Paris: Luxus-Hotel Lutetia:Ein Kauf und seine Geschichte

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Ein Israeli übernimmt das Pariser Luxus-Hotel Lutetia, das einst von den Nazis besetzt war. Es ist nicht nur ein strategischer Kauf, sondern auch ein symbolischer Akt.

Michael Kläsgen, Paris

Es ist nicht nur ein strategischer Kauf, sondern auch ein symbolischer Akt: Ein Israeli hat das Pariser Luxushotel Lutetia gekauft, das die Nationalsozialisten 1940 zu ihrem Hauptquartier für Spionageabwehr und Gegenspionage machten. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte das Hotel dann Überlebende der Shoah. Zugleich war es Informationszentrum für Menschen, die nach ihren Angehörigen suchten. Dass sich hier vor dem Krieg der sogenannte Lutetia-Kreis traf, ein Zirkel prominenter deutscher Hitler-Gegner, ist weithin in Vergessenheit geraten.

Vor allem ein symbolischer Kauf: Ein Israeli hat das Pariser Luxushotel Lutetia übernommen. (Foto: AFP)

Das Hotel, das den antiken Namen der Stadt Paris trägt, atmet Geschichte wie kein zweites. Der erste Präsident der fünften Republik, Charles de Gaulle, verbrachte dort seine Hochzeitsnacht. Joséphine Baker tanzte vor begeistertem Publikum im knappen Kostüm. Der Sänger Serge Gainsbourg lehnte viele Abende an der Bar, die vor wenigen Tagen komplett renoviert wurde und ein Schmuckstück des Art Déco ist. Viele Namen Prominenter wie Gérard Depardieu oder Catherine Deneuve sind mit dem Hotel verbunden. Die Art-Nouveau-Fassade entwarf der Bildhauer Paul Belmondo, Vater des Schauspielers Jean-Paul Belmondo. Im Dezember feiert das Lutetia seinen 100. Geburtstag.

Es gibt also mehrere Gründe zum Anstoßen für Alfred Akirov, den Chef der israelischen Immobilien-Gruppe Alrov. Er hat das Lutetia für geschätzte 150 Millionen Euro gekauft. Über den genauen Preis wurde Stillschweigen vereinbart. Die Übernahme ist ein weiteres Zeichen der wachsenden Stärke der israelischen Wirtschaft. Vor kurzen erregte erst der Pharmakonzern Teva aus Petach Tikwa Aufsehen, als er sich den Ulmer Generika-Hersteller Ratiopharm einverleibte. Der Immobilienunternehmer Akirov hat auch schon im Ausland zugekauft: das Hotel Café Royal in London und das Conservatorium Hotel in Amsterdam. Die börsennotierte, 1978 gegründete Gruppe macht auch dank solcher Übernahmen heute einen Umsatz von 186 Millionen Euro. Angefangen hat das Geschäft mit Hotels in Jerusalem.

Verkäufer ist das amerikanische Hotel- und Freizeitunternehmen Starwood, zu dem Marken wie Sheraton, Westin, Meridien und St. Regis gehören. In Frankreich trennt sich Starwood derzeit von seiner gesamten Palette gehobener Herbergen. Zum Verkauf stehen in Paris das Crillon, das Hôtel du Louvre und das Concorde Lafayette, in Cannes das Martinez und in Nizza das Palais de la Méditerrnée. Starwood, nach der französischen Accor-Kette Europas zweitgrößter Hotelbetreiber, will sich in Frankreich auf Mittelklasse-Hotels spezialisieren. Dieser Bereich befindet sich gerade im Umbruch. Viele Unterkünfte entsprechen nicht mehr dem vom Kunden gewünschten Standard; die Sanierungskosten sind hoch und viele familienbetriebene Pensionen stehen zum Verkauf oder vor der Schließung.

Ein gewagter Kauf

Einen Wandel vollziehen auch die Pariser Luxus-Hotels. In den kommenden anderthalb Jahren öffnen gleich vier neue Paläste ihre Pforten. Drei von ihnen sind asiatischer Provenienz und sollen mehr wohlhabende Urlauber aus Nah- und Fernost nach Paris locken: das Mandarin Oriental, das Shangri-La und das Peninsula. Das Royal Monceau eröffnet im Oktober wieder. Sie alle gesellen sich zu den bereits bestehenden Luxus-Hotels wie das George V, das Plaza Athenée oder das Bristol. Letzteres gehört zur deutschen Oetker-Gruppe, wie überhaupt alle Unterkünfte der obersten Kategorie in ausländischer Hand sind.

Angesichts dieser Konkurrenz und des renovierungsbedürftigen Zustands des Lutetia halten Kenner den Kauf der Israelis für ein Wagnis. Paul Roll, Geschäftsführer des Pariser Fremdenverkehrsamts, sagt: "Die Kundschaft dieser Hotels zeichnet sich dadurch aus, besonders untreu zu sein. Sie ziehen häufig von einem Ort zum anderen. Deswegen wird es spannend zu sehen sein, wie sich die Top-Hotels schlagen werden." Andererseits waren das Plaza Athenée und Konsorten im Juli so gut ausgebucht wie seit langem nicht mehr. Michel Jouslin, Geschäftsführer des Park Hyatt an der Place Vendôme, sagt: "Der gesunkene Euro-Kurs hat dabei eine wichtige Rolle gespielt." Für alle, die in Dollar rechnen, hat der schwächere Euro das Shoppingparadies Paris wieder erschwinglicher gemacht. Aber was heißt schon erschwinglich? Vor dem Louis-Vuitton-Kaufhaus an den Champs-Elysées steht ein Mann im weißen Kaftan und sagt, er habe 20.000 Dollar mitgebracht, die er in zwei Wochen Paris ausgeben wolle. Einfach so, Hotel exklusive.

© SZ vom 10.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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