Nahaufnahme:Bits und Wein

Lesezeit: 2 min

"Die digitale Revolution erlaubt es fünf Jungs in irgendeiner Garage, mein komplettes Geschäftsmodell zu zerstören." Chuck Robbins. (Foto: PR)

Chuck Robbins, Vizepräsident des Netzwerk-Ausrüsters Cisco, rückt an die Konzernspitze. Er löst John Chambers ab.

Von Ulrich Schäfer

In Berlin, ja, da tue sich was, da herrsche eine ungeheure Aufbruchstimmung. Diese vielen jungen und vor allem kreativen Gründer. Aber nicht bloß in der Hauptstadt spürt Chuck Robbins diese Dynamik: "Kein Land hat in der letzten Zeit im Internet der Dinge so große Fortschritte gemacht wie Deutschland", sagt er.

Drei Monate ist es nun her, dass Robbins, Vizepräsident von Cisco, zu dieser Lobeshymne auf "Good Old Germany" ansetzte. Cisco liefert als Netzwerk-Ausrüster jene Router und anderen Verbindungsgeräte, die die technische Basis des Internets bilden. Robbins saß in einem fensterlosen Konferenzraum in der Firmenzentrale in San José, am südlichen Rand des Silicon Valley, servierte den Gästen Cola-Light in der Dose und wirkte ganz entspannt.

Ja, es gab auch damals schon die Debatte darüber, wer denn auf John Chambers folgen könnte, den Paten des Silicon Valley, der Cisco zwanzig Jahre lang geführt hat - und der mit seinen 65 Jahren so etwas wie die Stimme der Vernunft im Valley war: erfahren, abgebrüht, und nicht so aufgedreht wie all die jungen Gründer. Vor drei Monaten war aber noch nicht absehbar, wann Chambers seinen Hut nehmen würde. Am Montag nun gab Cisco (75 000 Beschäftigte, 49 Milliarden Dollar Umsatz) bekannt, dass Robbins am 26. Juli als Vorstandschef auf Chambers folgen wird. Chambers zieht sich zurück und wacht künftig nur noch als Executive Chairman über das Unternehmen.

Geeignete Kandidaten für den Vorstandsvorsitz habe es etliche geben, ließ Cisco am Montag wissen. 16 Monate lang habe man mögliche Nachfolger von außen und innen begutachtet, der Wirtschaftsdienst Business Insider kam auf mindestens zehn mögliche Namen. Chambers hätte sich viele von ihnen als Chef vorstellen können, aber Robbins sei, so lobte der bisherige Chef, "einzigartig in seiner Fähigkeit, Ziele und Strategie in erstklassige Resultate umzusetzen und dafür verschiedene Teams und Kulturen zusammenzubringen". Eine Fähigkeit, so Chambers, die gerade jetzt erforderlich sei, da das Internet der Dinge, diese totale Vernetzung von Smartphones, Autos, Häusern, Fabriken und Arbeitsprozessen, eine Branche nach der anderen komplett durchschüttelt.

"Disruption" nennen sie im Silicon Valley diesen Prozess. Disruption - darüber sprach Robbins auch vor drei Monaten beim Interview in San José. Und es erscheint im Nachhinein so, als ob er damals schon mal ein wenig geprobt hat für den großen Job, den Chambers ihm dann angetragen hat. "Entweder lässt man sich als Vorstandschef auf den Prozess der Disruption ein und treibt ihn voran. Oder man wird von der Disruption selber hinweggefegt", sagte Robbins damals. Die digitale Revolution erlaube es nämlich "fünf Jungs in irgendeiner Garage, dass sie mein komplettes Geschäftsmodell zerstören, wenn ich nicht aufpasse".

So denken sie bei Cisco, nachdem der Konzern selber vor ein paar Jahren schwer in Not geraten war und Tausende Mitarbeiter entlassen musste. Nun aber hat Cisco wieder zu alter Stärke zurückgefunden, während zum Beispiel der deutsche Rivale Siemens sich aus dem Netzwerkgeschäft und dem Joint-Venture mit Nokia verabschiedet hat. Robbins, seit 17 Jahren bei Cisco, hat diese Krise miterlebt - und danach als Vizepräsident für den globalen Verkauf die Geschäfte wieder vorangetrieben. Aber das Internet ist für ihn nicht alles: Am Wochenende fährt er gern raus in den Norden von San Francisco, ins Sonoma Valley, und probiert Wein. Dann kauft er ab Hof, gern im Weingut Ravenswood oder im Chateau St. Jean - und nicht über einen Onlineshop.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: