Nokia Siemens Networks auf Schlingerkurs:Zynisch oder planlos

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Das Hin und Her bei der Sanierung von Nokia Siemens Networks hat die Nerven der Mitarbeiter strapaziert. Ihr Vertrauen in die Führung des Unternehmens ist nach deren brachialen Ansagen erschüttert. Für die Wende im Wettbewerb mit der Billigkonkurrenz aus China sind das schlechte Voraussetzungen.

Björn Finke

Erst haben die Mitarbeiter zwei Monate lang gebangt. Dann wurde daraus die nackte Existenzangst, auch das zwei Monate lang. Jetzt steht ein weiterer Monat Ungewissheit an, bis sich zumindest 2000 von 3600 Beschäftigten von Nokia Siemens Networks (NSN) in München wieder sicher fühlen können - wenn alles glattläuft. 29 andere deutsche Niederlassungen hingegen müssen weiter ums Überleben kämpfen.

Gebäude von Nokia Siemens Networks in München: Die Sanierung ist die letzte Chance für den Anbieter, der Ausrüstung für Telefon- und Daten-Netzwerke liefert. (Foto: dapd)

Willkommen in der Welt von NSN. Eine Welt ist das, in der ein Arbeitgeber erst ankündigt, fast jede vierte Stelle zu streichen; das war Ende November. Dann Ende Januar die Detailpläne vorlegt: 30 deutsche Standorte sollen wegfallen, darunter der größte in München. Alternativlos sei das, sagte der Vorstandschef. Um nun, acht Wochen später, festzustellen, dass es doch anders geht. Management und IG Metall einigten sich, immerhin 2000 Jobs zu retten. Vermutlich, muss man sagen, denn Gewissheit gibt es erst Ende April.

Der scheinbare Sinneswandel spricht entweder für die Planlosigkeit des Managements oder für ungeheure Kaltschnäuzigkeit. Man beginnt die Verhandlungen mit der Gewerkschaft, so sieht das aus, mit einer nicht ernst gemeinten Maximalforderung. Wie diese Drohkulisse auf die 3600 Angestellten wirkt, ist dann egal, ein Kollateralschaden im Kampf um einen möglichst billigen Stellenabbau.

Ein kaltschnäuziges und zynisches Management will man den 9100 Beschäftigten in Deutschland nicht wünschen. Ein planloses Management kann sich NSN aber auch nicht leisten. Dafür ist die Lage zu ernst bei der Gemeinschaftsfirma des Handyherstellers und des Münchner Konzerns.

Seit der Gründung 2007 hat NSN nur Verluste angehäuft. Die Sanierung ist die letzte Chance für den Anbieter, der Ausrüstung für Telefon- und Daten-Netzwerke liefert und von der Billigkonkurrenz aus China bedrängt wird.

Erfreulich für Anteilseigner Siemens

Die Münchner Einigung bedeutet jetzt neue Hoffnung für andere bedrohte Standorte. Kommt es dort zu ähnlichen Abkommen, können sich die Mitarbeiter bald wieder auf den Kampf gegen die Konkurrenz konzentrieren statt gegen das eigene Management. Wobei das Vertrauen in die Führung nach deren brachialen Ansagen erschüttert ist - schlechte Voraussetzungen für die Wende.

Erfreulich ist die Vereinbarung für den Anteilseigner Siemens: Zwar hatte der Konzern das Sanierungskonzept zunächst gebilligt, demzufolge der Standort München wegfällt. Später forderte das Unternehmen NSN aber auf, für München eine verträglichere Lösung zu finden.

Die andauernden Proteste der Beschäftigten konnten Siemens nicht gefallen, denn die Münchner wollen die Lichttochter Osram an die Börse bringen. Und der Ärger bei NSN weckte Erinnerungen daran, dass so mancher Abspaltung kein Erfolg beschieden war. Die Handysparte ging mit BenQ unter, Infineon schrammte an der Pleite vorbei. Mitarbeiter ausgegliederter Siemensgeschäfte müssen also häufiger mal bangen.

© SZ vom 26.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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