Stahlindustrie:Salzgitter will deutlich mehr als 1000 Jobs streichen

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Das niedersächsische Stahlunternehmen Salzgitter AG will SZ-Informationen zufolge "deutlich mehr" als 1000 Jobs streichen. Derzeit beschäftigt Salzgitter noch 25.000 Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nach aktuellem Stand aber nicht geben.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf, und Caspar Busse

Dass die Stimmung ziemlich schlecht ist, war schon in der vergangenen Woche klar. Arcelor-Mittal, der weltweit größte Stahlproduzent, korrigierte seine Erwartungen nach unten. In Europa und in den USA - den beiden wichtigsten Stahlmärkten - laufe das Geschäft nicht gut. In der ersten Jahreshälfte habe der Stahlbedarf in den USA um 5,6 Prozent und in der EU um 5,7 Prozent abgenommen, sagte Finanzvorstand Aditya Mittal, Sohn von Konzernchef Lakshmi Mittal. Besserung sei auch nicht in Sicht. Nur in China wachse der Markt, aber gerade dort ist Arcelor-Mittal eher schwach.

Besonders hart trifft die schwache Stahlnachfrage nun die deutsche Salzgitter AG. Innerhalb weniger Monate musste nun schon zum zweiten Mal die Prognose drastisch korrigiert werden. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann erwartet jetzt für das Gesamtjahr einen Vorsteuerverlust von 400 Millionen Euro. Die Anleger erwischte das kalt: Der Salzgitter-Kurs stürzte ab, verlor am Dienstag zeitweise mehr als elf Prozent und lag bei nur noch gut 25 Euro. "Die Lage ist schwierig", heißt es bei dem Stahlhersteller, an dem das Land Niedersachsen mit mehr als 25 Prozent beteiligt ist. Schon im vergangenen Jahr gab es ein Minus von 30 Millionen Euro.

Salzgitter-Boss Fuhrmann will nun mit einem Sparprogramm gegensteuern. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen deutlich mehr als 1000 der konzernweit gut 25.000 Stellen abgebaut werden. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nach aktuellem Stand aber nicht geben. Bisher hatte Fuhrmann noch keine Zahlen genannt. "Es gibt noch keine Einzelheiten", sagte dazu ein Unternehmenssprecher. Zudem müsste die Planung erst mit den Arbeitnehmervertretern besprochen werden. Einzelheiten zum Sparprogramm könnte der Salzgitter-Chef in der nächsten Woche zusammen mit den ausführlichen Quartalszahlen bekannt geben.

Salzgitter ist nach Thyssen-Krupp Deutschlands zweitgrößter Stahlkonzern. Auch der deutlich größere Konkurrent aus Essen befindet sich in einer Krise. Thyssen-Krupp hatte sich mit zwei neuen Stahlwerken in Brasilien und dem Süden der USA völlig verkalkuliert. Derzeit sucht Konzernchef Heinrich Hiesinger händeringend einen Käufer für diese Betriebe. Im vergangenen Jahr verbuchte der Konzern einen Milliardenverlust, nun wird über eine Kapitalerhöhung spekuliert. Größter Anteilseigner mit noch 25,3 Prozent ist die Krupp-Stiftung. Nach dem Tod von Stiftungschef Berthold Beitz wird nicht ausgeschlossen, dass sie ihre Sperrminorität aufgibt. Zudem plant auch Thyssen-Krupp den Abbau von Arbeitsplätzen. Zuletzt wurde angekündigt, dass 2000 der 28.000 Stahljobs in Europa gestrichen werden.

Viele Walzstahlerzeugnisse können zur Zeit nur unterhalb der Herstellungskosten verkauft werden. Die europäische Autoindustrie - traditionell einer der großen Stahlabnehmer - kämpft angesichts sinkender Nachfrage nach Autos mit Problemen. Dazu kommt der Rückgang der Bautätigkeit in Südeuropa, auch dadurch sinkt die Stahlnachfrage zusätzlich.

Sowohl Thyssen-Krupp als auch Salzgitter machen die Überkapazitäten in der europäischen Stahlindustrie zu schaffen. Die Niedersachsen kämpfen aber auch mit zwei speziellen Problemen. Die Konzerngesellschaft Peiner Träger GmbH, die vor allem Profilstahl für die Bauwirtschaft herstellt, schreibe "anhaltend hohe Verluste", hieß es. Salzgitter muss deshalb im ersten Halbjahr Abschreibungen von 185 Millionen Euro vornehmen. Aber es ist nicht nur die schwache Baukonjunktur: Auch das Geschäft mit Großrohren, etwa für den Bau von Pipelines für Gas oder Öl, ist in der Krise. Es fehlten Großaufträge, weil nicht mehr investiert werde, teilte Salzgitter mit. In mehreren Konzerngesellschaften dürfte die Kurzarbeit mindestens bis Ende des Jahres fortgesetzt werden, kündigte das Management an.

Zudem läuft es bei der größten europäischen Kupferhütte Aurubis schlecht. Hier ist Salzgitter mit 25 Prozent beteiligt. Erst in der vergangenen Woche hatte das Hamburger Unternehmen mitgeteilt, dass Verluste gemacht würden. Die Unsicherheit sei weiterhin groß. Seit Jahresbeginn ist der Kupferpreis um rund 1000 auf 7000 Dollar je Tonne gefallen.

Dass die Lage in der Branche und bei Salzgitter bald besser wird, ist nicht zu erwarten. Zwar soll weltweit die Stahlnachfrage in diesem Jahr um drei Prozent anziehen - aber das ist vor allem auf Asien zurückzuführen. Deshalb gibt sich für das zweite Halbjahr nur der weltweit Branchenzweite zuversichtlich: Nippon Steel & Sumitomo aus Japan erwartet dank der lockeren Geldpolitik und staatlicher Konjunkturspritzen einen Gewinnsprung.

© SZ vom 07.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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