Mobilfunk:Das Alleskönner-Netz

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Geredet wird schon lange über die Mobilfunktechnik 5G. Nun gibt es konkrete Tests in Deutschland.

Von Helmut Martin-Jung, München

Welch ein Traumtor! Auch die Freunde auf den Plätzen nebenan sind aufgesprungen, reißen die Arme hoch, während sich unten auf dem Rasen die Fußballer zu einem jubelnden Haufen verknäult haben. Da darf man sich schon mal ein Bier gönnen. Also: Computerbrille ab, schnell eine Flasche aus der Minibar geholt und dann wieder hinein ins Stadion - virtuell, versteht sich. Auch die Freunde sind weder im Stadion, noch im Hotelzimmer, sondern irgendwo auf der Welt. Einzige Voraussetzung: Eine sehr leistungsfähige Internetverbindung.

Es sind solche Szenarien, mit denen die Anbieter wie jüngst auf dem Mobile World Congress für ihr jüngstes Großprojekt werben, den Mobilfunk der fünften Generation, kurz 5G genannt. Etwas verkürzt könnte man sagen, 5G sei so etwas wie die Eier legende Wollmilchsau des Mobilfunks. Denn die Technik ermöglicht es nicht bloß, gewaltige Datenmengen zu übertragen, zum Beispiel eben ein Fußballspiel samt virtueller Freunde. Sie benötigt dafür auch nur einen Bruchteil der Energie. Sie kann die letzte Meile von den Glasfaser-Hauptleitungen in die Häuser überbrücken und die Milliarden an Sensoren und Sendern einbinden, die schon bald den Verkehr lenken, Fabriken steuern und unsere Gesundheit überwachen sollen. Und sie ist zu turboschnellen Reaktionszeiten fähig.

Kein Wunder also, dass weltweit ein gigantischer Wettlauf in Gang gekommen ist, bei diesem technologischen Wandel vorne dabei zu sein. Den USA war die Sache sogar so wichtig, dass Präsident Donald Trump die geplante Mega-Fusion der Chiphersteller Qualcomm (USA) und Broadcom (Singapur) mit seinem Veto verhinderte. Inzwischen hat Broadcom das gesamte Projekt offiziell aufgegeben. Qualcomm ist einer der wichtigsten Hersteller von Chips für Funkverbindungen und bei der Entwicklung von 5G-Chips führend.

Konzentration kennzeichnet den Markt schon seit Jahren. Nur indem sie sich zusammenschließen, können die Hersteller noch mithalten mit Anbietern aus Asien, vor allem aus China. Besonders augenfällig ist das bei den Netzwerkausrüstern, das sind die Firmen, welche die Technik für den Mobilfunk liefern. Erst fusionierte die aus der Zerschlagung des US-Konzerns AT&T hervorgegangene Lucent mit der französischen Alcatel zu Alcatel-Lucent. Dann kaufte Nokia das Unternehmen, das nun als Nokia Bell Labs firmiert. Die Bell Labs gehörten einst zu AT&T und waren zu Lucent übergegangen.

Doch sowohl Nokia Bell Labs als auch der andere europäische Mitbewerber, die schwedische Ericsson, kämpfen mit Verlusten; vor allem Ericsson, einst Marktführer, steht vor einer Restrukturierung, die viele Tausend Arbeitsplätze kosten könnte. Der neue Marktführer kommt aus China und heißt Huawei. Ein Drittel aller Kommunikation der Welt laufe über Geräte von Huawei, brüstet sich der Konzern aus Shenzen, der mittlerweile auch mit seinen Handys sehr erfolgreich ist. Doch der Fokus liege auf der Netzwerktechnik, hier gibt es anders als bei den weitgehend ausentwickelten Smartphones noch große Technologiesprünge und daher viel Bedarf an Geräten.

Wenn es hakt, dann bei den Voraussetzungen, die die Politik schaffen muss

In Europa haben die Mobilfunkanbieter kein Problem damit, neben den Produkten europäischer auch die chinesischer Netzwerkausrüster einzusetzen. Bis jetzt deute nichts darauf hin, dass in die Geräte etwa Hintertüren zur Spionage eingebaut seien, sagte beispielsweise Markus Haas, der Chef von Telefónica O2 Deutschland am Rande des Mobile World Congress in Barcelona. Die Branche treibt eher die Frage um, wie sie den teuren Ausbau finanzieren soll. Für die Nutzung von Funkfrequenzen horrende Summen an den Staat zu zahlen, wie etwa bei der Versteigerung der Frequenzen für 3G und - etwas abgeschwächt - auch bei 4G, das kommt für Haas nicht mehr in Frage. Und andere aus der Branche betonen, die Nutzer müssten für die besseren Angebote eben auch tiefer in die Tasche greifen.

Während in den vergangenen Jahren zwar viel über 5G geredet und hinter den Kulissen gearbeitet wurde, gibt es 2018 endlich auch konkrete Tests. Auf dem Berliner Ernst-Reuter-Platz soll ein Testfeld für 5G eingerichtet werden, dazu kooperieren unter anderem zwei Fraunhofer Institute und die Telekom. Ebenfalls in Berlin will Telefónica O2 ein Testfeld aufbauen. Und im Hamburger Hafen testen die Telekom, Nokia und die Hafenbehörde, wie es funktioniert, über 5G Ampeln zu steuern, Umweltdaten zu erfassen oder Schleusen zu überwachen. Die Telekom und Konkurrent Vodafone haben außerdem damit begonnen, noch auf 4G-Basis eine Technik namens Narrowband IoT anzubieten. Dabei geht es um Datendienste für vernetzte Geräte wie etwa Sensoren oder Stromzähler, die nur kleine Datenmengen senden. Die Technik kommt mit wenig Energie aus, durchdringt aber Gebäude sehr gut.

Das Thema 5G wird auf dem nächsten Mobile World Congress wieder alles beherrschen, dann werden auch die ersten Endgeräte vorgestellt werden. Die Standards für 5G, die lange als Hemmnis galten, sind größtenteils festgezurrt. Wenn es hakt, dann bei den Voraussetzungen, die die Politik schaffen muss. Europa ist dabei bemüht, wegen der Schwerfälligkeit der Entscheidungsprozesse aber oft hintendran.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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