Senioren und Immobilien:Am besten in Eigenregie verkaufen

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Haus mit Garten: Für viele ein Traum. Doch jeder vierte Eigentümer über 69 Jahre kämpft mit Verschuldung. (Foto: imago/McPHOTO)

Experten warnen ältere Eigenheim-Besitzer vor Leibrenten oder Umkehrhypotheken. Banken und andere Anbieter lassen sich Risiken teuer bezahlen.

Von Berrit Gräber

Hunderttausende Senioren in Deutschland sind in der Zwickmühle: Sie wohnen zwar in der eigenen Immobilie, sind aber knapp bei Kasse. Trotzdem kommen Verkauf und Umzug für sie nicht infrage. Jeder vierte Eigentümer über 69 Jahre hat sein Häuschen oder die Eigentumswohnung noch nicht einmal ganz abbezahlt und kämpft mit Verschuldung, wie das Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln jetzt im Auftrag der Deutschen Leibrenten AG herausfand.

Auswege aus der Misere versprechen Modelle zur Immobilienverrentung. Senioren sollen damit den Spagat schaffen, die eigenen vier Wände zu Geld machen, die Altersrente aufbessern und weiterhin daheim wohnen bleiben. Das Ausland macht es schon lange vor. Nach ersten erfolglosen Anläufen einiger Banken und Privatanbieter stehen jetzt auch deutschen Senioren mehrere Optionen offen: Mal heißen sie Leibrente, mal Umkehrhypothek oder Zustifter- respektive Hausstifter-Rente. "Die Konzepte sind unterschiedlich, sprechen aber immer Menschen an, die den Lebensabend unbedingt zu Hause verbringen wollen", sagt Markus Feck, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Wenn Rentner sich geschickt eine neue Immobilie zulegen, könnten sie sich ein nettes Leben machen

Das Thema liege im Trend, sagt Merten Larisch, Altersvorsorgespezialist der Verbraucherzentrale Bayern. Interessenten sollten jedoch auf der Hut sein. Angebote gehörten penibel durchgerechnet, verglichen und möglichst von unabhängiger Seite wie einer Verbraucherzentrale geprüft. Eine Verrentung ist oft teuer erkauft und nicht für alle Ruheständler ratsam. Vergleichsweise einfach mutet das Prinzip der Leibrente an: Die Senioren verkaufen ihr Wohneigentum und bekommen im Gegenzug Monat für Monat eine Rentenzahlung aufs Konto. Außerdem ein meist lebenslanges Wohnrecht, das ebenfalls notariell abgesichert und im Grundbuch verankert wird. Wie viel Geld fließt, hängt vom Wert der Immobilie und dem Alter der Verkäufer ab. Das Zinsrisiko ist ebenfalls eingepreist.

Nach einem Rechenbeispiel der Deutschen Leibrenten AG kann ein Ehepaar (beide 75 Jahre alt) etwa mit einer lebenslangen, monatlichen Rentenzahlung von 650 Euro rechnen, sollte ihr Haus auf etwa 250 000 Euro geschätzt werden. Die Senioren bekommen so zwar Geld herein, wohnen aber nicht kostenfrei, gibt Feck zu bedenken. Für die Nebenkosten der Immobilie müssen sie trotzdem weiter aufkommen, je nach Kaufvertrag auch manchmal für Instandhaltung und Sanierung.

"Die Verrentung hat immer ihren Preis und auch Haken", warnt Larisch. Denn: Die Risiken, die der Finanzierer bei dem Geschäft mit dem Ruheständler eingeht, lässt er sich gut bezahlen. Das geht schon los mit dem Gutachter, der die Immobilie im Auftrag des Rentengebers taxiert. "Er wird nicht den aktuellen Marktwert ansetzen, sondern deutlich weniger", so die Erfahrungen Larischs. Weitere Puffer sind für den Fall eingebaut, dass Kunden deutlich älter werden als erwartet. Oder dass sich die Immobilie nach deren Tod nicht so gut verwerten lässt wie geplant.

Ein anderes Verrentungsmodell ist die sogenannte Umkehrhypothek. Sie wird vor allem von Banken angeboten. Die Grundidee: Wer seine eigenen vier Wände beleiht, bekommt eine monatliche Rentenzahlung, wiederum abhängig von Lebensalter, Immobilienwert und Zinssatz. Auch Einmalzahlungen sind möglich oder ein Mix aus beidem. In jedem Fall kann der Ruheständler weiter in seinem Zuhause bleiben. Der Unterschied zur Leibrente: Er bleibt Eigentümer. Als Sicherheit dient eine verbriefte Grundschuld. Zinsen und Tilgung werden gestundet. Aber: Die Schuldenlast baut sich im Gegensatz zum normalen Baukredit Jahr für Jahr auf - deshalb Umkehrhypothek. Die Rückzahlung wird erst nach dem Tod oder bei Umzug ins Alters- oder Pflegeheim fällig. Dann geht die Immobilie in den Besitz des Käufers, also der Bank, über. Sie wird verkauft und das Darlehen getilgt.

"Die Umkehrhypothek ist oft noch unübersichtlicher als die Leibrente", betont Larisch. Das Produkt sei teuer und kompliziert, sagt auch Jörg Sahr, Immobilienexperte von der Stiftung Warentest in Berlin. Auch hier bekommt der Ruheständler einen deutlich niedrigeren Gegenwert, als sich aus dem Verkehrswert der Immobilie und seiner Lebenserwartung ergeben würde. Was nach Abzug vieler Kosten herauskommt, ist häufig nur ein Plus zur Altersrente von 100 oder 200 Euro im Monat. Die Umkehrhypothek ist nach Ansicht von Verbraucherschützern höchstens eine Option für kinderlose Hausbesitzer in Geldnot, die ihre schuldenfreie Immobilie in guter Lage auf keinen Fall aufgeben wollen.

Einen anderen Weg nach amerikanischem Vorbild beschreiten die Hausstifter-Rente der Caritas oder die Zustifter-Rente der Stiftung Liebenau. Hier vermachen Rentner ihre Immobilie schon zu Lebzeiten den gemeinnützigen Organisationen. Dafür bekommen sie ein lebenslanges Wohnrecht und eine Rente, die zusammen mit den ersparten Instandhaltungskosten bestenfalls höher ausfallen kann als bei einer Umkehrhypothek.

Verbraucherschützer raten, immer mehrere Angebote einzuholen. Larisch warnt vor Leistungsunterschieden von bis zu 40 Prozent. Die bessere Alternative: Das Haus in Eigenregie zum bestmöglichen Marktpreis verkaufen, sich eine neue, kleinere Immobilie zulegen oder mieten und den Resterlös sparen. "Damit kommt ein Rentner in den Besitz seines eigentlichen Vermögens und kann sich oft ein richtig gutes Leben davon machen", sagt Larisch.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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