Riskant investieren:Mensch gegen Maschine

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Warum sich Mathias Schilling seine Investments von Computern empfehlen lässt.

Von Varinia Bernau

Es gibt kaum ein Büro in San Francisco, das näher am Himmel ist, als das von Mathias Schilling. Fünf Stockwerke unter der Spitze der Transamerica Pyramid. Der Deutsche war 25 Jahre alt, als er merkte, dass die starren Hierarchien in Konzernen nichts für ihn sind - und er aufgebrochen ist, um den Amerikanern zu zeigen, wie man das so macht mit dem Risikokapital. Im Gepäck, wie er sagt, "eine gesunde Portion Naivität und ein überhöhtes Selbstbewusstsein."

Gemeinsam mit Thomas Gieselmann gründete er die Beteiligungsgesellschaft E Ventures. "Kapital, Talent und Ideen - das sind die drei Komponenten für Erfolg. Und von all diesen Komponenten gibt es im Silicon Valley immer noch am meisten", sagt Schilling. Das imposante Büro bezogen die beiden im Herbst 2001. Damals, erzählt Schilling, war die Miete niedrig. Denn damals, kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, wollten wenige Leute Büros in Wolkenkratzern mieten.

Inzwischen ist die Miete gestiegen. Schilling ist noch immer da. Und seine Beteiligungsgesellschaft hat fünf weitere Büros, um in anderen Ländern nach spannenden Unternehmen Ausschau zu halten: in Brasilien, in China, in Osteuropa. Den Überblick hat Schilling trotzdem nicht. Kann er gar nicht mehr haben. "Die Geschwindigkeit, mit der neue Firmen entstehen, ist inzwischen so hoch, dass ich 100 Leute einstellen müsste, um die interessanten Firmen überhaupt zu finden", sagt Schilling. Deshalb setzt er auf die Maschine.

Schilling ist dabei inzwischen wohl auch mehr Amerikaner als Deutscher. Diese Neugier, diese Begeisterungsfähigkeit, diese Gier nach Erfolg, die Schilling als jungen Mann nach Amerika gelockt haben - er hat sie in sich aufgesogen. Die deutsche Debatte über den Datenschutz versteht er nicht mehr. All die Informationen, die viele Europäer nicht rausrücken und schon gar nicht von Maschinen durchforstet wissen wollen, sie sind die Grundlage für Schillings Geschäft: Die Manager, die die Fonds von E Ventures verwalten, werten zum Beispiel gezielt Kreditkartendaten aus - und etwa 70 andere Indikatoren, die Einsichten in das Wirtschaftsleben geben. "Wenn ein Start-up schnell wächst, bekommen wir einen Alarm." Die Maschinen, auf die Schilling und seine Mannschaft setzen, machen bei erfolgreichen Firmen auch bestimmte Muster aus. Zum Beispiel, dass einer wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einst sein Studium in Harvard abgebrochen hat. "Es gibt Millionen solcher Muster, die wir über verschiedene Firmen laufen lassen - und die Maschine spuckt uns dann Investitionskandidaten aus", erzählt Schilling.

Aber, immerhin, wenn solch ein Kandidat ihn dann doch nicht wirklich überzeugt, dann bekommt der auch kein Kapital. "Die Maschine ist für uns niemals entscheidend", betont Schilling. Es ist eher ein Hilfsmittel, um das Tempo zu halten. "Wir kriegen 5000 Kandidaten pro Woche - und können schnell erkennen, welche davon die besten fünf sind. Aber ohne ein persönliches Gespräch, die üblichen Prüfungen, geht es nicht."

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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