Selbstfahrende Autos:Schweben durch Wuppertal

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Auf der Landstraße 418 entsteht vor der deutschen Haustür des amerikanischen Zulieferers Delphi eine neuartige Teststrecke für selbstfahrende Autos: mit Kreisverkehr, Ampeln und Überwegen für Fußgänger.

Das Auto der Zukunft rollt im nächsten Jahr durch Wuppertal. In der Industriestadt gibt es dann eine Teststrecke für selbstfahrende Fahrzeuge. Der 17 Kilometer lange Parcours auf der Landstraße 418 bietet viele Verkehrssituationen: Schnellstraße, Kreisverkehr, Ampeln und Fußgängerwege.

So kann der in Deutschland in Wuppertal ansässige US-Autozulieferer Delphi das automatisierte Fahren vor seiner Haustür weiterentwickeln. Die L 418 wird eine neuartige Teststrecke in Deutschland - bisher wurden einige Autobahn-Abschnitte für autonomes Fahren freigegeben.

Die mit Technik vollgestopften Autos seien keine Geisterfahrzeuge, betont ein Delphi-Sprecher: "Es geht um Fahrzeuge, wo weiterhin ein ausgebildeter Ingenieur, der speziell geschult ist, am Steuer sitzt." Dieser Fachmann ist eine Art Fahrlehrer für das selbstfahrende Auto: Er kontrolliert und greift ein, wenn der Wagen von alleine nicht fährt, wie er soll. Bislang fehlt dem Autozulieferer Delphi, mit immerhin 700 Arbeitsplätzen am Ort, eine Probestrecke, wo die Technik vorgeführt und erprobt werden kann. Kunden müssen dafür in die Vereinigten Staaten fliegen.

International sind bisher vor allem die USA das Testfeld für selbstfahrende Fahrzeuge. Für Google etwa ist seit über fünf Jahren eine Flotte Roboter-Wagen durch Kalifornien und Nevada unterwegs. Seit einigen Wochen fahren vom Internet-Konzern entwickelte kleine Zweisitzer durch dessen Heimatstadt Mountain View. Auch Audi und Mercedes schickten ihre selbstfahrenden Fahrzeuge auf US-Straßen. Die deutschen Autohersteller wollen Google keinen Vorsprung lassen.

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Delphi ließ in den USA vor einigen Monaten einen Wagen autonom das Land durchqueren. Jetzt geht es darum, die Technik unter Alltagsbedingungen in Deutschland zu erproben. Denn hier unterscheidet sich viel von den geräumigen Verhältnissen in den USA: Die Straßen sind nicht so breit, die Kreuzungen sehen anders aus, der Verkehr ist dichter, zum Teil wird aggressiver gefahren. "Wie verhält sich das System?", ist die spannende Frage.

Und wie die anderen Autofahrer? Bei Google gab es in all den Jahren rund ein Dutzend Auffahrunfälle: An keinem sei das Roboter-Auto schuld gewesen, heißt es. Meist seien Menschen auf den umsichtig bremsenden Google-Wagen von hinten aufgefahren, etwa auf Kreuzungen.

In den Testwagen, die vollgestopft sind mit Kameras, Sensoren und Radargeräten, kommt innerhalb kürzester Zeit eine riesige Menge von Daten zusammen. Daraus müssen im Bruchteil von Sekunden Entscheidungen entstehen: ob das Auto gebremst wird, oder ob es ausweichen soll. In der Branche wird damit gerechnet, dass selbstfahrende Fahrzeuge zum Jahr 2020 regulär auf die Straße kommen. Dafür müssen aber neben technischen Verbesserungen vor allem rechtliche Fragen wie Haftung bei Unfällen oder Versicherungsregeln geklärt werden. Für die Polizei jedenfalls ist die Sache klar: Der verantwortliche Fahrzeugführer ist der Ingenieur. Ob er die Hände am Lenkrad hat, oder nicht.

Das selbstfahrende Auto beschäftigt nicht nur die traditionellen Fahrzeughersteller sondern auch Internet-Konzerne wie Apple und Google. Volvo-Chef Håkan Samuelsson ist vor Apple und Google als neuen Konkurrenten für Autohersteller auf der Hut. "Ich glaube, man sollte das nicht unterschätzen", sagt er. In der Industrie ist umstritten, ob Google und Apple den Autoherstellern ernsthaft Konkurrenz machen wollen, oder eher ins Geschäft mit Daten um Auto und Fahrer drängen. Volvo hat vom elektrischen C30, dem bislang einzigen vollelektrischen Modell, wurden bislang nur 250 Stück gebaut. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir heute vielleicht ein bisschen offener für ein ganz elektrisches Fahrzeug sind", sagt der Volvo-Chef.

Es hänge stark von der Entwicklung der Batterie-Technologie ab. "Ich glaube, man braucht eine Reichweite von 400 oder 500 Kilometer, um eine richtige Alternative zu haben", sagt Samuelsson. Außerdem müssten Ladezeiten verkürzt werden: "Man kann keine Kaffeepause von fünf, sechs Stunden akzeptieren. Das muss deutlich schneller gehen."

© SZ vom 24.08.2015 / SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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