Milliardendeal:Japanische Firma zahlt 29 Milliarden Euro für Mikro-Chips

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Die japanische Firma Softbank übernimmt den Chiphersteller ARM. (Foto: dpa)

Die Chips des ARM-Konzerns stecken in fast allen Smartphones. Jetzt kauft ein Japaner das Unternehmen - und hofft, nicht pleite zu gehen.

Von Helmut Martin-Jung

Unter den bedeutenden Firmen, die kaum einer kennt, ist ARM zumindest in der Elektronikbranche der Anwärter auf den ersten Platz. Ohne die in Cambridge, Großbritannien, ansässige Firma liefe in der modernen Welt nur wenig. Vom iPhone bis zur Funkmaus, vom Supercomputer bis zu winzigen Sensoren - in all diesen Geräten stecken Chips, deren Aufbau Ingenieure von ARM entworfen haben.

Schon länger hatte der japanische Telekommunikations-Konzern Softbank ein Auge auf ARM geworfen. Nun, da das Brexit-Votum den Kurs des britischen Pfundes stark nach unten gedrückt hat, schlugen die Japaner zu. Rund 24 Milliarden Pfund, knapp 29 Milliarden Euro, zahlt Softbank für das britische Vorzeigeunternehmen - die bisher größte Übernahme in Europa im Technologie-Geschäft.

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Auch Apple zahlt für ARM-Lizenzen

ARM ist außerhalb von Fachkreisen deshalb so unbekannt, weil die Firma in den meisten Fällen als Zulieferer von Zulieferern agiert. ARM entwickelt das Design von Mikrochips, andere wie etwa Qualcomm kaufen eine Lizenz von ARM, bauen fertige Chips, die viele Funktionen vereinen, und liefern sie zum Beispiel an Handy-Hersteller. Man spricht dann von einem Qualcomm-Chip. Auch andere Firmen, darunter Apple, zahlen für ARM-Lizenzen und erwähnen allenfalls am Rande, dass das Chipdesign zum größten Teil nicht von ihnen stammt.

Tablets und vor allem Smartphones sind ein riesiger Markt, und der wird dominiert von Chips nach dem Design von ARM. Allein knapp zwei Milliarden Mobiltelefone sollen Schätzungen des Beratungsunternehmens Gartner zufolge 2016 verkauft werden. Zwar hat sich das Wachstum bei Smartphones in jüngerer Zeit deutlich verlangsamt.

Doch es entwickelt sich ein neuer Markt, in dem kleine und sparsame Mikroprozessoren in noch ganz anderen Stückzahlen gefragt sind: das Internet der Dinge. Vernetzte Sensoren zum Beispiel für die Haussicherheit, Automatisierung in der Produktion, in der Logistik - in einer Vielzahl dieser smarten Objekte ticken kleine Rechnerherzen. ARM hat angekündigt, speziell dafür Chips zu entwerfen.

Klein, energiesparend - aber leistungsfähig

Schon immer hat sich der Aufbau von ARM-Chips dadurch ausgezeichnet, dass sie klein und energiesparend waren, dabei aber durchaus leistungsfähig. Allein in Deutschland sollen bis 2020 knapp eine Milliarde vernetzter Geräte im Einsatz sein, schätzt Gartner. Eine zunehmend wichtigere Rolle werden Chips nach ARM-Design auch bei Supercomputern spielen. Die größten von ihnen verschlingen bereits jetzt so viel Strom wie eine Kleinstadt. Soll ihre Leistungsfähigkeit weiter gesteigert werden, braucht es energieeffizientere Chips.

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Aber auch Smartphones hätten sich niemals so durchsetzen können, hätten ihre zentralen Chips zu schnell den Akku leergesaugt. Intel, noch immer mit großem Abstand der größte Chip-Hersteller der Welt - hat es nicht vermocht, den Siegeszug der Konkurrenten zu stoppen, die Chips mit ARM-Design produzieren. Es gibt zwar einige Tablets mit Intel-Prozessoren und einzelne Smartphones, die überwiegende Mehrzahl aber setzt auf das Design von ARM.

Ob das allerdings auch beim Internet der Dinge so sein wird, ist keineswegs ausgemacht. Insbesondere Intel ist nach der gewaltigen Schlappe bei Handys und Tablets und angesichts des ständig schrumpfenden PC-Marktes heiß darauf, den Zukunftsmarkt Internet der Dinge nicht anderen zu überlassen.

Für Softbank ist die Übernahme von ARM der größte Zukauf in der Konzerngeschichte. Je Anteilsschein sollen die ARM-Aktionäre 17 Pfund in bar erhalten. Das entspricht einem Aufschlag von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs vom Freitag. Softbank verpflichtete sich, ARM als eigenständigen Konzernteil mit dem jetzigen Management zu erhalten. Auch der Firmensitz soll in der Universitätsstadt Cambridge bleiben. Allerdings soll die Chipdesign-Firma von der Börse genommen werden.

Die Nachricht von der Übernahme erklärt auch, warum Firmenpatriarch Masayoshi Son, 58, seinen bereits geplanten Rücktritt verschoben und damit den designierten Nachfolger Nikesh Arora, einen früheren Google-Manager, vergrault hat. Arora wird den Posten nicht antreten.

Mit Telefonie und Internet lässt sich kein Geld mehr verdienen - aber mit Chips

Was aber reizte den Milliardär Son, der als sehr risikobereit gilt, an ARM? Die Chipschmiede ist deshalb interessant, weil die Telekommunikations-Konzerne sich nach neuen Einnahmequellen umsehen müssen. Mit Leistungen wie Telefonie und Internet ist nicht mehr so viel Geld zu verdienen - den Reibach machen in der Regel andere Firmen, die diese Infrastruktur lediglich für sich nutzen. Mit ARM könnte Softbank neben den erforderlichen Netzen auch Basistechnologie verkaufen, ohne die im Internet der Dinge wenig geht. Softbank müsste dafür allerdings sein bisheriges Geschäftsmodell ändern.

Mit dem Kauf von ARM geht Son ein hohes Risiko ein. Denn Softbank ist vor allem durch das verlustreiche Geschäft mit dem US-Telekommunikationsanbieter Sprint mit mehr als 100 Milliarden Dollar verschuldet. Durch den ARM-Deal wächst dieser Berg nun noch an, aber Son, der Sohn eines koreanischen Einwanderers, wollte ihn offenbar unbedingt: "Es ging alles sehr, sehr schnell", sagte ARM-Chef Simon Segars dem Finanzdienst Bloomberg. "Sie machten ein Angebot, das sehr, sehr attraktiv für unsere Aktionäre war, sowie einen Vorschlag für künftige Investitionen ins Unternehmen." Er wird hoffen müssen, dass Son und Softbank nicht das Geld dafür ausgeht.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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