Roaming:Einfach mal anrufen

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Telefonate in andere EU-Länder können auch nach dem Wegfall der Roaming-Gebühren sehr teuer sein. Jetzt sollen die Kosten auf maximal 19 Cent pro Minute begrenzt werden. Die Anbieter sind sauer.

Von Janis Beenen und Benedikt Müller, Düsseldorf/München

Bis in den frühen Mittwochmorgen debattierten die Politiker in Brüssel. Dann stand fest: Anrufe von einem EU-Staat in einen anderen sollen künftig maximal 19 Cent pro Minute kosten. Der Preis für eine SMS soll auf sechs Cent begrenzt werden. Die Regelung soll vom 15. Mai 2019 an gelten. Welche Auswirkungen hat das EU-Vorhaben? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat die EU beschlossen?

Die Begrenzung ist Teil einer umfassenden Überarbeitung des sogenannten Kodex für die elektronische Kommunikation. Ziel ist laut EU-Kommission, "allen Bürgern Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten" zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Ausbau schneller Internetverbindungen (siehe Kasten). Bis 2020 sollen zudem Frequenzen für das Mobilfunknetz der modernen, fünften Generation (5G) verfügbar sein. Die Vertreter des EU-Parlaments drängten in den Verhandlungen mit Kommission und Mitgliedsstaaten zusätzlich auf die Deckelung der Telefonkosten. Mitgliedsländer mit großen staatlichen oder teilstaatlichen Telekommunikationsfirmen wollten das verhindern.

Hat die EU nicht schon die Roaming-Gebühren verboten?

Erst im vergangenen Jahr hat die EU die Roaming-Zusatzgebühren abgeschafft. Doch diese Entlastung wirkt nur eingeschränkt: Bei Telefonaten im EU-Ausland und von dort ins Heimatland muss seit 2017 der Standardtarif gelten. Wer allerdings von Deutschland aus ins EU-Ausland anruft oder zwischen zwei anderen EU-Staaten telefoniert, zahlt bislang weiterhin drauf. Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein berichtete zuletzt, dass bis zu 15 Euro für zehn Minuten fällig werden. Eine Umfrage der Verbraucherschützer ergab: Die Mehrzahl der Menschen glaubt, dass die Roaming-Gebühren für Telefonate in beide Richtungen abgeschafft sind.

Collage: Stefan Dimitrov (Foto: Stefan Dimitrov)

Sind die Verbraucherschützer glücklich über die Neuerung?

Susanne Blohm, zuständig für Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht von einem "großen, großen Erfolg". Der Gesetzgeber löse so die Verwirrung nach der Abschaffung der Roaming-Gebühren auf. Blohm warnt allerdings vor Lücken im Gesetz. Mögliche Ausnahmen, zum Beispiel für wirtschaftlich schwache Telefonkonzerne, sieht sie kritisch. Der Maximalbetrag von 19 Cent ist aus ihrer Sicht "ein guter Kompromiss". Besser gehe es aber immer. "Man darf nicht vergessen, dass die Konzerne weiter gute Gewinne machen", sagt Blohm.

Wie reagieren die Mobilfunkanbieter?

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) kritisiert die Brüssler Pläne. "Aus unserer Sicht ist das reiner Populismus", sagt VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Privatkunden, die ins Ausland telefonieren möchten, könnten zwischen Festnetz und Mobilfunk wählen und sich jederzeit für den günstigsten Anbieter entscheiden.

Das Unternehmen Vodafone betont, dass man für viele Auslandsanrufe schon heute günstigere Konditionen biete, als sie die EU nun vorschreiben wolle. Vodafone wende sich zwar nicht gegen die geplanten Preisgrenzen. "Allerdings ist unser Unternehmen grundsätzlich der Meinung, dass der Wettbewerb bessere Ergebnisse für die Kunden bringt als eine Preisregulierung", sagt ein Sprecher.

Der Verband Etno, dem die großen Telekommunikationsanbieter Europas angehören, bezeichnet die Entscheidung als "unglücklich". Die Telekom-Reform habe in dem eigentlichen Ziel, Investitionen in die Infrastruktur zu fördern, "keine nennenswerten Fortschritte erzielt".

Wie verteidigen die Konzerne die teuren Auslandsanrufe?

Telekommunikationsanbieter müssen bei Anrufen ins Ausland die Kosten für gleich zwei Netze tragen. "Dafür fallen Entgelte an", sagt VATM-Chef Grützner. "Das ignoriert die EU mit ihrer geplanten Regelung."

Gibt es nicht ohnehin Gratislösungen wie Whatsapp?

Alternativ zum Telefonat und der SMS können Verbraucher auf kostenlose Dienste wie Whatsapp, Viber oder Skype zurückgreifen. Dieses Argument diskutierten auch die Politiker in der Brüsseler Nachtsitzung. Tatsächlich kann aber nur die Begrenzung der Kosten alle Verbraucher gleichermaßen entlasten. Nicht jeder nutzt die sozialen Medien. Hier müssen Kunden zwar nicht zahlen. Dennoch bestehen Hürden. Manche sorgen sich um den Schutz der eigenen Daten. Zudem benötigen beide Seiten eine stabile Internetverbindung, um zu telefonieren. Wenn kein Wlan verfügbar ist, geht zudem mobiles Datenvolumen verloren.

Wie lassen sich Kosten außerhalb der EU vermeiden?

Wer in die USA, nach China oder Tunesien reist, profitiert nicht von Preishöchstgrenzen. Die Kosten für ein Gespräch variieren je nach Land und Anbieter. Deutlich mehr als ein Euro pro Minute ist durchaus möglich. Wer keine Gratisalternativen nutzen möchte, sollte seinen Anbieter nach Tarifen für das Reiseziel fragen. Diese sind zum Teil teuer. Besonders bei längeren Touren ist es klug, eine SIM-Karte eines Mobilfunkanbieters vor Ort zu kaufen. Vielleicht lohnt sich sogar ein billiges Zweithandy. Wer mit der neuen Karte in die Heimat telefoniert, spart. Doch Anrufer aus Deutschland zahlen mehr, wenn sie die ausländische Nummer wählen. Außerdem gilt ohne Spezialtarif: Außerhalb der EU die mobile Datenverbindung ausstellen und Wlan nutzen. Der Datendownload übers Mobilfunknetz kann teuer werden.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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