Metz:Der schnelle Marsch

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TV-Produktion bei Metz in Zirndorf: Die Chinesen wollen die Marke stärken, behaupten sie. Zunächst aber werden weitere Stellen abgebaut. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Chinas TV-Gerätehersteller drängen nach Europa. Jetzt übernimmt Skyworth die insolvente Firma Metz.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Das Gedränge auf dem hart umkämpften europäischen Fernsehmarkt wird immer größer. Neben den etablierten Marken hauptsächlich aus Korea und Japan machen sich verstärkt chinesische TV-Gerätehersteller bemerkbar. Als Vehikel nutzen sie unter anderem deutsche Traditionsmarken. So hilft Loewe seit anderthalb Jahren über eine strategische Partnerschaft dem Produzenten Hisense dabei, in Europa Fuß zu fassen. Nun stellt ein weiterer Produzent aus China den Fuß in die Tür zum europäischen Markt: Skyworth übernimmt die TV-Gerätesparte der Firma Metz. Von Zirndorf aus wolle man den europäischen Markt auch mit eigenen Skyworth-Produkten erschließen, heißt es.

Im November 2014 hatte der kleine, aber feine TV-Geräteproduzent aus dem fränkischen Zirndorf einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. Mit seinen technisch anspruchsvollen, aber auch teuren Geräten war es Metz immer weniger gelungen, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Seit 2010 schrieb die Firma kontinuierlich Verluste, allein 2013 brach der Umsatz um ein Viertel ein. Außer Fernsehern, entwickelt und baut Metz auch Blitzgeräte für Fotoapparate und Kunststoff-Formteile.

Nun wird das Unternehmen zerschlagen. Die Fürther Firma Daum, ein kleiner Hersteller von Antriebslösungen für Elektro-Fahrräder und Fitnessgeräte mit 100 Beschäftigten, übernimmt zum 1. Mai die Blitz- und die Kunststoffsparte. Von der Mitarbeiterzahl her bedeutet dies für Daum auf einen Schlag einen Zuwachs um 150 Prozent. Die Firma will mit Metz aber nicht nur wachsen, sondern auch das eigene Produktportfolio erweitern.

Die Fernsehsparte von Metz geht - vorbehaltlich der Zustimmung durch die Kartellbehörden - einen Monat später an Skyworth. Ein hierzulande weitgehend unbekanntes chinesisches Unternehmen mit 37 000 Mitarbeitern, von denen etwa 30 000 im Geschäftsbereich TV-Geräte beschäftigt sind. Skyworth gehört ebenso wie Hisense zu den größten TV-Geräteherstellern der Welt. Die Chinesen kennen Metz gut. Bereits seit einiger Zeit beliefern sie die Franken mit Displays und Halbleitern.

Numerisch wird Metz mit verbleibenden 152 Mitarbeitern im Skyworth-Konzern nur eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn es offiziell heißt, man wolle "die Marke Metz stärken und ausbauen". Viel wertvoller für die künftigen Eigentümer dürfte die Marke als solche sein. 1938 von Paul Metz gegründet und zuletzt im Eigentum einer Familienstiftung, zählt Metz zu den letzten großen Marken aus einer Zeit, in der deutsche Firmen die Unterhaltungselektronik dominierten. In den vergangenen Jahren setzte die Marke Metz zwar reichlich Patina an. Doch wenn es darum geht, den deutschen und den europäischen Markt zu erschließen, könnte ihr guter, alter Ruf mit dem Siegel "Made in Germany" Skyworth hilfreich sein. Vorausgesetzt, er wird aufpoliert.

Die meisten Markenhersteller ziehen sich zurück. Das Preisniveau ist zu niedrig

Dennoch scheint eine solche Investition auf den ersten Blick widersinnig. Der Markt für Fernsehgeräte ist seit Jahren von Überkapazitäten und ruinösen Preiskämpfen bestimmt. TV-Geräte werden technisch immer anspruchsvoller, aber auch immer billiger. Dass die Preise zuletzt etwas anzogen, ist kein Widerspruch; diese Steigerungen sind allein den Währungsturbulenzen geschuldet. Da die Einkäufe in US-Dollar abgerechnet werden, verteuerten sie sich zuletzt merklich.

Währungsbereinigt jedoch ist das Preisniveau nach wie vor zu niedrig, um dauerhaft profitabel zu arbeiten. Samsung etwa subventioniert seine TV-Gerätesparte seit Jahren mit Erlösen aus dem Handygeschäft. Die ersten Markenhersteller ziehen bereits Konsequenzen: Toshiba zieht sich aus dem US-Markt zurück, Sharp sagt Europa Adieu. Wurde vor zwei Jahren noch darüber spekuliert, der Computerkonzern Apple könnte mit einer Übernahme von Loewe in die TV-Branche einsteigen, ist diesbezüglich schon lange nichts mehr zu hören. "Die werden den Teufel tun", mutmaßt ein Branchenkenner, "das wäre ein Höllenrisiko."

Im vergangenen Jahr wurden in Westeuropa 34 Millionen Fernseher verkauft, eine Million mehr als im Jahr zuvor. Doch der damit erwirtschaftete Umsatz stagnierte dem deutschen Branchenverband gfu zufolge bei 16,3 Milliarden Euro. Grund dafür ist besagter Preisverfall. Durchschnittlich kostete ein Fernseher in Westeuropa 477 Euro, drei Prozent weniger als im Jahr zuvor. Deutschland lag übrigens mit 556 Euro über diesem Wert, weil die Kunden hierzulande gut ausgestattete Geräte bevorzugen.

Von diesen höheren Ansprüchen der Kunden hofften die verbliebenen deutschen Hersteller zu profitieren, allen voran Loewe und Metz. Deren Geräte kosteten lange ein Mehrfaches von dem, was die koreanischen Konkurrenten Samsung und LG oder die japanische Firma Panasonic verlangen. Die Preisschere klaffte zeitweise so stark auseinander, dass sich die Händler immer schwerer taten, die immensen Aufpreise mit der ausgereifteren Qualität, dem zuverlässigeren Service im Schadensfall oder dem anspruchsvolleren Design von Loewe oder Metz zu begründen.

Loewe, wo Forscherlegende Manfred von Ardenne 1931 der staunenden Weltöffentlichkeit erstmals eine Fernsehübertragung präsentierte, rutschte bereits 2013 in die Insolvenz und wurde im letzten Moment von der Münchner Investment-Firma Stargate Capital gerettet. Der Neustart ist dem Vernehmen nach gut gelungen, was auch an der Kooperation mit Hisense liegt. Im Gegenzug für günstige Teile und Zusammenarbeit bei der Entwicklung hilft Loewe Hisense mit seinem Vertriebsnetz dabei, speziell in Deutschland, aber auch in Österreich und den Benelux-Staaten Fuß zu fassen.

Was Skyworth mit Metz vor hat, ist noch unklar. Insolvenzverwalter Joachim Exner ist schon froh, dass es in Zirndorf überhaupt weitergeht. Wenn auch gesplittet, so habe Metz mit Skyworth und Daum nun "zwei starke Partner an der Seite, die über eine klare Vision und einen langen Atem verfügen", so Exner. "Damit hat Metz wieder eine langfristige Perspektive." Zum Preis allerdings, dass weiter Arbeitsplätze abgebaut werden.

Bereits im Januar hatten 110 der bis dahin 540 Beschäftigten ihre Arbeitsplätze verloren. Im Zuge der Übernahmen werden weitere 85 Stellen gestrichen, davon allein 57 in der TV-Gerätesparte. Wenn Skyworth am 1. Juni einsteigt, zählt der Betrieb noch 152 Mitarbeiter. An Bord bleiben die bisherigen Metz-Geschäftsführer Norbert Kotzbauer und Manfred Billenstein. Verabschiedet hat sich hingegen der bisherige Entwicklungsleiter, was den Neustart nicht einfacher macht.

Strategie von Skyworth ist es erklärtermaßen, mit Zukäufen wie Metz außerhalb Chinas zu wachsen. Experten sagen vor diesem Hintergrund der ohnehin schnelllebigen Branche eine neue, kleine Revolution voraus. "Die Chinesen werden den Markt in den kommenden Jahren aufmischen", prophezeit einer.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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