Deutsche Wirtschaft:Der Schwung ist weg

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Mit atemberaubendem Tempo war die deutsche Wirtschaft ins Jahr 2011 gestartet. Davon ist nun nicht mehr viel zu sehen. Die Industrie bleibt auf ihren Waren sitzen, die Wirtschaft hat ihre Dynamik verloren. Einer kann sich trotzdem freuen.

Die deutschen Wachstumszahlen haben jeden Glanz verloren: Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach vorläufigen Berechnungen nur noch um 0,1 Prozent im Vergleich zum ersten Vierteljahr. Dies belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die sich bereits Mitte August abzeichneten.

Die deutsche Industrie bleibe mittlerweile auf einem großen Teil ihrer Ware sitzen. (Foto: dpa)

Von Januar bis März hatte es einen Zuwachs von 1,3 Prozent gegeben. Immerhin: Im Vorjahresvergleich legte die Wirtschaftsleistung deutlich zu. Das BIP stieg gegenüber dem zweiten Quartal 2010 um 2,8 Prozent.

Dies deutet den Statistikern zufolge darauf hin, dass der Aufschwung in Deutschland auch im zweiten Vierteljahr 2011 noch nicht beendet ist. Der deutsche Ausstieg aus der Atomenergie habe einen spürbaren Effekt gehabt: Strom sei kaum noch exportiert worden, sondern habe verstärkt importiert werden müssen.

Auch sonst sind mehr Waren aus dem Ausland bezogen worden. Da nicht im gleichen Maße mehr exportiert wurde, hat sich der sogenannte Außenbeitrag - also die Differenz aus Exporten und Importen - negativ auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt.

Deutschen halten wieder das Geld zusammen

Erschwerend kam hinzu, dass die Deutschen weniger konsumieren. Zwar lagen die Staatsausgaben leicht im Plus, doch die privaten Konsumausgaben sind erstmals seit dem Krisenjahr 2009 zurückgegangen. Die Konsumzurückhaltung ist den Statistiker zufolge nicht nur den gestiegenen Energiepreisen, sondern auch der zunehmenden Verunsicherung der Konsumenten geschuldet.

Die deutsche Industrie bleibe mittlerweile auf einem großen Teil ihrer Ware sitzen, sagt nun auch das Markit-Institut, das monatlich 500 Unternehmen befragt. Die Lager mit fertigen Produkten hätten sich im August so stark wie noch nie seit Beginn der Umfrage 1996 gefüllt.

Dies drücke auch den deutschen Einkaufsmanagerindex im August auf den niedrigsten Stand seit fast genau zwei Jahren. Das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer fiel überraschend auf 50,9 Punkte von 52,0 Zählern im Vormonat. Es ist bereits der vierte Rückgang in Folge. Nach gängiger Interpretation signalisiert erst ein Wert von über 50 Punkten Wachstum - mittlerweile ist diese Grenze gefährlich nah. In der Euro-Zone liegt er mit 49 Punkte sogar schon unter dieser Marke.

Gleichwohl steht Deutschland insgesamt noch gut da. Freuen darf sich da besonders Finanzminister Wolfgang Schäuble: Der Aufschwung zu Jahresbeginn hat die öffentlichen Kassen gefüllt und damit die Neuverschuldung gedrückt. Sie entsprach im zweiten Quartal nur noch 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 3,1 Prozent gewesen, im zweiten Halbjahr 2010 sogar 5,4 Prozent.

"Dies ist die niedrigste Defizitquote seit dem ersten Halbjahr 2008", freuten sich die Statistiker. Um das Defizit zu errechnen, wird die Summe, die sich ein Staat leihen muss, ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt.

Die Maastrichter EU-Verträge sehen eine Höchstgrenze von drei Prozent vor. Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, das diese Marke im Jahr 2011 mit 1,5 Prozent deutlich unterschritten wird.

2014 will der Staat gar ohne neue Schulden auskommen. Erst am Mittwoch hatte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler vorgeschlagen, die Schuldenkrise im Euro-Raum mit einer Senkung der Maastricht-Grenze anzugehen. Dann würden die Staaten nicht mehr so viele Schulden machen, so Rösler.

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