Porsche SE:"Eine ziemlich verschworene Gemeinschaft"

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Was hat der denn unter der Haube? Aktionäre begutachten bei der Hauptversammlung einen Porsche 911 GT3. (Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Zwei Jahre war Ferdinand Piëch abgetaucht. Bei der Hauptversammlung lässt der Patriarch sich blicken und wird als Kontrolleur bestätigt - obwohl er fast alle Anteile verkauft hat.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Ferdinand Piëch war abgetaucht. In den vergangenen beiden Jahren hat ihn kaum jemand gesehen. Jetzt sitzt der Autopatriarch auf dem Podium der Porsche-Arena in Stuttgart. Wobei angesichts der Machtspiele hier wohl das Wort Bühne angemessener ist. Sieben Stunden lang hört er sich die Hauptversammlung der Porsche Automobil Holding SE (PSE) schweigend an. Äußerlich ungerührt, ja enigmatisch, wie man ihn kennt. Was für eine Rolle er spielt, ist wieder mal nicht ganz klar. Am Nachmittag wird er dann als Aufsichtsrat wiedergewählt - und das, obwohl er bereits 80 Jahre alt ist und seine Anteile im Wert von 1,1 Milliarden Euro zuletzt fast restlos verkauft hat. Immerhin: Einmal ist ein Lächeln wahrzunehmen - just als sich ein Aktionär überrascht zeigt, dass er, Ferdinand Piëch, nun wieder einmal aufgetaucht sei.

Die PSE ist schon ein sehr ungewöhnliches Unternehmen. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem Sportwagenhersteller Porsche AG. Die PSE ist eine reine Finanz-Holding, in der die Erbenfamilien Porsche und Piëch ihre Mehrheitsbeteiligung an Volkswagen verwalten. Es ist das Machtzentrum des größten Autobauers der Welt. Auf dem Podium sitzen nur Männer. Sie reden von der Neuausrichtung bei VW und von Herausforderungen der Zukunft, aber an der Macht halten die Herren fest, die schon so lange dabei sind: Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche, 74, sein Bruder Hans-Peter, 77, dazu Hans Michel Piëch, 75 und eben Ferdinand Piëch. Der einzige Aufsichtsrat aus der vierten Generation des Porsche-Clans ist Ferdinand Oliver, auch schon 56 Jahre alt.

Neuaufstellung? Im Machtzentrum ist das nicht angekommen.

Neuaufstellung? Im Machtzentrum ist das nicht angekommen. Die vierte Generation darf ansonsten nur unten sitzen, im Publikum. Zuhören und auf den Generationswechsel warten. Wann der kommt? Man weiß es nicht, auch wenn die Familien darüber wohl im Hintergrund ernsthaft diskutieren. Sobald der Transfer von Ferdinand Piëchs PSE-Anteilen an andere aus der Familie abgeschlossen ist, will er seinen Sitz im Kontrollgremium freigeben. Aussichtsreiche Kandidatinnen sind Hans Michel Piëchs Tochter Julia Kuhn-Piëch, 35, und ihre Cousine Luise Kiesling, 60. Gregor Piëch, Ferdinands Jüngster, ist noch nicht so weit. Er sitzt in dunklem Sakko neben Mutter Ursula in der dritten Reihe. Zudem gilt als sicher, dass auch Hans-Peter Porsche den Aufsichtsrat verlassen wird. Er hat bereits angekündigt, das Amt an seinen Sohn Peter Daniell Porsche, 44, übergeben zu wollen. Als gelernter Musiktherapeut und Waldorflehrer gilt Peter Daniell als bunter Vogel im Porsche-Clan. Als Allein-Erbe seines Vaters wird er aber einer der mächtigsten Aktionäre werden.

Während der Generaldebatte fordern etliche Aktionäre die Abwahl von Ferdinand Piëch. Vor zwei Jahren versuchte er den damaligen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn zu entmachten, gegen den Willen der anderen in der Familie. Er scheiterte und zog sich verbittert zurück, bis er zu Beginn dieses Jahres abermals für großen Ärger sorgte: Er bezichtigte seinen Cousin Wolfgang Porsche und andere VW-Aufsichtsmitglieder der Mitwisserschaft beim Diesel-Skandal. Doch der Clan lässt ihn nicht fallen. Die Familien haben die Stimmrechte und legen großen Wert auf ein ausgeglichenes Machtgleichgewicht. Hier und heute lassen sich Ferdinands Verwandte nicht aus der Ruhe bringen. "Ich bitte Sie durch Handaufheben abzustimmen", fragt Versammlungsleiter Wolfgang Porsche ein ums andere Mal bei den Wahlen zum Aufsichtsrat. Die Stimmberechtigten in der ersten Reihe dieser großen Arena, ein Dutzend sind es vielleicht, stimmen allen Vorschlägen zu: Indem sie nie die Hand heben zur Gegenrede.

Auch sonst sind die Verhältnisse bei der PSE einmalig. Vorstandschef Hans Dieter Pötsch ist gleichzeitig Aufsichtsrats-Chef bei VW. Das führt immer wieder zu solch kuriosen Pötsch-Zitaten wie: "Aus einer Pressemitteilung der Volkswagen AG ist der Porsche SE bekannt..." So als ob er es nicht selbst wüsste. Einer der Aktionäre bezeichnet diese Personengleichheit schlicht als "schizophren". In einem Satz immerhin spricht Pötsch von sich nicht in dritter Person: "2016 war auch für mich selbst ein schweres Jahr." Er meint damit die Ermittlungen zweier Staatsanwaltschaften gegen ihn wegen des Diesel-Skandals: In Braunschweig wird er wegen seiner Rolle bei VW verfolgt, in Stuttgart wegen seiner Rolle bei der PSE. Im Namen der Firma, für die er heute formal spricht, weist er die Beschuldigungen zurück, die auch andere Topmanager dieses Konglomerats betreffen, etwa VW-Vorstandschef Matthias Müller: Kein Organmitglied habe gegen Vorschriften verstoßen und Infos über den Dieselskandal zurückgehalten.

Der Aktionärsvertreter Christian Sprenger fordert indes "dringend", dass sich diese Firma externe Berater zur Klärung des Dieselskandals holen müsse. Er fasst die derzeitige Situation so zusammen: "Selbstbestellung, Selbstkontrolle, Selbstprüfung, Selbstentlastung durch eine ziemlich verschworene Gemeinschaft." Die PSE bestätigt die Gefahr der mangelnden Unabhängigkeit in ihrem Geschäftsbericht sogar - wenn auch in reichlich verschwurbeltem Juristen-Deutsch: "Der Aufsichtsrat kann nicht hinreichend rechtssicher zu der Einschätzung gelangen, dass ihm (...) eine angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehört." So ist das bei der Porsche SE: Auch wenn der Generationenwechsel irgendwann einmal in Gang kommen sollte - die Porsches und Piëchs werden unter sich bleiben.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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