Rosenthal: Insolvenz:Die Politiker und das Porzellan

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Im Wahljahr 2009 möchten offenbar viele Politiker gerne Retter des angeschlagenen Herstellers Rosenthal werden - doch für die Gesundung des Unternehmens reicht das nicht.

U. Ritzer

Fast scheint es, als hätten bayerische Politiker in diesen Tagen eine neue Pilgerstätte für sich entdeckt. Seit die traditionsreiche Porzellanmanufaktur Rosenthal AG vor knapp zwei Wochen Insolvenz anmeldete, geben sich die Abgeordneten am Firmensitz im oberfränkischen Selb sprichwörtlich die Klinke in die Hand.

Rosenthal vor unsicherer Zukunft: Der Finanzbedarf ist hoch, doch die Marke ist attraktiv. (Foto: Foto: ddp)

Umgehend besichtigten Abordnungen von CSU und SPD das Rosenthal-Werk in Speichersdorf bei Bayreuth. Von SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck bis zu Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) reicht die Front der unaufgeforderten Unterstützer.

In der Firmenzentrale wundern sich die Mitarbeiter, "dass Hilfsangebote noch und nöcher einlaufen, obwohl wir noch gar nicht um Hilfe gebeten haben", wie es einer beschreibt. Im Wahljahr 2009 möchten offenbar viele gerne Rosenthal-Retter werden.

Bürgschaft des Freistaats

Dass Rosenthal zum Überleben zumindest vorläufig unter einen staatlichen Schutzschirm kriechen muss, wird aber tatsächlich immer wahrscheinlicher. "Wir werden noch in dieser Woche mit dem bayerischen Wirtschaftsministerium das persönliche Gespräch suchen", sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm der Süddeutschen Zeitung.

Bislang gab es lediglich informelle Kontakte. Nun gehe es darum, konkret "den Liquiditätsbedarf von Rosenthal abzusichern". In Frage käme eine entsprechende Bürgschaft, mehr aber noch ein staatlicher Überbrückungskredit.

Der vorläufige Insolvenzverwalter ließ offen, wie viel Geld Rosenthal akut benötigt. "Wir ermitteln im Moment noch, wie groß unser Finanzbedarf ist", sagte Böhm. Berichte, wonach ein kurzfristiger Bedarf von 30 Millionen Euro im Raum steht, ließ er unkommentiert.

Dass Rosenthal bei Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) auf offene Ohren stoßen dürfte, gilt als ausgemacht. Die Politik wird den Patienten jedoch allenfalls am Leben erhalten, nicht aber durchgreifend kurieren können.

Ominöser Käufer

Ob Rosenthal, die eigentlich glamouröse, in den vergangenen Jahren aber arg gebeutelte Porzellanmarke, überhaupt eine Zukunft hat, steht noch in den Sternen. Bereits vor der Insolvenz hieß es, die Gespräche mit einem möglichen Käufer stünden kurz vor dem Abschluss. Nach außen ist davon allerdings immer noch nichts zu erkennen. Der vorläufige Insolvenzverwalter ließ auf Nachfrage am Mittwoch offen, ob und wann mit einem Abschluss gerechnet werden kann.

Als Favorit unter den angeblich 20 Interessenten gilt die italienische Sambonet-Gruppe, die mit Rosenthal ihre bisherige Produktpalette aus hochwertigem Besteck, Töpfen und Schüsseln aus Edelstahl um Porzellangeschirr erweitern würde.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie vertrackt die Rettung Rosenthals trotz des gamourösten Markennamens ist.

Vor endgültigen Übernahmegesprächen müssten jedoch erst bei Rosenthal "Strukturen für solche Gespräche geschaffen werden", sagte Böhm. Näher erläutern wollte der vorläufige Insolvenzverwalter dies nicht.

Die Gefechtslage ist obendrein unübersichtlich. In Rosenthal-Kreisen wird gefürchtet, dass eine Übernahme auch am Veto des irisch-britischen Mutterkonzerns Waterford Wedgwood scheitern könnte. Er hält etwa 90 Prozent der Rosenthal-Anteile und ging fünf Tage vor Rosenthal finanziell in die Knie. Die US-Kapitalgesellschaft KPS Capital Partners zeigt Interesse an einer Übernahme von Waterford Wedgwood. Angeblich am liebsten inklusive Rosenthal.

Kein Anzeichen für Veto

In Selb fürchten nun manche, der Insolvenzverwalter von Waterford Wedgwood könnte sich deshalb gegen einen isolierten Verkauf von Rosenthal wehren. Durch den eigenständigen Insolvenzantrag der Franken ist das allerdings juristisch schwieriger geworden.

Böhm sagt, bislang gebe es für ein Veto des Mutterkonzerns keine Anzeichen. "In erster Linie wird es darauf ankommen, mit der Bank of America zu einer Lösung für Rosenthal zu kommen", erklärt der vorläufige Insolvenzverwalter. Wer immer Rosenthal übernehmen will, muss nicht nur für den Kauf viel Geld haben. Auf mindestens 60 bis 70Millionen Euro schätzt man in der Branche allein die Verbindlichkeiten des Porzellanherstellers. Böhm sagte dazu nichts.

Der äußere Anlass für die Rosenthal-Insolvenz mag die Pleite von Waterford Wedgwood gewesen sein. Rosenthal ist jedoch keineswegs ein Opfer der Finanzkrise.

Tatsächlich krebst Rosenthal wirtschaftlich seit Jahren vor sich hin. Seit 2002 hat das Unternehmen 33 Millionen Euro Jahresumsatz verloren. Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das am 31. März 2008 endete, lag der Umsatz bei 162,6Millionen Euro. Der Verlust vor Ertragssteuern (EBT) summierte sich auf den traurigen Rekord von 22,7 Millionen Euro. Selbst wenn man diesen Wert um die Sondereffekte aus dem laufenden Firmenumbau bereinigt, liegt der Verlust noch bei 12,9 Millionen Euro.

Eigenkapital abgesackt

Auch andere Kennzahlen zeigen, wie dünn bei den Finanzen das Eis ist, auf dem sich Rosenthal bewegt. Trotz einer Kapitalerhöhung im vergangenen Geschäftsjahr ist das Eigenkapital auf 7,9 Millionen Euro abgesackt. Die Eigenkapitalquote lag damit bei gerade noch 5,4 Prozent. Und auch im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahrs deutete nichts auf eine durchgreifende Besserung hin. Der Umsatz sackte um weitere 5,9 Prozent ab, und der EBT-Verlust betrug 10,2 Millionen Euro.

Dem steht gegenüber, dass Rosenthal eine der weltweit bekanntesten und glamourösesten deutschen Marken überhaupt ist. Das, sagen Branchenexperten, sei das größte Kapital und damit das beste Verkaufsargument für das Unternehmen. Ein neuer Eigentümer müsste diesen glänzenden Ruf allerdings auch besser nutzen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

© SZ vom 22.01.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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