Spanien: Inditex:Der Modezar dankt ab

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Der reichste Spanier mag nicht mehr: Amancio Ortegas Unternehmensgruppe Inditex ist mit der Marke Zara groß geworden. Nun zieht sich der Gründer mit 75 Jahren in den Ruhestand zurück.

Sebastian Schoepp

Der Brief beginnt mit netten Worten: "Geschätzter Mitarbeiter, lieber Freund." Die Angestellten des spanischen Modekonzerns Inditex haben dieser Tage ein Schreiben mit dieser Anrede erhalten, in dem sich Firmengründer Amancio Ortega von ihnen verabschiedet. Mit 75 Jahren zieht sich Spaniens erfolgreichster Unternehmer aufs Altenteil zurück. Er übergibt seinem bisherigen Vize Pablo Isla die Führung eines Unternehmens, das in Spanien als Ausweis nationaler Leistungsfähigkeit gilt und 100.000 Leute beschäftigt. Mitten in der Krise, zwischen Februar und Oktober 2010, konnte Inditex den Umsatz um 14 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro steigern, wie die Madrider Zeitung El País meldet. Der Gewinn kletterte um 42 Prozent auf 1,2 Milliarden. Ortega ist laut Forbes der neuntreichste Mann der Welt.

Der Multimilliardär Amancio Ortega und seine Tochter Marta sind nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Dieses Foto entstand 2003 im Reitsportzentrum von Coruña. (Foto: action press)

Inditex? Die wenigsten Kunden können mit dem spröden Namen etwas anfangen. Der Konzern ist weltweit eher bekannt über seine Marken Zara, Pull & Bear, Massimo Dutti, Bershka, Stradivarius und Oysho. Sie bedienen unterschiedliche Käufergruppen, funktionieren aber nach demselben Konzept: Die Kollektion wird alle paar Tage erneuert und vermittelt stets den Eindruck, auf der Höhe der Zeit zu sein. Auf Trends wird sofort reagiert. Eine Frau, die bei Zara einkauft, muss kaum fürchten, wenige Tage später auf einer Party einer anderen in demselben Kleid zu begegnen. Allerdings sind Inditex-Klamotten auch nicht sehr auf Haltbarkeit genäht. Auf Werbung wird komplett verzichtet. Das Geld gibt man lieber für Geschäfte in den besten Lagen aus. "Unser Aushängeschild sind unsere Schaufenster", sagte ein Inditex-Manager in einem Interview.

Die Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsarbeit deckt sich mit Amancio Ortegas Lebensstil. Fotos von ihm sind eine Rarität. Klatschreporter arbeiten sich erfolglos an dem reichsten Spanier ab. Er tritt nicht einmal bei Aktionärsversammlungen auf, dabei gehören ihm noch fast 60 Prozent der Anteile. Der Job in seiner Pressestelle gehört zu den langweiligsten auf der iberischen Halbinsel, dort wird grundsätzlich weder dementiert noch bestätigt. Was man über Inditex weiß, sickert über Lokalreporter durch, denen eine Nachricht zufliegt, etwa auf dem Fußballplatz. Der einzige öffentliche Ort, an dem man Ortega antreffen kann, ist die Tribüne seines Lieblingsvereins Deportivo A Coruña. Von der Provinzstadt in Spaniens regnerischer Nordwestregion Galicien aus wird das Imperium mit 5000 Läden in 77 Ländern verwaltet wie ein Familienbetrieb.

In Coruña begann der Eisenbahnersohn Ortega vor 45 Jahren mit einem Geschäft für bestickte Morgenmäntel, wie sie ältere Spanierinnen gerne den ganzen Tag lang zuhause tragen. Nicht gerade ein Produkt mit Sex-Appeal. Die Inspiration für ein jugendlicheres Sortiment soll Ortega von seinen Töchtern erhalten haben. Er nutzte die Nachfrage nach Mode im italienischen Stil, die in Spanien nach den grauen Franco-Jahren einsetzte. Der Aufbau begann behutsam. Noch beim Börsengang 2001 waren Zara und Co. Geheimtipps, mit deren Produkten modebewusste Spanienurlauber zuhause punkten konnten. 2002 war Inditex an der Börse Milliarden Euro wert, heute sind es laut El País 35 Milliarden. Sein Geld investiert Ortega in spanische Global Player, die ihm keine Konkurrenz machen: NH Hotels, Iberdrola, die Bank BBVA, oder in Immobilien. Er nutzte auch die günstigen Preise infolge der Krise, um Bauten an Barcelonas Prachtstraße Paseo de Gracia zu kaufen. Die Forbes-Liste 2010 schreibt Ortega ein Vermögen von 25 Milliarden Dollar zu.

Ortega verzichtete auf das modische Franchise-System, alle Läden werden straff geführt. Mit dieser konservativen Strategie setzt Inditex an, die schwedischen Konkurrenten von H&M zu überrunden. Es ist das drittgrößte börsennotierte Unternehmen Spaniens nach Telefónica und dem Bankkonzern Santander. Erfolgreich verlief jüngst die Expansion nach Asien, die Ortega-Nachfolger Pablo Isla in dem behutsamen Stil managte, den Ortega schätzt. Das Interregnum des 47-Jährigen dürfte freilich kurz sein. Ortega setzt auf Familientradition, baldmöglichst soll seine jüngste Tochter Marta aufrücken. Mit 26 Jahren ist sie nach Meinung des Patriarchen aber noch zu jung für den Job als Chefin. Marta musste von der Pike auf lernen und erst in Filialen jobben, bevor sie in die Firmenspitze eintreten durfte. Auch von ihr gibt es kaum Fotos.

Ortega, der Kommunikator

Mitarbeiter berichten von einem familiären Führungsstil. Amancio Ortega aß zu Mittag mit seinen Leuten, hielt sie über Entscheidungen auf dem Laufenden. Er fährt seinen Wagen selbst und trägt keine Krawatten. Selbst die Gewerkschaften haben El País zufolge wenig an Inditex auszusetzen. Im Ausland allerdings gab es Ärger. 2001 kaufte sich die niederländische Menschenrechtsorganisation Clean Clothes Campaign über Aktien bei Inditex ein und publizierte eine Studie über die Arbeitsbedingungen in marokkanischen Fabriken, in denen Näherinnen schlecht bezahlt und misshandelt würden. Inditex kündigte daraufhin die Verträge mit 200 Zulieferern. 2003 berichtete der britische Independent, Mexikos Zoll habe Inditex beschuldigt, in Asien gefertigte Ware umzuetikettieren, um den Eindruck zu erwecken, sie komme aus Spanien. Das Unternehmen hat solche Vorwürfe zurückgewiesen.

Amancio Ortega ist um seinen sauberen Ruf besorgt. Er unterhält eine Stiftung, die die Ausbildung junger Menschen in Hochtechnologie fördert. Nach der Havarie des Tankers Prestige vor Galiciens Küsten 2002 spendete er sechs Millionen Euro an die Leidtragenden der Ölkatastrophe. Ökologie spielte kürzlich auch eine Rolle bei der Eröffnung von Zara-Laden Nummer 5000 im Palazzo Bocconi an Roms Via del Corso. Beim Umbau wurde auf umweltverträgliche Materialien geachtet, die Architektur soll ein Muster an Nachhaltigkeit sein. Kohlendioxid-Ausstoß, Licht und Heizung regeln Sensoren, Brauchwasser wird aufbereitet. Pablo Isla sagte zur Eröffnung: "Der Umweltschutz ist der Schlüssel der neuen globalen Verkaufsstrategie von Inditex."

© SZ vom 12.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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