Rente:50 Euro plus im Monat

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In Deutschland beziehen fast 1,8 Millionen Menschen eine Rente wegen einer Erwerbsminderung. Die Regierung erhöht am Mittwoch die Bezüge. Was man dazu wissen muss.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Sie hatten einen Unfall, sind chronisch krank oder leiden dauerhaft unter Depressionen. In Deutschland beziehen fast 1,8 Millionen Menschen eine Rente wegen einer Erwerbsminderung, weil sie zu krank zum Arbeiten sind. Nun will die Bundesregierung diese besondere Rentenart zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode erhöhen. An diesem Mittwoch wird das Kabinett das entsprechende Gesetz billigen. Wer davon etwas hat, wer leer ausgeht - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum wird gerade erwerbsgeminderten Rentnern geholfen?

Müssen Menschen wegen einer Krankheit vorzeitig in den Ruhestand gehen, sind sie im Durchschnitt erst 50 Jahre alt. Ihre Rentenansprüche sind oft dürftig: Die durchschnittliche Rente wegen voller Erwerbsminderung lag Ende 2015 im Westen für Männer bei 763 Euro monatlich, für Frauen bei 729 Euro. Für sie ist das Risiko in die Armut abzurutschen besonders hoch. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung haben fast 15 Prozent der Erwerbsminderungsrentner ein so niedriges Einkommen, dass sie auf die staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Zum Vergleich: Unter den Altersrentnern ab 65 Jahren sind dies nur drei Prozent.

Was wird wann zukünftig besser?

Derzeit unterstellt die Rentenversicherung bei den Betroffenen, dass sie bis zu ihrem 62. Lebensjahr gearbeitet hätten, auch wenn sie viel früher arbeitsunfähig wurden. Nun wird diese Zurechnungszeit zwischen 2018, dem Starttermin der Reform, und 2024 schrittweise auf 65 Jahre verlängert. Dadurch erhöht sich die monatliche Rente in der Endphase um etwa 50 Euro durchschnittlich. Allerdings profitieren davon nur diejenigen, die vom 1. Januar 2018 erstmals eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Das waren zuletzt etwa 170 000 Menschen im Jahr. Die 1,8 Millionen, die schon eine entsprechende Leistung beziehen, haben von den 50 Euro nichts.

Was wurde bereits verbessert?

Die Bundesregierung hat die Zurechnungszeit bereits mit dem Rentenpaket 2014 vom 60. auf das 62. Lebensjahr erhöht. Außerdem bleiben beim Berechnen der Zurechnungszeit seit 1. Juli 2014 die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderung unberücksichtigt, wenn der Verdienst etwa aus gesundheitlichen Gründen bereits eingeschränkt war und diese Jahre den Rentenanspruch mindern würden. Auch davon profitierten nur die Neu-Rentner - das aber spürbar. Sie bekamen 2014 monatlich im Durchschnitt 628 Euro ausgezahlt, ein Jahr später waren es laut Bundesarbeitsministerium bereits 672 Euro.

Wer bezahlt die höheren Renten?

Dafür muss die Rentenversicherung aufkommen, es zahlen also die Beitragszahler. Die Kosten steigen von 140 Millionen Euro im Jahr 2021 über 1,5 Milliarden Euro 2030 bis auf 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2045.

Was ärgert die Kritiker?

In einer Stellungnahme des VdK, des größten deutschen Sozialverbands, heißt es: Erwerbsminderungsrentner seien besonders "auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft" angewiesen, zumal es kaum möglich sei, das Risiko einer Erwerbsminderung durch betriebliche oder staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge abzudecken. Hier fehlten "adäquate Angebote" von privaten Versicherern. Insofern seien die Verbesserungen positiv zu bewerten. Der VdK hält es aber für nicht akzeptabel, dass die Erhöhung über sieben Jahre gestreckt wird. Das hätte "in einem Zug" passieren müssen, kritisiert der VdK. Nur: Das wäre deutlich teurer geworden.

Was ist noch umstritten?

Wer vorzeitig in Rente geht, muss Abschläge vom Altersgeld in Kauf nehmen. Dies gilt auch für Erwerbsgeminderte, wobei die Abschläge bei ihnen auf 10,8 Prozent begrenzt sind. In dieser Gruppe gehen fast alle mit Abschlägen in die Frührente, im Durchschnitt mit 85,20 Euro pro Monat weniger. Bei den anderen Rentnern belaufen sich die Abzüge sogar auf bis zu 14,4 Prozent. Der VdK fordert seit Jahren, die Abschläge abzuschaffen, auch die Linken und die Gewerkschaften sind dafür. Die Bundesregierung lehnt dies jedoch ab. Sie befürchtet Ausweichreaktionen. So heißt es in der Begründung zum Gesetzesentwurf: Die Abschläge von bis zu 10,8 Prozent seien nötig. "Sie verhindern, dass die Erwerbsminderungsrente im Hinblick auf die Höhe der Abschläge als günstigere Alternative zu einer vorzeitigen Altersrente in Betracht kommt."

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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