Ministerrat:Bemühte Harmonie

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Berlin und Paris beschwören die Euro-Einheit - doch wird es konkret, herrscht Streit. Berlin fürchtet beispielsweise, irgendwann mit deutschen Steuermitteln für klamme Banken in anderen Ländern haften zu müssen.

Von Cerstin Gammelin und Leo Klimm, Paris

Brigitte Zypries war begeistert. "Es ist immer wieder beeindruckend, was man hier serviert bekommt!" So bedankte sich die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium am Dienstag bei ihren Pariser Gastgebern. Zypries war in Vertretung von Ressortchef Sigmar Gabriel zum deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsministerrat gereist. Dort standen neben einem schmackhaften Essen Gespräche über die wirtschaftspolitische Vertiefung Europas auf dem Menü. Und im Anschluss betonten die versammelten Minister ihre Verantwortung, Europa gerade jetzt zusammenzuhalten.

Hinter der Kulisse demonstrativer Eintracht herrschen allerdings Streit und Sorge. Streit gibt es in einem sehr konkreten Punkt - dem derzeit wohl wichtigsten zur weiteren Integration der Eurozone: Die Bundesregierung sträubt sich vehement gegen eine vergemeinschaftete Einlagensicherung für Sparguthaben. Ein Projekt, das Frankreich als unerlässlichen Bestandteil der Bankenunion ansieht, um eine neue Finanzkrise in Europa zu verhindern. Sorge wiederum herrscht, weil sich Deutschland und Frankreich angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Krisen, die sie jeweils unterschiedlich erleben, zu entfremden drohen - was Folgen auch für die Wirtschaft hätte. Während die Bundesregierung mit der Flüchtlingskrise beschäftigt ist, drängt in Paris die Terrorbekämpfung alles andere in den Hintergrund. "Wir drohen auseinanderzudriften", gesteht man hinter vorgehaltener Hand im Pariser Wirtschaftsministerium ein. Weshalb Minister Emmanuel Macron und Zypries versuchten, mit besserer Kooperation bei industriellen Projekten oder der Finanzierung von Start-ups gegenzuhalten.

Berlin fürchtet, mit deutschen Steuermitteln für klamme Banken anderer Länder haften zu müssen

In der zentralen Streitfrage der Einlagensicherung jedoch wurde klar, dass zwischen Finanzminister Wolfgang Schäuble und seinem Amtskollegen Michel Sapin keine Annäherung gelungen ist: "Aus deutscher Sicht ist entscheidend, dass wir nicht nur die Haftung vergemeinschaften, sondern auch die Verantwortung." Er dringt darauf, dass die Banken die Risiken in ihren Bilanzen weiter verringern, bevor Europas Sparer füreinander einstehen. Prompt antwortete Sapin: "Wir müssen beides zugleich vorantreiben. Es kann nicht mehr europäische Solidarität geben ohne Verringerung der Risiken. Aber auch nicht umgekehrt."

Berlin und Paris sind sich uneins in der Frage, ob die gemeinsame Sicherung der Einlagen ebenso wie die gemeinsame Aufsicht über Banken der Euro-Zone und die einheitlichen Regeln zur Abwicklung geschäftsunfähiger Institute eine unverzichtbare Säule der Bankenunion ist. Berlin fürchtet, mit deutschen Steuermitteln für klamme Banken anderer Länder haften zu müssen und will deshalb verhindern, die gemeinsame Einlagensicherung als Voraussetzung für die Vollendung der Bankenunion in offizielle EU-Beschlüsse zu schreiben. Unterhändlern zufolge wird es vor den Landtagswahlen in Deutschland im März auch kaum Bewegung geben. Damit werden allerdings auch Maßnahmen zum Schutz der Euro-Länder vor neuen Turbulenzen an den Finanzmärkten blockiert - trotz jüngster Warnsignale an den Finanzmärkten.

Ungeachtet aller Krisen dominieren zwischen Deutschland und Frankreich die alten, eingeübten nationalen Muster im wirtschaftspolitischen Umgang mit Europas Problemen. Während Schäuble etwa trotz milliardenschwerer Belastungen für die Flüchtlingsaufnahme auf die schwarze Null im Etat pocht, hat Frankreich die EU-Defizitregeln wegen vergleichsweise geringer Mehrausgaben für Terrorabwehr explizit für zweitrangig erklärt. Sapin versicherte nach dem deutsch-französischen Treffen am Dienstag dennoch unbeirrt die Harmonie und Solidarität zwischen beiden Regierungen. Und Brigitte Zypries freute sich über das gute Essen.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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