Mobilfunk:AT&T interessiert sich für Vodafone-Übernahme

Lesezeit: 3 min

Von Dallas nach London: AT&T und Vodafone sorgen für Übernahmegerüchte in der Mobilfunkbranche. (Foto: dpa)

Die Mobilfunk-Industrie steht vor einer Fusionswelle: Der US-Konzern AT&T spielt eine Milliarden-Übernahme des britischen Konkurrenten Vodafone durch. Gemeinsam hätten die zwei Anbieter mehr als 500 Millionen Handykunden und würden den Markt kräftig durchrütteln.

Von Björn Finke, London

Sie sind etwa gleich alt, arbeiten beide seit vielen Jahren in der Telekommunikationsbranche und führen dort beide riesige Konzerne. Der eine, Randall Stephenson, 53, hat seinen Schreibtisch in Dallas, er ist Chef von AT&T, dem zweitgrößten Mobilfunkanbieter der USA. Stephenson sagt ziemlich unverblümt, dass er gerne einen bedeutenden Handykonzern in Europa kaufen würde. Der andere, Vittorio Colao, 52, residiert in einem Bürogebäude mit viel Glas im Londoner Stadtteil Paddington. Colao ist Chef des Mobilfunk-Unternehmens Vodafone, der Nummer eins in Europa. Und Colao steht einer Übernahme seiner Firma durch Rivalen durchaus aufgeschlossen gegenüber.

Sieht so aus, als müssten da zwei Männer mal dringend miteinander telefonieren, ob mit Handy oder über das Festnetz.

Bei AT&T rechnen Teams offenbar schon einen Kauf des britischen Konkurrenten Vodafone durch. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Eingeweihte. Die beiden Konzerne kommentieren die Meldung nicht, der Aktienkurs von Vodafone legte zum Wochenende aber um drei Prozent zu. Gemeinsam hätten die zwei Anbieter mehr als 500 Millionen Handykunden weltweit, wären auf allen wichtigen Kontinenten vertreten und würden den Markt kräftig durchrütteln. Andere Branchenschwergewichte wie die Deutsche Telekom oder América Móvil des Multi-Milliardärs Carlos Slim müssten reagieren und überlegen, wie sie sich mit Partnerschaften oder Übernahmen ebenfalls verstärken. Zugleich würde AT&T einige Teile von Vodafone zum Verkauf stellen, um das Geschäft besser verdauen zu können.

Unabhängigkeit - kein überragend wichtiges Ziel

Dabei ist der Markt bereits jetzt ordentlich in Bewegung - dank Vodafone und Vittorio Colao. Der Italiener trennte sich im Sommer vom Minderheitsanteil Vodafones am amerikanischen Mobilfunk-Marktführer Verizon Wireless. Der Mehrheitseigner Verizon Communications zahlte 130 Milliarden Dollar. Vodafone schüttet zwei Drittel davon an die Aktionäre aus, trotzdem bleibt einiges übrig, um selbst auf Shoppingtour zu gehen. Das macht Colao auch: Im Boommarkt Indien kauft er den Minderheitsaktionären der dortigen Vodafone-Tochter ihre Papiere ab, in Deutschland übernimmt er für gut zehn Milliarden Euro den Fernsehkabel-Betreiber Kabel Deutschland. Außerdem will der Konzern deutlich mehr in seine Netze investieren.

Trotzdem ist fraglich, ob Vodafone ohne die US-Beteiligung lange unabhängig bleibt. Das Geschäft in Amerika steuerte die Hälfte des Gewinns bei, das fehlt jetzt. Zudem hat Colao sein Unternehmen nun auf eine einfacher verdauliche Größe zusammengeschrumpft; Analysten schätzen, dass ein Vodafone-Kauf jetzt nur noch 100 bis 120 Milliarden Dollar kosten würde. AT&T könnte sich das leisten. Der Deal könnte aber erst 2014 über die Bühne gehen, wenn die Trennung von Vodafones US-Sparte komplett abgeschlossen ist.

Für Colao scheint die Unabhängigkeit Vodafones zumindest kein überragend wichtiges Ziel zu sein. In den Verhandlungen mit Verizon Communications über die Zukunft der gemeinsamen Tochter schlug der Italiener eine Fusion von Verizon und Vodafone vor.

AT&T-Chef Stephenson kommt diese Offenheit Colaos sicher gelegen. Der Manager sagte erst vor vier Wochen auf einer Konferenz in Brüssel, dass Investments in den europäischen Handymarkt "eine Riesenchance" seien. Übernahmen auf dem Heimatmarkt sind für die Amerikaner kaum möglich; die Wettbewerbshüter würden Einspruch einlegen, genau wie sie schon 2011 den Kauf von T-Mobile USA blockierten. Da lohnt der Blick nach Europa, zumal hiesige Telekom-Konzerne an der Börse derzeit vergleichsweise billig bewertet sind. In Südeuropa vermiest die jahrelange Wirtschaftskrise das Geschäft, die EU-Kommission kappt die Gebühren; und weil es zu viele Anbieter und zu viele Netze gibt, sinken europaweit die Preise, während zugleich Milliarden in die Technik investiert werden müssen, auf dass Kunden unterwegs mit dem Smartphone rasant im Internet surfen können.

In Finanzkreisen wird kolportiert, AT&T habe bereits beim spanischen Telefónica-Konzern vorgefühlt, dessen deutsche Tochter gerade den Rivalen E-Plus übernimmt. Aber die spanische Regierung sei gegen einen Kauf gewesen. Bei anderen Schwergewichten wie Deutsche Telekom oder Orange, wie France Télécom inzwischen heißt, würde der Staat als Anteilseigner ebenfalls eine Übernahme blockieren. Bleibt als großer europäischer Anbieter Vodafone.

Würden Gespräche mit den Briten scheitern, könnte AT&T auch noch einen Blick auf EE werfen, das Joint-Venture von Deutscher Telekom und Orange in Großbritannien, glauben Beobachter. Aber das wäre dann kein großer Wurf, sondern allenfalls eine Art Brückenkopf in Europa. Neben AT&T ist gerade América Móvil, der Marktführer in Lateinamerika, auf Shoppingtour in Europa. Doch dessen Einstieg bei KPN, der niederländischen Mutter von E-Plus, ist fürs erste gescheitert.

Vodafones Töchter

Vodafone, das potentielle Übernahmeziel, wurde selbst erst durch eine Serie von Übernahmen groß. Colaos Vor-Vorgänger Chris Gent kaufte weltweit Töchter zusammen, in Deutschland im Jahr 2000 in einer spektakulären Übernahmeschlacht Mannesmann. Heute beherrschen Vodafone und Deutsche Telekom mit jeweils mehr als 30 Millionen Kunden den deutschen Mobilfunkmarkt. All die Vodafones dieser Welt bieten vor allem Mobilfunk an, doch immer mehr Kunden möchten Handy, Telefon, Internet und vielleicht noch Fernsehen aus einer Hand ordern. Außerdem hilft ein eigenes Festnetz dabei, das Handynetz fit zu machen für schnelles Internet auf dem Smartphone. Die Datenflut will schließlich irgendwie zu den Funkmasten geleitet werden.

Durch den Verkauf der US-Beteiligung hat Colao nun genug Geld, um die Netze der Töchter in etwa 30 Ländern aufzurüsten. Oder um gleich ein ganzes Festnetz zu kaufen, wie hierzulande mit Kabel Deutschland. Vielleicht werden die Resultate dieses Strategieschwenks aber nicht mehr Vittorio Colao, sondern vor allem Randall Stephenson erfreuen.

© SZ vom 04.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: