Schweizer Franken:Schock lass nach

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Die Aufgabe der Kursbindung an den Euro hat wider Erwarten wenig Wirkung gezeigt. Was Investoren ärgert, freut viele Unternehmen im Nachbarland.

Von Charlotte Theile, Zürich

In den vergangenen zwei Jahren gab es für die schweizerische Wirtschaft nur ein Thema: die starke Währung. Kein Unternehmen vergaß, in seiner Jahresbilanz auf die erschwerten Bedingungen hinzuweisen, unter denen man derzeit wirtschaften müsse, keine Tourismus-Veranstaltung kam ohne die Klage über die hohen inländischen Stundenlöhne aus. Das Argument war immer das gleiche: So lange der Schweizer Franken im Vergleich zum Euro derart stark sei, sei es für Schweizer Firmen fast unmöglich, im Wettbewerb mit dem Ausland zu bestehen.

Nun, zweieinhalb Jahre nachdem die Schweizer Nationalbank (SNB) den zuvor auf 1,20 Franken festgezurrten Referenzkurs zum Euro freigegeben hat, scheint die Aufregung plötzlich vorbei zu sein: Ein Euro ist derzeit etwa 1,14 Franken wert. In den letzten Tagen lieferte die europäische Währung der kleinen Nachbarwährung eine bemerkenswerte Rally, machte etwa vier Cent gut. Die Nationalbank dürfte es freuen, die Exportindustrie ebenso. Die in Zürich erscheinende Handelszeitung rechnet schon vor: Wenn man Inflation und die Bewegungen in anderen Wirtschaftsräumen mit einrechne, bleibe vom großen Frankenschock von 2015 so gut wie gar nichts mehr übrig.

Damals verteuerte sich die Währung binnen Minuten um gut 20 Prozent. Analysten sehen in der Aufwertung des Euro gegenüber dem Franken vor allem eine Stärkung des Finanzplatzes Europa. Die Unsicherheiten in der Eurozone hätten abgenommen, das europafreundliche Votum der Franzosen, die im Mai den erklärten Europäer Emmanuel Macron wählten, habe dazu ebenso beigetragen wie die gute Konjunktur in Deutschland. Der Schweizer Franken, der vor allem als sicherer Hafen in Krisenzeiten beliebt ist, schien damit auf einmal weniger wichtig - und SNB-Präsident Thomas Jordan, der seit zwei Jahren nicht müde wird zu betonen, der Franken sei überbewertet, wurde plötzlich Gehör geschenkt. Investoren mit großen Frankenpositionen sei es in den letzten Tagen "zunehmend unwohl geworden", heißt es aus der Schweizer Großbank UBS.

Für Schweizer Verbraucher ist ein starker Franken ein Geschenk

Am Montag hat die Schweizer Nationalbank die Ergebnisse ihres zweiten Quartals veröffentlicht. Sie weist darin einen Gewinn von 1,2 Milliarden Franken (etwa 0,9 Milliarden Euro) aus. Hintergrund dieses Gewinns sind unter anderem Negativzinsen und der hohe Goldpreis. Auch die Frankenpositionen der Bank warfen Gewinn ab. Im Fremdwährungsgeschäft fuhr die Nationalbank einen gewaltigen Verlust ein: 11,8 Milliarden Franken. Die Bank hält nicht nur Positionen in Euro, sondern auch in US-Dollar - und der Dollar hat zuletzt verloren. Seit etwa zehn Jahren operiert die Schweizer Nationalbank in einer Art permanentem Ausnahmezustand. Mit 700 Milliarden Franken übersteigt die Bilanz der Bank das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Um den Schweizer Franken zu stabilisieren, hält die SNB große Mengen an Fremdwährungen. Deren Schwankungen führen zu Ergebnissen, wie man sie sonst von Hedgefonds kennt. 2016 machte die Nationalbank 24 Milliarden Franken Gewinn, im Jahr davor waren es 23 Milliarden Verlust.

In der Schweiz finden diese Zahlen immer große Beachtung: Wenn die Nationalbank einen großen Gewinn einfährt, schüttet sie einen Teil des Geldes an Bund und Kantone aus. Eine weitere Besonderheit sind ihre Aktienbestände: Anders als viele andere Nationalbanken hält das Institut Anteile an Unternehmen wie Apple, Microsoft oder VW. Nationalbank-Präsident Thomas Jordan sagte Anfang des Jahres, er sehe darin keine Schwierigkeiten: "Problematisch sind Aktienkäufe im eigenen Währungsgebiet. Da gäbe es Potenzial für politische Einflussnahme und Interessenskonflikte. Im Ausland stellt sich dieses Problem für uns nicht."

In der Schweiz war die Nationalbank in den vergangenen Jahren massiv unter Beschuss geraten. Exportunternehmer und Tourismusfachleute warfen der Bank vor, die nationalen Interessen nicht genügend im Blick zu behalten. Unterdessen aber haben sich viele Unternehmen mit der neuen Situation arrangiert - einige haben Stellen ins Ausland verlagert, andere Mehrarbeit oder massive Sparprogramme durchgesetzt.

Für die Schweizer Konsumenten dagegen war der starke Franken ein unerwartetes Geschenk: Tausende verlagerten ihren Wochenendeinkauf ins nahe gelegene Ausland oder profitierten bei Urlaubsreisen von den im Verhältnis spottbilligen Preisen in der Eurozone. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Schweiz wendet sich daher direkt an die Reisenden: Auch wenn sie sich nun vielleicht ärgerten, sollten sie die Interessen der Exportindustrie bedenken, die die Währungsvorteile deutlich nötiger habe.

Analysten rechnen damit, dass sich der Franken bei einem Kurs von 1,10 einpendeln dürfte. Wer eine spontane Reise in die Schweiz plant, sollte von diesem Kurs ausgehen. Sicher ist jedenfalls: Das Land bleibt eine teure Destination.

© SZ vom 01.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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