Mülltrennung:Reines Gewissen

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Die Deutschen trennen wie verrückt ihren Müll, es ist quasi die Gewissensbereinigung der Konsumgesellschaft. Doch wenn es ans Geld geht, hört die Umweltliebe auf.

Michael Bauchmüller

Beim Müll verstehen die Deutschen keinen Spaß. Säuberlich getrennt wandert er in braune, gelbe, blaue und graue Tonnen, es ist die Gewissensbereinigung der Konsumgesellschaft. "Eigentlich nur Peanuts", sagt Ulf Schrader, Experte für nachhaltigen Konsum an der Technischen Universität Berlin. "Ob der Müll nun verbrannt wird oder recycelt, macht letztlich keinen großen Unterschied." Egal - gelernt ist gelernt, die Deutschen sortieren fleißig und finden es gut: 87 Prozent halten Recycling für wichtig. Und tatsächlich: Jahr für Jahr wird mehr Abfall wiederverwertet.

Bitte trennen: Die Deutschen sortieren ihren Müll akribisch, dennoch klafft zwischen dem Bewusstsein und dem Sein eine gewisse Lücke. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Wünschen und handeln, das passt nicht überall so gut zusammen. In einer aufwendigen Studie hat das Umweltbundesamt erhoben, was den Deutschen ihre Umwelt bedeutet. Das Ergebnis, grob gesprochen: Viel, solange ihr Schutz nicht viel kostet. Allein 85 Prozent der Befragten plädieren demnach dafür, die erneuerbaren Energien ordentlich auszubauen. Allerdings haben nur acht Prozent den Ökostrom auch geordert. Zudem messen fast zwei Drittel aller Befragten dem Konsumverhalten einen hohen Wert bei, um den Umweltschutz voranzubringen. Doch ausgerechnet die Ernährung mit Bio-Lebensmitteln, wohl der wichtigste Markt für bewussten Öko-Konsum, ist in der Gunst gesunken - für mehr als die Hälfte spielt sie keine große Rolle mehr. Mit gut fünf Prozent Anteil an der Ackerfläche ist der Ökolandbau ohnehin nach wie vor eine Nische. "Zwischen dem Bewusstsein und dem Sein klafft eine gewisse Lücke", sagt auch Jochen Flasbarth, der Chef des Umweltbundesamtes. "Viele haben die richtigen Werte im Kopf, handeln aber anders."

Geld spielt dabei offenbar die entscheidende Rolle. Zwar schafft es die Umwelt der Umfrage zufolge unter die drei wichtigsten Politikthemen. Dennoch würden nur fünf Prozent der Befragten für umweltfreundliche Produkte wesentlich mehr Geld ausgeben, mehr als die Hälfte dagegen nicht - es sei denn, die Produkte sparen Energie und damit auch Geld. Dann ist das Verhältnis umgekehrt.

Das ist nichts Außergewöhnliches, sagt Konsumforscher Schrader. "Der Abstand zwischen Einstellung und Verhalten ist in vielen anderen Ländern noch weit größer." In vielen gesellschaftlichen Gruppen zeichne sich ab, dass das Umweltbewusstsein größeres Gewicht erlangt und auch Verhalten verändert. "Das Private wird politischer", sagt Schrader - das dauere allerdings. Auch das Umweltbundesamt findet darauf Hinweise. Beispiel Ökostrom: Zwar ist der Anteil der Öko-Kunden mit acht Prozent immer noch gering - aber doppelt so hoch wie noch vor zwei Jahren. Ähnlich verhält es sich mit dem persönlichen Engagement: 2008 noch gaben nur vier Prozent an, sie seien im Umweltschutz aktiv; nun sind es neun Prozent. Eine "vielversprechende Entwicklung", findet Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). "Das Potential ist ermutigend."

Potential sieht das Umweltbundesamt nun vor allem für neue Gesetze - sie könnten Sein und Bewusstsein stärker in Einklang bringen. Wer auf der Autobahn für den Umweltschutz freiwillig nur 100 Kilometer pro Stunde fahre, aber alle anderen an sich vorbeiziehen sehe, der bekomme Zweifel, sagt Flasbarth. Eine einheitliche Regelung könnte das ändern. So plädierte auch in der Umfrage eine Mehrheit für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Die größeren Aufgaben sehen die Deutschen aber ohnehin anderswo: 84 Prozent fordern umweltfreundlichere Fahrzeuge - von der Industrie.

© SZ vom 17.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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