Spielzeug:Zappeldreher und Tamagotchi

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Was für ein Spaß: Der Handkreisel mit dem Namen Fidget Spinner. Erfahrene Spieler stapeln ein paar Kreisel übereinander oder schlagen damit die Saiten einer Bassgitarre. (Foto: Alessandro Della Valle/dpa)

Jede Generation hat ihr Trendspielzeug. Der Erfolg hängt davon ab, ob es einfach zu bedienen und damit für fast jeden geeignet ist.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Weil ja immer alles mit allem zusammenhängt, ist es interessant zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Es gibt da ein Spielzeug, das viele Kinder und gar nicht mal so wenige Erwachsene unbedingt haben wollen. Es ist ein Handkreisel mit Kugellager, an dem drehbare Kunststoff- oder Metallblätter angebracht sind. Fidget Spinner heißen die Dinger - einfach übersetzt: Zappeldreher. Sie sind ein harmloser Spaß. Man kann sie auf den Fingern balancieren oder auch auf der Nase. Erfahrene Spieler stapeln ein paar Kreisel übereinander oder schlagen damit die Saiten einer Bassgitarre und spielen die Titelmelodie von "Pulp Fiction".

Jede Generation hat ihr Trendspielzeug, das können grüner Schleim, Schnullerketten oder digitale Monster sein. Auch diesmal sehen viele Eltern den Kindern kopfschüttelnd beim Kreiseln zu, die Geschäftstüchtigen wundern sich, warum sie nicht selbst so ein erfolgreiches Gerät erfunden haben. Die Chemikerin Catherine Hettinger, die 1993 den Vorläufer ersonnen hat, ist damals allerdings ebenso wenig reich geworden wie der Ingenieur Scott McCoskery, der vor drei Jahren einen ähnlich Kreisel zur Beruhigung seiner selbst erfand. Die Patente sind ausgelaufen, die meisten der millionenfach verkauften Spinner werden in China produziert. Die billigsten Kreisel kosten nicht einmal drei Euro.

Der Mensch spielt, seit er seine Tage nicht mehr allein mit der Suche nach Nahrung verbringt

Weil heute nichts einfach nur ein harmloser Spaß sein darf, müssen Fans die kleinen Kreisel nun verteidigen als medizinisches Gerät, das hyperaktiven oder autistischen Kindern dabei hilft, sich zu konzentrieren. Anerkannte Studien, die das belegen, gibt es allerdings noch nicht. Die Gegner behaupten, dass so ein Fidget Spinner ein Teufelszeug ohne pädagogischen Wert und damit das ideale Gimmick für Millennials sei: der Dabeisein-Pokal unter den Spielzeugen, ein Beruhigungsmittel für Leute, die noch zu jung für harte Medikamente sind. Ach ja: In der Zeitschrift The New Yorker war zu lesen, dass der Fidget Spinner, eine "frustrierende und fruchtlose Aktivität" und damit das passende Spielzeug für die Trump-Präsidentschaft sei.

Jetzt mal ehrlich: Die spinnen doch alle!

Der Mensch spielt, seit er seine Tage nicht mehr nur mit der Suche nach Nahrung verbringt. Es gibt eine Vase aus dem antiken Griechenland, auf der ist Ganymed, der Liebling des obersten Gottes Zeus übrigens, mit einem Reifen abgebildet. Das führt zum ersten Spielzeug, von dem so was wie ein Hype bekannt ist. Der kalifornische Spielzeughersteller Wham-O bewarb im Jahr 1958 einen Kunststoffreifen und verkaufte innerhalb von vier Monaten insgesamt 25 Millionen Hula Hoops. Ein primitives Gerät, das die Menschen unbedingt haben wollten und sich verrückte Tricks ausdachten.

Es gab Matchbox-Autos, Beanie-Kuscheltiere und das Elektrotierchen Tamagotchi. Es gab Karten mit lustigen Monstern, die durch die Augmented-Reality-Version Pokémon Go im vergangenen Jahr ein gewaltiges Comeback erlebten. Was all diese Spielzeuge eint und damit ein Hinweis für alle künftigen Spielzeug-Tüftler sein sollte: Sie sind einfach zu bedienen und damit erst einmal für fast jeden geeignet. Sie sind jedoch schwer zu meistern (oder zu sammeln) und beinhalten deshalb eine Wettbewerb-Komponente: Mit dem Spielzeug-Auto einen Looping schaffen, bei den Kuscheltieren auch den Elch besitzen, das digitale Tierchen länger als zehn Tage am Leben zu halten.

Natürlich ist das Ding herrlich sinnlos, doch das ist der Grund für den Hype

Irgendwann, meist kurz vor dem Höhepunkt des Hypes, muss jemand behaupten, dass genau dieses Ding zur Verdummung der Jugend führen würde. Selbst beim Zauberwürfel des ungarischen Ingenieurs Ernő Rubik hieß es, dass ihn mit der Fridrich-Methode nun jeder lösen könne und es deshalb ein ziemlich doofes Spielzeug sei. Dann melden sich welche, die den erzieherischen Wert beweisen möchten. Genau das passiert nun mit den Fidget Spinners. "Wer schon mal bei einem Kugelschreiber geklickt oder eine Büroklammer aufgebogen hat, der hat ein Fidget-Gerät benutzt", sagt Katherine Isbister, Professorin für Designinformatik an der University of California: "Solche Geräte gab es schon immer und wird es noch lange geben."

Was der Erfolg der Fidget Spinners über den Zustand der Welt aussagt? Nichts! An all jene, die den Handkreisel als Vorboten für das Ende des Abendlandes halten: Natürlich ist das Ding herrlich sinnlos, doch das ist der Grund für den Hype - wie es auch der Grund bei den Beanies, dem grünen Schleim und den Tamagotchis war. Gab es nicht irgendwann zwischen Urknall und Gegenwart ein Spiel, bei dem Kinder mit einem Stock einen Reifen angetrieben haben? Gilt das nicht heute, wo über Kinder vor Computern gemotzt wird, als prima? Es gibt noch ein Spiel, das derzeit überaus beliebt ist: Bottle Flip. Das ist der Versuch, eine Flasche so zu werfen, dass sie aufrecht auf dem Boden, dem Tisch oder dem Hausdach aufkommt. Was das bringt? Nichts! Das ist genau der Grund, warum wir spielen.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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