesellschaften weitergegeben werden, bestimmen die Kantone. Das macht es auch schwierig, die tatsächlichen Kosten der Reform abzuschätzen.

Die Schlagzeile der NZZ am Sonntag aber zeigt deutlich, dass die kantonalen Finanzdirektoren nervös geworden sind. Sie "geloben" dort, die Reform würde nicht über höhere Steuern für Privatpersonen finanziert. Für die Gegner der Vorlage ist das wenig beruhigend: Die Kantone, die auch die Bildungspolitik und viele andere Bereiche selbständig verantworten, hätten auch die Möglichkeit, Sparprogramme anzustoßen - die dann doch die Steuerzahler träfen.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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