Steigende Rohstoffpreise:Metalldiebe verursachen 4000 Stunden Zugverspätungen

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17 Millionen Euro beträgt 2012 allein der durch die Diebe angerichtete Materialschaden bei der Bahn. (Foto: dpa)

Tatort Stellwerk: Laut SZ-Informationen wurden im vergangenen Jahr 17.000 Züge aufgehalten, weil Unbekannte zuvor Kupferkabel geklaut hatten. Europaweit soll der Schaden bei mehreren Milliarden Euro liegen. Auch Energiekonzerne und Internetnutzer leiden unter den Diebstählen.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Reisende, die sich über die Deutsche Bahn ärgern, haben oft gute Gründe dafür. Doch nicht immer ist der Staatskonzern schuld, wenn sich ein Zug verspätet, sondern: Kriminelle. Ganze 2700 Mal war die Bahn im vergangenen Jahr Opfer von Metalldieben. Das geht aus den neuesten Zahlen des Sicherheitsbündnisses hervor, das der Konzern im Juli 2012 gemeinsam mit dem Energieversorger RWE, der Telekom sowie dem Verband Deutscher Metallhändler gegründet hat. Die Zahlen liegen der Süddeutschen Zeitung vor.

17 000 Züge sind demnach im Laufe des vergangenen Jahres an der Weiterfahrt gehindert worden, weil zuvor Diebe Kupferkabel oder andere Metallteile entwendet hatten. Die Fahrten haben sich dadurch um insgesamt 240 000 Minuten - oder 4000 Stunden - verspätet. Der durch die Diebstähle angerichtete Materialschaden betrug 17 Millionen Euro. "Die Diebe setzen für ein paar Euro ihr Leben aufs Spiel und verursachen dabei nicht nur einen großen materiellen Schaden für die Bahn, sondern schaden vor allem unseren Kunden", sagt Gerd Neubeck, Leiter der Konzernsicherheit bei der Deutschen Bahn.

Seit die Rohstoffpreise stark anziehen, haben Metalldiebstähle deutlich zugenommen. Ermittler schätzen den Schaden EU-weit auf knapp neun Milliarden Euro. In Deutschland ist die Bahn wegen ihrer leicht zugänglichen Infrastruktur mit Abstand das beliebteste Opfer - aber längst nicht das einzige. Der Energiekonzern RWE beispielsweise, der sich ebenfalls dem Sicherheitsbündnis angeschlossen hat, zählte im vergangenen Jahr 423 Metalldiebstähle. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Rückgang um zehn Prozent. Der dabei angerichtete Schaden stieg jedoch von 1,7 Millionen auf 2,1 Millionen Euro, was sich unter anderem mit weiter gestiegenen Rohstoffpreisen erklären lässt.

"Die Oberleitung fehlt"

Wie dreist die Diebe mittlerweile vorgehen, zeigt ein Fall aus dem Rheinland. Als dort vor einiger Zeit in der zuständigen Leitzentrale der Anruf eines Straßenbahn-Fahrers einging, dachte man zuerst an einen Scherz. Er könne leider nicht weiterfahren, die Oberleitung fehle, teilte der Fahrer den Kollegen mit. Doch es war kein Scherz. "Da fehlte tatsächlich ein beachtliches Stück der Oberleitung", sagt Ulrich Leuning, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV). "Diebe hatten es kurz zuvor herausgeschnitten."

Waren es früher vor allem schlecht einsehbare Lagerplätze und Baustellen sowie einsame Bahntrassen, die Metalldiebe anlockten, so scheuen die Täter inzwischen nicht davor zurück, auch mitten in der Stadt zuzuschlagen, sogar am helllichten Tag. "Die Methoden werden immer dreister", stellt Leuning fest. Daher hat sich der Verband mittlerweile ebenfalls dem Sicherheitsbündnis angeschlossen.

Ziel dieser Partnerschaft ist, den Tätern durch eine enge Kooperation sowohl den Diebstahl als auch einen anschließenden Absatz deutlich zu erschweren. So haben die Bündnispartner ein Frühwarnsystem eingerichtet, mit dem sie sich gegenseitig darüber informieren, wenn es in einer bestimmten Region zu Diebstählen kommt. Zudem werden die angeschlossenen Altmetallhändler und Recyclingunternehmen gewarnt, dass Hehler unterwegs sind und versuchen könnten, ihnen gestohlene Ware anzudrehen. "Gerade beim Verkauf sind die Täter sehr einfallsreich", sagt Leuning. "Zum Beispiel teilen sie das Diebesgut in kleinste Einheiten auf und fahren dann mit der Schubkarre beim Altmetallhändler vor, damit der ja keinen Verdacht schöpft."

Kabel werden unsichtbar markiert

Dass es sich um Diebesgut handelt, merkt der Händler nur, wenn die Kabel speziell gemustert oder mit künstlicher DNA markiert waren - eine Methode, die die Bündnispartner bundesweit zunehmend einsetzen. Dabei werden Kabel unsichtbar per Sprühpistole markiert. Versuchen Diebe später, die Kabel zu verkaufen, können die Altmetallhändler die Markierung mit einer UV-Lampe sichtbar machen.

So innovativ dieses Verfahren auch sein mag, dem britischen Kommunikationskonzern Vodafone hätte es nichts genützt. Der ist an einer Großbaustelle in Leipzig in den vergangenen vier Wochen gleich achtmal Opfer von Metalldieben geworden. Und das, obwohl Vodafone dort gar keine Metallkabel verlegt hatte - sondern Glasfaserkabel.

Das merkten die Täter allerdings erst, nachdem sie die Kabel aufgeschlitzt hatten. "Mit Glasfaser können sie überhaupt nichts anfangen", sagt ein Vodafone-Sprecher. "Für uns aber ist es jedesmal ein Riesenaufwand, die Kabel wieder zusammenzufügen. Und unsere Kunden können über Stunden hinweg keine DSL-Dienste wie Internet oder Telefon nutzen." Das sei kein Kavaliersdelikt, "hier geht es um eine Straftat". Den Gesamtschaden, der allein durch die acht Fälle angerichtet wurde, schätzt er auf eine Million Euro.

© SZ vom 09.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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