Pipers Welt:Das Geld der Schweden

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Das Land ist vermutlich das erste, das auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft ist. Das liegt vor allem am Vertrauen der Menschen in die Institutionen.

Von Nikolaus Piper

Für Schwedens Zentralbank interessieren sich normalerweise nur Finanzmarkt-Gurus. Einmal im Jahr allerdings, Anfang Oktober, steht Sveriges Riksbank, die Schwedische Reichsbank, überall in den Schlagzeilen. Dann wird der Wirtschaftsnobelpreis verliehen, und den hatte die Reichsbank 1968 anlässlich ihres 300. Geburtstages gestiftet, weshalb er offiziell "Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel" heißt. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an die beiden Forscher Oliver Hart und Bengt Holmström.

Der Nobelpreis ist ein guter Anlass, um sich einmal näher mit dieser Reichsbank zu beschäftigten - schon wegen ihrer ebenso wechselhaften wie interessanten Geschichte. Der schwedische Reichstag hatte sie 1668 nach dem Bankrott eines Vorgänger-Instituts als "Bank der Reichsstände" etabliert; sie ist damit die älteste Zentralbank der Welt. (Die Bank von England wurde 1694 gegründet). 1675 finanzierte sie Schwedens Krieg gegen Dänemark, 1700 den Großen Nordischen Krieg, so wie man das damals von einer Bank erwartete. Während des Krieges emittierte die Bank 1701 "Transfernoten", Vorläufer der modernen Banknoten. Die vergleichbaren Dollarnoten ("Greenbacks") wurden erst mehr als 150 Jahre später, im Amerikanischen Bürgerkrieg, ausgegeben. Es gab Extreme in der Geschichte: Während der schwedischen Bankenkrise 1992 erhöhte die Bank den Leitzins einmal auf rekordverdächtige 500 Prozent, um die Krone zu stützen. Heute liegt der Leitzins bei minus o,5 Prozent, die Reichsbank verlangt Strafzinsen, wenn Banken ihr Geld leihen.

(Foto: N/A)

Am interessantesten jedoch ist die Reichsbank, weil Schweden, vermutlich als erstes Land der Erde, auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft ist. Nur noch 20 Prozent aller Umsätze im Einzelhandel wurden 2015 mit Banknoten oder Münzen abgewickelt, in Deutschland lag der Anteil bei gut 50 Prozent. Der Bargeldumlauf sinkt ständig. Bereits 2008 sagte der damalige Vizepräsident der Bank, Lars Nyberg: "Ich glaube, Zahlungen auf Papierbasis werden eines natürlichen Todes sterben. Sie sind teuer für die Banken und unbequem für die Verbraucher. (...) Wir werden sie eines Tages im Nationalmuseum für Wissenschaft und Technik ausgestellt sehen."

Auch in Deutschland wird das Bargeld weniger, doch geht hier alles viel langsamer, und es gibt, anders als in Schweden, heftigen Widerstand. Schon die Abschaffung des 500-Euro-Scheins löste erbitterte Proteste aus. Die Deutschen sorgen sich um Datenschutz und die Sicherheit ihres Vermögens, wenn jeder Bezahlvorgang eine elektronische Spur hinterlässt.

Die Frage ist: Warum ist das in Schweden so völlig anders? Viele Erklärungen werden dafür angeboten: Schweden sind IT-Narren, das Land ist dünn besiedelt, was die Banken schon früh zur Rationalisierung gezwungen hat, es gibt nur wenige große Banken. Das stimmt alles, die ökonomische Theorie legt jedoch noch eine andere Erklärung nahe: Schweden haben ein ungewöhnlich hohes Maß an Vertrauen in die Institutionen ihres Landes, höher jedenfalls als das von Deutschen oder Amerikanern. Aus diesem Grunde macht es ihnen nichts aus, eine elektronische Spur zu hinterlassen, wenn sie einkaufen. Sie bauen darauf, dass schon niemand Unfug mit ihren Daten treiben wird. Dieses Vertrauen nennt man auch "Sozialkapital". Man kann es nicht verordnen, man kann es aber über Nacht zerstören. Jedenfalls kann man viel von den Schweden lernen.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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