Notstopp für Bahn-Börsengang:Ende auf Raten

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Der Bahn-Börsengang wird zum Opfer der Finanzmärkte - es könnte das Aus für das Projekt sein.

Michael Bauchmüller

Wie haben sie doch gekämpft, die Gegner des Bahn-Börsengangs. Sie haben Gutachten verfasst und Anhörungen einberufen, sie haben wahlweise den Kopf des Bahnchefs gefordert oder versucht, das ganze Projekt hinter den Kulissen abzusägen. Und jetzt genügen drei Tage im Herbst, um die Bahn von der Privatisierung abzuhalten: der Montag, der Dienstag und der Mittwoch. Drei Tage weltweit abstürzender Börsen. Ausgerechnet die Kapitalmärkte, der Schrecken der Privatisierungs-Gegner, bereiten dem Projekt nun das vorläufige Ende.

Der für den 27. Oktober geplante Bahn-Börsengang ist verschoben. (Foto: Foto: ddp)

Das ist nicht ohne Tragik. Denn immerhin hatten die vielen Kritiker des Börsengangs eines hinbekommen: ein Modell einer privatisierten Bahn, mit dem sich hätte arbeiten lassen. Über kurz oder lang hätte die Bahn so einigen Einfluss auf das Gleisnetz abgeben müssen; für den Wettbewerb im Schienenverkehr hätte sich das durchaus auszahlen können. Schlimmstenfalls ändert sich jetzt gar nichts: Die Bahn bleibt komplett staatlich, bleibt ein Koloss mit fast vollständiger Kontrolle über Züge und Gleisnetz.

Was ist das neue Datum?

Wie wahrscheinlich der schlimmste Fall ist, lässt sich so wenig prognostizieren wie der Dax-Stand Ende November. Fakt ist, dass der Privatisierung alle Dynamik genommen ist. Bahn, Bund und Banken haben aus dem Börsengang den Zeitdruck entweichen lassen wie Luft aus einem Ballon.

Das Bahn-Management mag jetzt weiter um die Welt reisen und mit potentiellen Investoren sprechen. Aber das Ziel ist dahin. Bislang fokussierten sich alle Bemühungen auf den magischen 27. Oktober. Was aber ist das neue Datum? Der 17. November? Der 1. Dezember? Der 11. Mai 2009? Fortan fährt die Bahn im Stand-by-Betrieb. Sie kann jederzeit mit zwei Wochen Vorwarnung an die Börse. Jederzeit oder nie.

Übereilter Schritt

Im Hintergrund wachsen die Probleme. Die Bahn kann zwar glaubhaft versichern, dass sie auf der Schiene keine Angst vor einer Flaute haben muss. Reisende wollen auch künftig ans Ziel, wichtige Grundstoffe werden weiter auf Güterzügen durchs Land gefahren. Aber jenes Geschäft, das Bahnchef Hartmut Mehdorn mühevoll aufgebaut hat, ist akut bedroht: die globale Logistik. Dümpelt die Weltwirtschaft vor sich hin, gibt es auch nicht viel zu transportieren. Wann die Zahlen der Bahn noch einmal so börsenfreundlich sein werden wie in diesem Jahr, weiß dann niemand mehr.

Angesichts der trudelnden Finanzwelt mag es folgerichtig gewesen sein, die Reißleine zu ziehen. Der Schritt war aber auch übereilt. Wie viel für das Unternehmen auf die Waage gekommen wäre, bleibt nun im Ungewissen. Ebenso freilich, wer dafür geboten hätte. Das nämlich hatte die Bahn bis zuletzt für sich behalten. Wären am Ende Scheichs, die russische Staatsbahn und chinesische Staatsfonds die einzigen Interessenten gewesen, hätte das auch politisch das Privatisierungs-Aus bedeuten können.

Eines aber mag beruhigen: Nichts zwingt zum Verkauf der Bahn. So weit, wenigstens, ist es noch nicht gekommen.

© SZ vom 10.10.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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