RWE:Für eine grüne Zukunft

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RWE-Chef Peter Terium will radikal umbauen. Kommunen droht die Entmachtung. Stimmen sie zu?

Von Varinia Bernau und Caspar Busse, München

Es war der 25. April 1898, damals wurde in Essen die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerks-Aktiengesellschaft gegründet. Schon vor 117 Jahren hatte die öffentliche Hand Einfluss auf die Firma: Der damalige Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert gehörte von Anfang an dem Aufsichtsrat an. Im Laufe der Jahrzehnte bauten die Kommunen ihren Einfluss aus, beteiligten sich von 1905 an am Kapital und stellten 1910 erstmals die Mehrheit im Aufsichtsrat. RWE ist kein normales Unternehmen - bis heute.

Noch immer haben die Kommunen bei Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie halten knapp ein Viertel der Aktien des Dax-Konzerns, mehr als die Hälfte davon sind in der RWEB GmbH gebündelt, einer Interessenvereinigung. Im Aufsichtsrat sitzen Ullrich Sierau, Oberbürgermeister von Dortmund, und drei weitere Vertreter der Städte und Kreise. Auf sie kommt es an, wenn am Freitag nächster Woche der Aufsichtsrat über den radikalen Umbau von Konzernchef Peter Terium abstimmt. Der Niederländer will das Geschäft mit Ökostrom, Stromnetzen sowie den Vertrieb in eine Tochtergesellschaft ausgliedern und diese an die Börse bringen.

Abschied von der Vergangenheit: Das RWE-Braunkohlekraftwerk Niederaußem im Rhein-Erft-Kreis. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Kann Terium mit einem Ja rechnen? Bei einer Ablehnung wäre er zumindest schwer beschädigt. Noch halten sich die kommunalen Aktionäre ihre Entscheidung offen. Der Vorschlag des Vorstands sei derzeit nicht grundlegend zu bewerten, teilte die Vereinigung der kommunalen RWE-Aktionäre (VKA) am Mittwoch mit. "Dafür fehlen uns noch maßgebliche Informationen." Eine Strukturreform sei zwar dringend nötig, so der VKA, aber: "Mit einer Zweiteilung lassen sich selbstverständlich nicht alle Probleme lösen."

40 Milliarden Euro Umsatz, 40 000 Mitarbeiter - die neue Firma wäre auf Dax-Niveau

Terium hat also noch Überzeugungsarbeit zu leisten - und hat gleichzeitig ein Interesse daran, den Einfluss der Kommunen auf die neue Gesellschaft zu minimieren. Offenbar ist geplant, die neue Ökostrom-Firma, die auf mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz mit 40 000 Mitarbeitern kommt und noch ohne Namen ist, in der Rechtsform einer europäischen Aktiengesellschaft zu führen. Diese sogenannte NewCo, die ihren Sitz ebenfalls in Essen haben soll und später möglicherweise ein Kandidat für den Dax ist, ist dann in Besitz der RWE AG und - nach dem Börsengang - der neuen Mitinvestoren.

SZ-Grafik, Quelle: Bloomberg (Foto: SZ)

Für Vertreter der Kommunen soll im Aufsichtsrat nach SZ-Informationen kein Platz sein. "Ich werde mir das neue Gesellschaftsmodell mit meinen Kollegen aus den Kommunen genau ansehen. Einem einseitigen Deal zu Lasten der Städte und Gemeinden erteile ich schon jetzt eine Absage", sagt dazu Burkhard Mast-Weisz, Oberbürgermeister von Remscheid. Die Kommunen pochen also auf Mitsprache. Städte und Gemeinden sind gerade in Nordrhein-Westfalen oft ziemlich klamm und deshalb auch auf die RWE-Ausschüttung angewiesen. Das Geld fließt in die Verkehrsgesellschaften, Jugendtreffs, Bibliotheken, Schwimmbäder, Sportstätten und ist schon in den vergangenen Jahren stetig weniger geworden. Im Jahr 2011 lag die Dividende noch bei drei Euro pro Papier, in diesem nur noch bei einem Euro. Manche Kämmerer rechnen damit, dass im nächsten Jahr nur noch 50 Cent pro Papier ausgeschüttet werden. Die einst reiche Industriestadt Essen hält etwa 18 Millionen Aktien an RWE - und musste deren Wert nach den drastischen Kursverlusten bereits mehrfach nach unten korrigieren. Dortmund hält etwa 24 Millionen Aktien und ist unter den kommunalen Aktionären einer der einflussreichsten. Würde die Dividende wirklich halbiert, so hätte die Stadt mit einem Schlag zwölf Millionen Euro weniger zur Verfügung.

Nun soll das zukunftsträchtige und werthaltige Geschäft ausgegliedert und der Einfluss beschnitten werden. Schon bei der vorigen Restrukturierung, als die Organisation deutlich schlanker gemacht und die Zahl der Untergesellschaften reduziert wurde, war der Widerstand da. Auch über den neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats wurde immer wieder gestritten. Chefaufseher Manfred Schneider will das Amt altersbedingt niederlegen.

Die Arbeitnehmer, bei RWE ebenfalls traditionell mit großem Einfluss, hat Terium dagegen schon eher auf seiner Seite. Der Umbau sei notwendig, die Arbeitsplätze müssten aber dauerhaft gesichert werden, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Andreas Scheidt. Mit der Neuaufstellung könnte RWE die Energiewende aktiv mitgestalten. Für die Zustimmung der Gewerkschaft sei es aber notwendig, dass die Mitbestimmungsrechte und die Tarifbindung gewahrt blieben. Einen zusätzlichen Jobabbau dürfe es nicht geben. Die Arbeitnehmerseite hat zehn der 20 Aufsichtsratsmandate.

Terium ist jedenfalls überzeugt, dass er Ende kommender Woche durchkommt. Auf die Frage, ob er im Fall einer Ablehnung zurücktreten werde, sagte er am Dienstag: "Das ist keine intelligente Frage." Terium ist seit Juli 2012 Vorstandsvorsitzender, sein Vertrag war erst im März vorzeitig bis 2021 verlängert worden.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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