Siemens-AUB-Prozess:Entspannte Angeklagte

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Im Siemens-AUB-Prozess fällt am Montag ein Urteil, doch eine Revision beim BGH gilt als sicher.

Uwe Ritzer

Nach zwei Monaten Prozess, am Ende des vorletzten Verhandlungstages, nahmen die beiden bislang streng getrennten Angeklagten erstmals direkten Kontakt auf. Der Sitzungssaal im Nürnberger Landgericht hatte sich bereits geleert, als Johannes Feldmayer auf Wilhelm Schelsky zuging, ihm herzlich die Hand schüttelte und den Oberarm tätschelte.

Wirkt gelöst: Johannes Feldmayer (Foto: Foto: AP)

Beide wirkten gelöst. Es schien fast, als würden sie scherzen. Ganz so, als hätte die 3. Strafkammer den früheren Siemens-Zentralvorstand Feldmayer und den Ex-AUB-Vorsitzenden Schelsky gerade von allen Vorwürfen der Untreue, des Betruges und der Steuerhinterziehung freigesprochen. Dabei waren es am Mittwoch lediglich beider Verteidiger, die in ihren Plädoyers Freiheit für ihre Mandanten forderten.

"Volle Kenntnis des Sachverhaltes"

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer hat sich Feldmayer, den die Anklage dreieinhalb Jahre hinter Gitter bringen will, keiner Straftat schuldig gemacht. Dass er am 22. Januar 2001 jenen Vertrag unterschrieb, der Schelsky heimlich 30,3 Millionen Euro für den Aufbau der AUB zur arbeitgeberfreundlichen Betriebsräteorganisation einbrachte, bestreitet keiner. Reymann-Brauer argumentierte jedoch, sein Mandant sei nur das letzte ausführende Organ gewesen.

Eingefädelt hätten das anrüchige Geschäft andere Manager vor ihm. "Seit Anfang der neunziger Jahre wurden in erheblichem Umfang Zahlungen von Siemens an Schelsky geleistet", sagte Reymann-Brauer. Viele bis hinauf zu den Finanzvorständen Karl-Heinz Baumann und Heinz-Joachim Neubürger hätten "volle Kenntnis des Sachverhaltes" gehabt, sagte Reymann-Brauer und forderte Freispruch für Feldmayer.

Wilhelm Schelsky, für den die Anklage sechs Jahre Gefängnis fordert, muss wohl in jedem Fall mit einer Freiheitsstrafe rechnen. Er gestand private Steuerhinterziehung in einer Größenordnung von etwa einer Million Euro.

Sein Verteidiger Jürgen Lubojanski, der durch das spektakuläre Verfahren bundesweit Profil gewonnen hat, plädierte für maximal anderthalb Jahre Freiheitsstrafe. Rechnet man die 19-monatige Untersuchungshaft an, würde Schelsky in diesem Fall das Gericht als freier Mann verlassen.

Auch für Anwalt Lubojanski steht nach dem Prozess fest, dass die frühere Siemens-Spitze bis zu den Aufsichtsratschefs Karl-Heinz Baumann und Hermann Franz das Siemens-Schelsky-AUB-Konstrukt aktiv gefördert hat.

Weil auch Finanz-, Personal- und Rechtsexperten des Konzerns es immer wieder geprüft hätten, habe sein Mandant davon ausgehen können, dass alles korrekt sei, sagte Lubojanski. Schelsky habe für das Geld genau die Gegenleistung erbracht, die Siemens erwartet habe.

Wie immer das Urteil am Montag auch ausfallen wird - es wird in dieser Causa wohl nicht das endgültige sein. Juristen sprechen dem Verfahren Präzedenzcharakter zu; einen vergleichbaren Fall von Förderung einer Arbeitnehmerorganisation durch ein Unternehmen habe es noch nie gegeben. Sie erwarten daher, dass gegen das Urteil in jedem Fall Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt wird. Dieser müsste dann genaue strafrechtliche Grenzen ziehen.

© SZ vom 20.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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