Mehdorn-Brief im Wortlaut:"Wir waren übereifrig"

Lesezeit: 2 min

3. Februar 2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den vergangenen Tagen ist in der Öffentlichkeit ein Bild von unserem Unternehmen gezeichnet worden, das mich zutiefst bestürzt. Es entsteht der Eindruck, bei der Deutschen Bahn herrsche ein Klima des Misstrauens, bei uns würden Mitarbeiter bespitzelt und ausspioniert. Unser bisher von Fachleuten und Öffentlichkeit gelobter Kampf gegen das Übel Korruption erscheint nun ausschließlich als Ausdruck des Misstrauens der Unternehmensführung gegenüber der Mitarbeiterschaft.

Das ist absolut nicht zutreffend! Ich sage das in dieser Deutlichkeit, und daran sollte auch nicht der geringste Zweifel aufkommen.

Ich bin jetzt seit fast zehn Jahren Chef dieses Unternehmens. Wir haben in diesen Jahren gemeinsam viel erreicht und unser Unternehmen entscheidend nach vorn gebracht. Diese Erfolge waren nur möglich dank einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung. Ich mache meinen Job auch deshalb unverändert gern, weil ich weiß, welch engagierte Mitarbeiterschaft die DB hat. Ich bin stolz auf diese Frauen und Männer - sei es in unseren Führerständen, in unseren Zügen, auf unseren Bahnhöfen, in unseren Speditionen, in unseren Werkstätten, in unseren Verwaltungen oder wo auch immer. Ich bin stets aufs Neue beeindruckt nicht nur vom Einsatz aller DB-Mitarbeiter, sondern vor allem auch davon, in welch hohem Maß Sie sich mit unserem Unternehmen identifizieren.

Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg falsch, wenn jetzt in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, der Vorstand oder gar ich persönlich würden die Mitarbeiter unter Generalverdacht stellen. Das Gegenteil ist der Fall - meine Wertschätzung und Anerkennung Ihrer aller Leistung ist Ihnen bekannt, weil ich das auch immer wieder zum Ausdruck gebracht habe.

Auch das in den vergangenen Tagen heftig diskutierte Screening-Verfahren - also der sogenannte Datenabgleich von Personalstammdaten mit Lieferantendaten - kann solche Vorwürfe nicht belegen. Niemand ist dabei ausspioniert, abgehört oder bespitzelt worden. Zur Feststellung von Personen ist es nur gekommen, wenn es Übereinstimmungen zwischen Mitarbeiterdaten und Lieferantendaten gab.

Wenn dadurch bei Ihnen der Eindruck entstanden sein sollte, der Vorstand misstraue den Mitarbeitern, dann bedauere ich das ausdrücklich. Nichts liegt dem Vorstand ferner als solche Verdächtigungen, und das werden wir auch gegenüber den Vertretern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich zum Ausdruck bringen.

Auch wenn die abschließende datenschutzrechtliche Würdigung noch aussteht - aus heutiger Sicht waren wir hier übereifrig, und es gab eine falsch verstandene Gründlichkeit. Für die grundsätzlich sinnvolle und zulässige Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung war es nicht nötig, den Kreis der Mitarbeiter, die in den Datenabgleich einbezogen wurden, so weit zu ziehen. Auch war es ein Fehler, dass wir das Screening-Verfahren nicht mit den Arbeitnehmervertretern besprochen und klar geregelt haben.

Für die Zukunft greife ich gerne die Anregung der Gewerkschaften auf, in einem intensiven Dialog mit den Beschäftigten verbindliche und transparente Regelungen zu vereinbaren. Dabei muss jeder Generalverdacht ebenso ausgeschlossen werden wie ein Abrücken von unserem Kampf gegen die Korruption, die Kunden, Steuerzahler und letztlich auch die Mitarbeiter massiv schädigt.

Gerade diese schwierigen Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise können wir als Unternehmen nur erfolgreich bestehen, wenn wir gemeinsam und als Mannschaft zusammenarbeiten.

Herzlichst,

Hartmut Mehdorn

© sueddeutsche.de/AP/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: