Neue Regeln:Mehr Schutz für Anleger

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Auf die Deutsche Bank und die anderen Geldinstitute kommt Arbeit zu. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Banken müssen von kommendem Jahr an alle Beratungsgespräche mit den Kunden dokumentieren. Was den Verbrauchern helfen soll, könnte das Verhältnis zwischen Beratern und Kunden belasten, heißt es beim Bankenverband.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In den kommenden Wochen dürften Kunden Post von ihrer Bank erhalten. Die Kreditinstitute sind dazu verpflichtet, über die neuen Regeln aufzuklären, die ab 3. Januar 2018 im Verhältnis zwischen Kunde und Berater gelten. Es geht um die europäische Wertpapierrichtlinie Mifid 2. Das etwa 20 000 Seiten starke europäische Gesetzespaket darf als Antwort auf die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 verstanden werden. Damals wurde Kunden plötzlich klar, dass Bankberater ihnen in der Vergangenheit beispielsweise mit Lehman-Zertifikaten sehr riskante Produkte aufgeschwatzt hatten. Die Wertpapiere brachten Anlegern im Zuge der Finanzkrise hohe Verluste ein.

Viele Kunden hegen seither Misstrauen gegenüber Bankern, der ganze Berufsstand geriet unter Generalverdacht. Nun werden mit Mifid 2 nach jahrelangen kontroversen EU-Verhandlungen die Verbraucherrechte europaweit deutlich gestärkt. So müssen Banken künftig jedes Kundengespräch am Telefon aufzeichnen, und zwar ab dem Moment, wenn die Unterhaltung zu einem Wertpapiergeschäft führen kann. Der Kunde hat Anspruch auf Herausgabe der Aufnahme, um etwas in der Hand zu haben für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Treffen sich Kunde und Berater persönlich in der Filiale, muss eine Gesprächsnotiz angefertigt werden.

Darüber hinaus muss die Bank eine sogenannte "Geeignetheitserklärung" abgeben. Darin soll der Berater begründen, warum das verkaufte Produkt für den Kunden das geeigneteste ist. So soll vermieden werden, dass Anlegern riskante Fonds verkauft werden, obwohl diese gar kein großes Risiko eingehen möchten.

Der Bankenverband hält die neuen Regeln grundsätzlich für richtig, hat aber Bedenken, weil der Kunde keine Möglichkeit hat, auf die Telefonaufzeichnung zu verzichten. "Derart weitgehende Aufzeichnungspflichten helfen niemandem und sind sicherlich nicht im Interesse der Kunden", sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes. "Sie belasten das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank." Kemmer prophezeit, dass Banken künftig nicht mehr allen Kunden jede Dienstleistung und jedes Finanzprodukt anbieten könnten.

Das neue Gesetz nimmt auch die Hersteller der Finanzprodukte, die Emittenten, in die Verantwortung. Sie müssen darlegen, für welchen Kundentypen ihre Wertpapiere überhaupt geeignet sind. Da geht es hauptsächlich um die Frage des Verlustrisikos und die Sicherheit der Anlage. Banken sollen nur solche Produkte vertreiben, die zu ihrem Kundenstamm passen - das könnte das Angebot ausdünnen. Neu ist auch die umfangreiche Kostentransparenz. Kunden erfahren genau, wie viel Geld etwa beim Kauf eines Fondsanteils für Provisionen, den Ausgabeaufschlag und Depotgebühren draufgeht. Der Verkäufer muss genau ausrechnen, welcher Betrag da beispielsweise bei einer Anlagesumme von 10 000 Euro fällig wird.

Die Mifid 2-Regeln erlauben es Banken unter bestimmten Bedingungen weiterhin, Provisionen einzunehmen. Sie dürfen dieses Geld allerdings nicht in den Gewinntopf stecken, sondern müssen es in die Qualitätsverbesserung der Kundenberatung investieren. Doch der Interessenkonflikt bleibt: Kunden könnten nie wissen, ob der Berater ein Produkt wegen der Qualität oder der hohen Provision anbiete. In den Niederlanden und Großbritannien ist die Provisionsberatung daher verboten. Anleger bezahlen ihre Finanzberatung direkt als Honorar. So soll der Interessenkonflikt ausgeschaltet werden.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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