Rüstungsindustrie:Warum Deutschland seine Panzerbauer nicht hofieren darf

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Panzer für Saudi-Arabien: In Deutschland entfachen Rüstungsexporte Diskussionen darüber, ob die Bundesregierung moralisch handelt. (Foto: dpa)

Der Wohlstand Deutschlands hängt nicht von der Rüstungsindustrie ab. Wieso also nationalen Herstellern helfen, die nur durch den Export in Krisengebiete überleben? Ökonomisch - und moralisch - vertretbar wäre stattdessen eine europäische Waffenproduktion.

Von Karl-Heinz Büschemann

Deutschland diskutiert über Moral und Unmoral von Waffenexporten - Horst Seehofer sei Dank. Der bayerische Ministerpräsident hat mal wieder in bester Tradition von CSU-Chefs einen Grundsatzstreit vom Zaun gebrochen. Der Landeschef stört sich daran, dass die Bundesregierung - namentlich SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - zu zögerlich sei bei der Genehmigung von Waffenexporten. Für den Herbst hat Seehofer gleich mal eine große Debatte über die Branche angekündigt, die in Bayern besonders stark vertreten ist. Diese Debatte könnte man sich sparen.

Zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges wäre es stattdessen an der Zeit, dass dieses Land darüber redet, ob es wirklich noch sinnvoll ist, nationale Panzerbauer zu hofieren. Das Land muss über sein verklemmtes Verhältnis zu dieser Industrie nachdenken, das sich darin äußert, dass Exporte deutscher Panzer oder Kanonen regelmäßig zu endlosem Krach bei den Parteien führen.

Eine Bundesrepublik, die zu den drei führenden Waffenexporteuren der Welt gehört, schadet ihrem Ansehen in der Welt. Das Aufsehen, das die Branche regelmäßig erzeugt, steht in keinem Verhältnis zu ihrer Größe. In Deutschland arbeiten rund 200 000 Menschen in der Waffenindustrie - nicht viel im Vergleich zu rund zwölf Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie insgesamt. Die Branche, die vor 25 Jahren noch doppelt so groß war, hat sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dem Unausweichlichen gestellt und mit neuen Geschäften auf sinkende Umsätze reagiert. Selbst eine Kanonenschmiede wie Rheinmetall macht nur noch 20 Prozent des Umsatzes mit Waffen.

Den Grund für den Aufstand des bayerischen Ministerpräsidenten muss man aber nicht lange suchen, er findet sich in derselben Stadt, in der Seehofer regiert. Dort ist mit Krauss-Maffei Wegmann ein namhafter Panzerbauer zu Hause, bei dem es außer Reparaturarbeiten derzeit nicht viel zu tun gibt. Dabei will Saudi-Arabien die stattliche Zahl von 800 Leopard-Panzer für 18 Milliarden Euro bei Krauss-Maffei Wegmann kaufen. Doch der Auftrag wird in Berlin seit Jahren blockiert. Das arabische Königreich gilt in Berlin bei vielen als Land, dem man besser keine Panzer verkaufen sollte. Also muss man, mag Seehofer denken, für Krauss-Maffei Wegmann etwas tun. Besser wäre es, deutsche Politiker entwickelten ein nüchternes Verhältnis zu Panzerbauern, Kanonenlieferanten und Elektronikanbietern.

Dieses paternalistische System hat keine Zukunft

Noch immer tun viele Politiker so, als hinge von dieser Branche das Heil der Republik ab. Das stimmt aber nicht. Zum Wohlstand tragen Maschinenbauer, Chemie- und Autoindustrie viel mehr bei als die Waffenschmieden. Auch für die Förderung neuer Technologien taugt die Waffenbranche nicht. Das können andere Branchen besser.

Und noch immer gibt es die merkwürdig anmutende Sorge, die Kampffähigkeit der Bundeswehr könnte Schaden nehmen, wenn es keine namhaften einheimischen Hersteller mehr gäbe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber warnt deshalb im Gefolge von Seehofer schon mal vor der Gefahr, die Bundeswehr werde "abhängig von Rüstungsimporten aus Russland und den USA".

Wer diese Abhängigkeit vermeiden will, kann die Industrie aber nur am Leben erhalten, indem man ihr Exporte genehmigt. Doch der Preis für diese Praxis ist zu hoch. Dieses paternalistische System, einer Industrie aus politischen Gründen auch mal dubiose Exportgenehmigungen zuzuschanzen, hat keine Zukunft. Es hat sich verschlissen, weil die Prinzipien der Rüstungsexportpolitik, die im Kriegswaffenkontrollgesetz und im Außenwirtschaftsgesetz geregelt sind, undurchsichtig blieben. Deshalb gibt es bei fast jedem Panzerauftrag aus dem Ausland quälenden Streit darüber, ob das Geschäft moralisch zu vertreten sei.

Die richtige Option kann nur eine bessere Arbeitsteilung in Europa sein. Es ist ökonomischer Unfug, wenn in Deutschland ein ähnlicher Panzertyp gebaut wird wie in Frankreich und am Ende beide Hersteller in Not geraten. Die Frage, wie eine Armee ausgerüstet werden kann, darf nicht mehr national beantwortet werden. Andernfalls bleibt es bei den Überkapazitäten und dem massiven Druck auf die Politik, immer neue Exporte in Krisengebiete zu erlauben. Dabei geht es doch auch anders: Schon heute gibt es in Europa funktionierende Flugzeug- oder Raketenbauer, die Grenzen überwunden haben.

Wenn Politiker aber partout meinen, es sei mitten in Europa noch immer nötig, eine nationale Waffenproduktion zu betreiben, dann müssen sie offen sagen, wie sie diese Verschwendung bezahlen und was sie stattdessen einsparen wollen.

© SZ vom 30.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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