Roche kauft Tochterfirma für Rekordbetrag:Kapital und Kreativität

Lesezeit: 2 min

Der Milliardencoup von Roche ist für die Pharmabranche erstaunlich. Auf der Suche nach der optimalen Verbindung von Kreativität und Kapital, schlägt das Unternehmen einen neuen Weg ein.

Kristina Läsker

Es ist die teuerste Fusion, die es je in der Pharmabranche gegeben hat. Ein Zukauf der Superlative. Für knapp 44 Milliarden Dollar will die Schweizer Pharmafirma Roche die Tochterfirma Genentech ganz übernehmen. Nur eine Handvoll Konzerne auf der Welt erzielt überhaupt einen solchen Milliardenumsatz - Arzneimittelhersteller gehören nicht dazu.

Genentech wird in den Roche-Konzern integriert. Viele Rivalen werden genau beobachten, wie die Entwicklung weitergeht. (Foto: Foto: AFP)

Und die Transaktion überrascht: Die reiche Roche hält zwar seit Jahren die Mehrheit an Genentech, aber sie hat stets betont, dass die Unabhängigkeit für beide fruchtbar ist. Auch Verwaltungsratschef Franz Humer betonte am Montag, er habe zuletzt etliche schlaflose Nächte gehabt. Doch nun nutzt er den historisch schwachen Dollar, um Genentech komplett ins Roche-Reich zu holen.

Eine Branche in der Rechtfertigungskrise

Nicht nur wegen des unglaublich hohen Kaufpreises elektrisiert der Coup die Konkurrenz. Roche ist der erfolgreichste Pharmakonzern der Welt, viele kopieren sein Verhalten. Denn die Branche steckt in einer Rechtfertigungskrise. Jahr für Jahr steckt sie weltweit Milliarden Euro in die Erforschung von Krankheiten. Doch die Anstrengungen verpuffen scheinbar sinnlos, unter dem Strich kommen kaum neue Arzneien heraus.

Vergeblich warten Millionen Patienten auf Antworten für die Geißeln der Menschheit - und fühlen sich von der Industrie alleingelassen. Wo bleiben die Medikamente für unheilbare Krankheiten wie Aids, Diabetes, Alzheimer, Multiple Sklerose oder aggressive Krebstypen? Warum ist die Forschung so langsam? Wieso leiden so viele Menschen an seltenen Krankheiten, für die es keine Arzneien gibt, während Wissenschaftler ihren Grips an den x-sten Cholesterin- oder Blutdrucksenker verschwenden? Wieso verlangen Firmen höhere Erstattungen für Arzneien und lassen die Krankenkassensätze explodieren, wenn die Versorgung doch kaum besser wird? Das Image der Branche leidet, wenn sie weiterhin passende Antworten verweigert.

Roche glänzt hier mit Glaubwürdigkeit. Gemeinsam mit Genentech wurden wirksame Krebsmittel auf den Markt gebracht. Als einer der ersten erkannte der Konzern, dass in der Biotechnologie der Schlüssel zur Entwicklung neuer Arzneien im 21. Jahrhundert liegt.

Daher kaufte sich die Firma früh beim Biotech-Pionier Genentech ein. Anders als viele Wettbewerber ließ Roche die Forscher in San Francisco eigenständig arbeiten und mischte sich wenig ein. Dass Genentech die Forschungskultur beibehielt, gilt als entscheidender Erfolgsfaktor.

Denn eines hat die Biotechnologie-Branche zuletzt lernen müssen: Allein mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2000 war es nicht getan. Das Erbgut zu erkennen, ist das eine, Fehlfunktionen mithilfe von Gentechnologie zu beheben, ist das andere.

Es bestehen noch etliche ungelöste DNA-Rätsel. Vielfach ist Wissen nicht in Arzneien umgemünzt worden. Angesichts einiger Rückschläge - in einem Arzneimitteltest löste ein Antikörper 2006 bei britischen Probanten schwerste Nebenwirkungen aus - schauen die Zulassungsbehörden genauer hin: Ein gentechnologisches Medikament auf den Markt zu bringen, dauert heute viel länger und kostet viele Millionen.

Schwierige Kombination

Viele kleinere Biotechnologie-Firmen können die notwendigen Investitionen nicht allein stemmen. Sie sind auf Wagniskapitalgeber oder Pharmakonzerne als Partner angewiesen.

So sucht die Industrie seit Jahren nach dem optimalen Weg, das Kapital der Konzerne mit der Kreativität der Biotech-Betriebe zu vereinen. Denn die Konzerne allein - so hat es die Erfahrung gezeigt - ersticken mit ihrer Größe und ihrer Trägheit oft die Bissigkeit und den Erfindergeist der Wissenschaftler. Jahrelang hat die Industrie deshalb auf Kooperationen an der langen Leine gesetzt.

Roche geht jetzt einen neuen Weg, Genentech wird integriert. Vertrieb und Verwaltung werden vereint, das soll Geld sparen. Nur das Wissenschaftler-Team von Genentech darf als eigenständige Einheit weiterarbeiten. Rivalen werden sich das genau anschauen, denn das Vorhaben ist eine Gradwanderung. Für unzufriedene Forscher im Großkonzern Roche-Genentech gibt es genügend gute Jobs bei der Konkurrenz.

© SZ vom 22.07.2008/jpm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: