Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger:Dunkle Flecken im ehrenwerten Verein

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Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger will Aktionäre vor Unheil bewahren - zur Not mit öffentlichen Attacken auf Konzerne und Bosse. Nun gibt im Prozess um Marktmanipulationen ein früherer Aktionärsschützer Insiderhandel zu. Die Schutzgemeinschaft weist die Verantwortung von sich.

Klaus Ott

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ist nach eigener Darstellung, ein ehrenwerter Verein. Die in München ansässige Organisation will Aktionäre in ganz Deutschland vor Unheil bewahren. Tauchen Hinweise auf zweifelhafte Vorgänge an der Börse oder bei dort notierten Firmen auf, kann die SdK ganz schnell ungemütlich werden. Mit öffentlichen Attacken auf Konzerne und deren Vorstände; mit Anträgen auf Disziplinarverfahren gegen Wirtschaftsprüfer; mit Vorwürfen bei Hauptversammlungen; oder mit Milliarden-Forderungen an den Staat, um die Commerzbank vor Unheil zu bewahren. Hauptsache, die Anleger verlieren kein Geld.

Wollte auch als Aufsichtsrat beim Fußballclub 1860 München für korrekte Zahlen sorgen: Christoph Öfele (r.) mit Verteidiger Klaus Leipold. (Foto: dpa)

Insofern ist es nur folgerichtig, dass die Schutzorganisation auch die Prozesse wegen Börsenbetrug und Insiderhandel begrüßt, die derzeit in München laufen. Und dafür eintritt, Missetaten zu ahnden, sofern denn welche vorliegen. Der Ruf der selbst ernannten Aktionärs-Beschützer nach der Justiz wäre freilich überzeugender, wenn derzeit oder alsbald nicht ausgerechnet frühere SdK-Leute vor Gericht stünden. Zum Beispiel Christoph Öfele, der seit langem mit Aktien zockt und dabei manchmal gewinnt, manchmal verliert. Der Münchner Geschäftsmann gab am Dienstag zu, Mitte des vergangenen Jahrzehnts in gleich 92 Fällen mit den Papieren von Nascacell Insiderhandel getrieben und durch seinen Wissensvorsprung über die Biotech-Firma einen Millionenbetrag eingestrichen zu haben.

Freiheitsstrafe auf Bewährung

Zum Dank für das Geständnis will das Münchner Landgericht kurzen Prozess machen und Öfele noch diese Woche zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilen. Außerdem soll der Geschäftsmann von den 250.000 Euro, die ihm nach seinen Spekulations-Geschäften geblieben sind, 220.000 Euro an den Staat abgeben. Als eine Art Wiedergutmachung für den Schaden, den er an der Börse angerichtet hat. Ein anderer Angeklagter, der Aktienkurse manipuliert hatte, wurde am Dienstag bereits zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Auch er hatte alles gestanden. Dieser Angeklagte hatte in Börsenbriefen Aktien hochjubelt, an denen er selbst verdiente, ohne das den Anlegern offenzulegen.

Als nächster kommt Öfele dran. Er ist in Börsen-Kreisen gut bekannt; schließlich trat er lange als Sprecher der SdK bei Hauptversammlung auf. Darüber hinaus verfasste der Diplom-Volkswirt den Internet-Informationsbrief der Schutzgemeinschaft. Und man kooperierte auch anderweitig in diesem Medium, um vor unseriösen Kapitalanlagen zu warnen. Wie schön. Öfele fühlte sich sogar berufen, in der Fußballbranche für korrekte Zahlen zu sorgen, als Aufsichtsrat beim TSV 1860 München. Das ließ er sein, als das Ermittlungsverfahren gegen ihn lief. Vor Gericht erzählte der umtriebige Geschäftsmann nichts über seine Tätigkeit bei der SdK. Das hatte er aber sehr ausführlich bei einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im April 2011 getan und dort unter anderem auf die Frage geantwortet, ob innerhalb der Schutzgemeinschaft über "Interessenskonflikte" diskutiert worden sei. Wenn sich etwa jemand von der SdK öffentlich zu Unternehmen äußere, mit deren Aktien er auf die eine oder andere Weise handele.

Öfele antwortete, darüber habe man in der SdK schon diskutiert. Aber nicht in der Art und Weise, dass jemand rausfliege, wenn er seine Geschäfte nicht offenlege. Es habe zwei Fraktionen in der Schutzgemeinschaft gegeben. Die Mehrheit habe offenbar keine Interessenskonflikte gesehen. Zu solchen Interna äußert sich die SdK lieber nicht. Die Schutzgemeinschaft beklagt sich vielmehr darüber, dass in der Öffentlichkeit fälschlicherweise von einer "SdK-Affäre" geredet werde. Davon könne aber keine Rede sein, da der Verein in den Gerichtsverfahren "nicht angeklagt ist". Ein irreführender Hinweis, was die Schutzgemeinschaft eigentlich wissen müsste. Angeklagt werden können in Deutschland nur Personen, aber keine Organisationen.

Einer der beiden Hauptangeklagten, die ab nächster Woche vor Gericht stehen, ist der ehemalige SdK-Vorstand Markus Straub. Ihm wird Börsenmanipulation und Insiderhandel vorgeworfen. Er soll an der Börse auf fallende Kurse eines Unternehmens spekuliert haben, vor dem die Schutzgemeinschaft gewarnt hatte. Heute sagt die SdK, man habe zu Recht gewarnt, aber Straub hätte "auf diesen Interessenkonflikt hinweisen sollen".

Man verurteile Straubs Vorgehen, weil hier "mehr Transparenz erforderlich gewesen wäre". Darüber, dass solche Themen in der SdK offenbar nur unzureichend diskutiert worden waren, wie Öfeles Aussage bei der Staatsanwaltschaft nahelegt, verliert die Schutzgemeinschaft in ihrer zu den Prozessen verschickten Pressemitteilung kein Wort. Sie beharrt darauf, nie falsch informiert und keine Anleger geschädigt zu haben, und tut lieber so, als sei sie womöglich selbst geschädigt. Man werde die Prozesse beobachten und je nach Ausgang Ansprüche geltend machen, so die SdK.

Die Verfahren werden bestimmt viel Stoff für das nächste "Schwarzbuch Börse" der Schutzgemeinschaft hergeben.

© SZ vom 18.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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