Olympia als Marke:"Zwei Helden, das war's"

Lesezeit: 4 min

Das Olympische Feuer ist erloschen und die Sponsoren rechnen nach: Hat sich ihr Engagement gelohnt oder schmälern die Debatten um Menschenrechte und Doping den Erfolg? Eine Bilanz.

Tobias Dorfer

Die Olympische Flamme war noch nicht erloschen, da ratterten in den Presseabteilungen der Olympia-Sponsoren schon die Tastaturen: "Die Aufmerksamkeit der Welt war fantastisch, die Fernsehquoten weltweit haben Rekorde erreicht und die Athleten haben Geschichte geschrieben", jubelte Michael Lynch, der Sponsoringchef der Kreditkartenfirma Visa. Auch Samsungs Marketingchef Gyehyun Kwon war glücklich. Die Spiele seien ein "riesiger Erfolg, weil es keine großen Probleme gab", sagte der Manager. Und bei Coca Cola freute man sich darüber, in China die Milchmarke Yili beim Wiedererkennungswert überholt zu haben.

Olympia-Sponsor Coca Cola: 866 Millionen gaben die zwölf Premium-Sponsoren insgesamt aus, um mit den fünf Ringen werben zu dürfen. (Foto: Foto: AP)

Riesiger Erfolg. Fantastische Spiele. Bekanntheitsgrad gesteigert - Olympias Sponsoren schwelgen nach der Schlussfeier in Superlativen und bejubeln ihr eigenes Engagement. Als hätte es keine Debatte um Menschenrechte gegeben. Als hätte niemand Misstrauen geäußert, ob die sportlichen Höchstleistungen tatsächlich auf legalem Wege entstanden. Ist tatsächlich alles eitel Sonnenschein im Land des Lächelns?

Den Weltmarkt im Blick

"Es gab eine leichte Negativfacette", gibt Karen Heumann, Chefstrategin der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, zu. Die Marketingexpertin ist jedoch sicher: "Die Menschenrechtsdebatte wird auf das Sponsorenengagement nicht negativ abfärben."

Zwar werde in Deutschland mitunter Kritik geäußert. Doch für die Premium-Sponsoren, sei dies unerheblich - sie hätten den Weltmarkt im Blick. Und dort spielten diese Themen oft nur eine untergeordnete Rolle. "Die Sponsoren haben diejenigen erreicht, die sie erreichen wollten - und die sitzen nicht unbedingt in Deutschland", sagt Heumann.

Es geht um China, um 1,3 Milliarden Menschen, alles potentielle Kunden - und um einen riesigen Markt. "Durch die Olympischen Spiele wird eine hohe Reichweite generiert und das ist viel Geld wert", sagt Hans Bauer, Professor für Marketing an der Universität Mannheim. Sehr viel Geld sogar. Nach Angaben des Internationalen Olympischen Komitees gaben alleine die zwölf Hauptsponsoren 866 Millionen Dollar aus, um mit den fünf Ringen werben zu dürfen.

Fehlende Tragödien

Ein teurer Spaß, der sich nur schwer refinanzieren lässt. Zumal sich die Menschenrechtsfragen und die Dopingdebatte selbst in China nicht ausblenden ließen. "Hätte man mehr von Olympia profitieren können? Ja. Hätte es schlimmer kommen können? Auch ja", sagt Frank Dopheide, Chef der Düsseldorfer Werbeagentur Grey, die unter anderem den deutschen Olympiapartner Eon betreut. Für Werber Dopheide liegt die Marketing-Gefahr weniger in der Diskussion um Tibet oder EPO. Es ist die Perfektion der Pekinger Spiele, die den Marketingfachmann stört. Er vermisst die Tragödien, die Dramen und die bunten Geschichten am Rande der Wettbewerbe. "Es ist erschreckend zu sehen, welche Erinnerungen von diesen Spielen bleiben", sagt Dopheide. "Usain Bolt, Michael Phelps und die Feiern am Anfang und Ende. Zwei Helden, das war's."

Die zahlreichen Rekorde, die Höchstleistungen, die bis ins Detail perfekte Inszenierung - Dopheide spricht von einer "reinen Vermarktungsmaschine". Und die könnte den olympischen Gedanken beschädigen, die Spiele gar beschmutzen. "Man fragt sich, ob das Herzblut ist oder nur noch Hülle", sagt der Grey-Chef - und fügt hinzu: "Diese perfekten Spiele haben den Kern der Marke Olympia möglicherweise beschädigt."

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Menschenrechtsdebatte nur einen kleinen Teil der Deutschen erreicht hat - und warum Coca Cola problemlos acht Jahre als Olympiasponsor aussetzen könnte.

Für die großen Weltkonzerne, die ihr Engagement dazu nutzen wollten, den chinesischen Markt zu erobern, haben sich die Spiele jedoch zweifelsohne gelohnt. "In China findet die Debatte, die wir hier führen, in dieser Form gar nicht statt", sagt Rudolf Münch, Chef der Hamburger Werbeagentur Springer&Jacoby. Die Chinesen sähen es im Gegenteil sogar positiv, wenn Weltkonzerne "ihre" Spiele finanziell unterstützen würden.

Olympia 2008 in Peking
:Prächtiger Abgang

Abschied vom Vogelnest: Die Schlussfeier der Olympischen Spiele war eindrucksvoll, die Show prächtig. Eine Zusammenfassung in Bildern.

Selbst die Kritik, die in Deutschland am Werbeengagement der Olympia-Sponsoren Volkswagen, Payback und Eon aufkam, sehen die Werber nicht als störendes Element. "Die Menschenrechtsdebatte wird leider vor allem stark in den intellektuellen Medien geführt", sagt Jung-von-Matt-Werberin Heumann. "Der Durchschnittsdeutsche bekommt das gar nicht so stark mit." Und selbst jene, die vordergründig gegen die Tibet-Politik Chinas wettern, fiebern schließlich doch mit Britta Steffen, den Hockey-Herren oder dem Gewichtheber Matthias Steiner. "Man glaubt an Olympia und an den Olympischen Geist, weil man daran glauben möchte - nicht unbedingt, weil er noch in seiner reinsten Form existiert. Olympia ist eben eine noch verbliebene Projektionsfläche für Mythen in einer weitgehend entmythisierten Welt", sagt Rudolf Münch.

Ein verblassender Mythos, von dem viele Unternehmen profitieren. Auch jene, die nicht im olympischen Sponsorenpool beteiligt sind - etwa der Badebekleidungshersteller Speedo, ein Unternehmen, das sonst eher Nischen bedient. Bei Olympia ist alles anders. "Plötzlich können diese Firmen ein Massenpublikum erreichen", sagt Karen Heumann.

Bescheidenheit in London

Das Massenpublikum wird auch in vier Jahren wieder vor den Bildschirmen sitzen, wenn die olympische Karawane in London aufschlägt. Die Werbeausgaben werden wohl weiter steigen. Und doch wird in Großbritannien alles wohl eine Nummer kleiner sein. Der Etat wird etwa nur ein Drittel dessen betragen, was Peking in das Event Olympia gesteckt hat - und auch die Attraktivität für Werbekunden könnte sinken. "Ich glaube nicht, dass Coca Cola in London wieder als Hauptsponsor auftritt", sagt Marketing-Professor Bauer. Das Argument vom lockenden chinesischen Markt werde nicht mehr ziehen - und in der westlichen Welt sei die Marke einfach zu bekannt. Grey-Chef Dopheide glaubt sogar, Coca Cola könnte in London problemlos als Olympiasponsor pausieren. "Kein Mensch würde das merken", sagt der Werber. Der Getränkekonzern würde weiterhin als Olympiasponsor wahrgenommen - auch wenn er keinen Cent in die Spiele stecken würde.

Wie hoch in diesem Jahr der genaue Ertrag der Sponsoren aus dem Megaevent ist, haben die Marketingabteilungen noch nicht errechnet. Dafür jubelt eine andere Branche - und das ungewöhnlich laut. Denn Chinas Fälscherbanden haben mit den Olympischen Spielen ihren Reibach gemacht. Obwohl die Behörden verschärfte Kontrollen angekündigt hatten, erklärten die beiden größten Märkte der Hauptstadt, sie hätten bis zu vier Mal mehr verdient als im Vorjahr. Fast eine Million Kunden stürmten demnach allein Pekings größten Kleidermarkt, den Seidenmarkt. Der benachbarte Yashow-Markt meldete einen Umsatz von 13 Millionen Euro aus dem Verkauf von gefälschten Markenartikeln.

Seidenmarkt-Geschäftsführer Wang Zili sagte, die Kunden - 80 Prozent davon sind übrigens Ausländer - hätten es nicht nur auf gefälschte Rolex-Uhren abgesehen. US-Präsident George W. Bush habe einen Seidenpyjama mit Drachenmotiv gekauft.

© sueddeutsche.de/tob/cmat/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Jahresrückblick 2008: Olympia
:Olympische Momente

Von den 16 Tagen in Peking bleiben Erinnerungen an die gigantische Eröffnungszeremonie, bemerkenswerte Leistungen der Athleten und schöne Szenen am Rande. In Bildern

Jetzt entdecken

Gutscheine: