Spesenaffäre bei Volkswagen:Ein letzter Liebesdienst von "Dr. Klaus"

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Jahrelang hatte Klaus Volkert, damaliger VW-Betriebsratschef, eine außereheliche Affäre. Als Spesenbetrug und Lustreisen bei Volkswagen publik wurden, war auch Volkerts Geliebte plötzlich Teil der Ermittlungen. Nun hat er die Brasilianerin vor Gericht entlastet.

Kristina Läsker

Wie begegnet ein Mann einer Frau, die sieben Jahre seine Geliebte war und die er dann kurzerhand abserviert hat? Wie verhält sich einer, wenn er diese Gefährtin aus Brasilien in einem nüchternen deutschen Amtsgerichtssaal wiedersieht? Wie wird er die Frau ansehen, die, gut 20 Jahre jünger als er, jetzt auf der Anklagebank sitzt und extra von Sao Paulo nach Wolfsburg gereist ist, um in einem Gerichtsverfahren ihre Würde zurückzuerobern?

Adriana Barros war jahrelang die Geliebte von Klaus Volkert, dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden von VW. (Foto: dapd)

Klaus Volkert braucht sechzig Minuten, um seiner ehemaligen Geliebten Adriana Barros ins Gesicht zu sehen.

Eine Stunde lang hatte der 69-Jährige, grauer Anzug, Ehering am Finger, bereits als Zeuge ausgesagt und an der Angeklagten vorbeigeschaut. Während sie ihn unvermindert anblickte. Er wurde befragt zu den Reisen als früherer Betriebsratschef von VW gemeinsam mit seiner Freundin. Zu Reisen voller Luxushotels, Theaterbesuche, Sterne-Restaurants. Dann wird Volkert gefragt, ob er eigentlich selbst auf die Idee gekommen sei, seiner Gespielin Schmuck zu schenken.

Oder ob der damalige VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer sich das ausgedacht habe, wie so vieles. Wie die roten Rosen auf dem Zimmer und der Champagner. Volkert lacht, hebt die heiser klingende Stimme und schaut der Angeklagten erstmals ins Gesicht. "Wenn ich Frau Barros mal einen Ring geschenkt habe, habe ich den selbst bezahlt. Den musste keiner besorgen."

Genau um diese Dinge geht es. Wer in der Affäre um Spesenbetrug und Sex-Reisen bei der Volkswagen AG gezahlt hat - und wer davon gewusst hat. Es ist eine Affäre, die Europas größten Autokonzern 2005 in große Turbulenzen brachte.

Der Fall Barros war eigentlich abgeschlossen. Im Juli 2008 hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig einen Strafbefehl gegen sie in Abwesenheit verhängt, über ein Jahr Gefängnis auf Bewährung. Der Vorwurf: Barros soll Beihilfe zur Untreue in 26 Fällen begangen haben. Die Ermittler glauben, dass Volkert der früheren Flamme mehrere Hunderttausend Euro zugeschanzt hat. Gut 100.000 Euro für Privatreisen und etwa 250.000 Euro durch Scheinverträge. Die Journalistin soll das Geld auch für wertlose Film-Videos erhalten haben - und billigend in Kauf genommen haben, dass Volkswagen dafür aufkam.

Doch Barros weist alles von sich. "Ich habe geglaubt, dass Dr. Klaus meine Reisen bezahlt hat", hatte sie zu Prozessbeginn Ende März ausgesagt. Sie sagt "Dr. Klaus", und er sagt "Frau Barros". Steife Titel für zwei, die sich häufig ein Hotelbett teilten. In Paris, Dubrovnik, Casablanca und anderswo. Während in Wolfsburg die Ehefrau wartete.

Und doch wirkt alles an diesem Tag wie ein letzter Liebesdienst des Klaus Volkert. Eines gelernten Schmieds, der es als Arbeiterführer nach ganz oben schaffte und abstürzte. Der wegen Untreue gegenüber Volkswagen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Als einziger von 14 Beschuldigten musste er hinter Gitter. Anders als Klaus-Joachim Gebauer oder der damalige Personalchef Peter Hartz. Er sei im Knast gealtert, sagt Volkert. "22 Monate haben ihr Übriges getan."

Heute lebt er in Wolfsburg, zurückgezogen mit seiner Frau, wie es heißt. Ohne Kontakt zu Barros. Und doch hilft er ihr jetzt. Er persönlich habe sie mit TV-Aufnahmen über "soziale und humanitäre Projekte" von Volkswagen beauftragt, sagt Volkert aus. Die Geliebte habe "natürlich nicht" gewusst, dass er solche Aufträge nicht hätte erteilen dürfen als Konzernbetriebsrat. Er habe das Ganze mit Arbeitsdirektor Hartz verhandelt. "Es war ein Scheinvertrag zwischen Hartz und mir, von dem Frau Barros nichts wusste." Alle drei Monate hatte die Fernsehjournalistin damals 23.008 Euro erhalten. Für Filme über Volkswagen, wie sie sagt. Außerdem durfte sie mit Volkert um die Welt jetten, wenn dieser Autofabriken besuchte oder Kongresse.

Prostituierte, Lustreisen, Luxus: Es war ein gut geschmiertes System, mit dem Betriebsräte auf Spur gehalten wurden. Nun zeigt Volkert, dass auch Liebe im Spiel war. Seine Aussagen entlasten die damalige Gefährtin - und er beeindruckt auch den Vorsitzenden Richter Holger Kuhlmann. Nach jetzigem Stand sei es wahrscheinlich, dass der Angeklagten die Beihilfe zur Untreue nicht gänzlich nachzuweisen sei, sagt der Richter am späten Nachmittag. Für Adriana Barros könnte sich die Reise nach Wolfsburg gelohnt haben - für ihre Würde.

© SZ vom 25.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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