Maut:Völlig verfahren

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Die EU-Kommission hat Vorschläge gemacht für ein neues Gebührensystem in Deutschland. Doch Dobrindt lehnt ab. Nun könnte der Streit mit Brüssel eskalieren.

Von Markus Balser, Alexander Mühlauer und Wolfgang Wittl, Berlin/Brüssel/München

Es gab nicht wenige Zeichen der Entspannung: Dass ein EU-Kommissionspräsident einen Ressortminister eines Mitgliedslandes empfängt, gilt schon als Besonderheit. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) war diese Woche nach Brüssel gereist, um mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über eine Lösung seiner von der EU ausgebremsten Maut-Pläne zu sprechen. Doch dem Treffen, das eigentlich Fortschritte bringen sollte, folgt nun offenbar die Eskalation des Streits.

Die EU-Kommission hatte wegen des beschlossenen Maut-Modells bereits ein Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eingeleitet. Sie kritisiert, dass ausländische Fahrer benachteiligt würden, da nur Inländer für Mautzahlungen bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Wegen des Rechtsstreits hat Dobrindt die weitere Umsetzung der Maut gestoppt. Bei dem Treffen am Dienstagabend soll Juncker Vorschläge gemacht haben, wie der deutsche Minister aus Sicht Brüssels die Maut europarechtskonform einführen könnte. Nach Angaben aus Regierungskreisen könnte die Bundesregierung höhere Kosten für die Autofahrer ausgleichen durch höhere Pendlerpauschalen oder eine niedrigere Spritsteuer. So würden ausländische Autofahrer anders als bei der bisherigen Kfz-Steuerentlastung aus Sicht Brüssels nicht benachteiligt.

Doch Junckers Vorschläge stoßen im zuständigen Ressort der Bundesregierung auf wenig Gegenliebe. Dobrindt hält im Streit mit der EU um die Rechtmäßigkeit der Pkw-Maut an seinem Modell fest. "Bundesregierung und der Bundestag haben EU-konforme Mautgesetze beschlossen", sagte ein Sprecher am Donnerstag in Berlin. Einzelheiten der Juncker-Vorschläge wollte das Ministerium nicht kommentieren. Dobrindt hatte sich zum Ziel gesetzt, dass kein Autofahrer hierzulande durch die Maut schlechter gestellt werden soll. Während Dobrindts Kfz-Steuermodell das garantieren soll, hätten die Brüsseler Vorschläge aber Gewinner und Verlierer zur Folge. Damit dürfte die juristische Auseinandersetzung um die Maut zwischen Berlin und Brüssel eskalieren.

CSU-Chef Horst Seehofer, der die Ausländer-Maut zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht hatte, reagierte auf die Vorschläge aus Brüssel skeptisch. Auf den ersten Blick sei nicht zu erkennen, dass dadurch eine zusätzliche Belastung im Inland vermieden werden könne, sagte Seehofer der SZ. Er machte deutlich, dass er von seinem Wahlversprechen nicht abrücken werde: Die einheimische Bevölkerung dürfe durch eine Maut nicht schlechter gestellt werden. "Das war unsere Zusage, die wird von uns eingehalten."

Seehofer will die Pläne der EU zwar noch prüfen lassen, doch bereits in der Vergangenheit war die CSU zu dem Schluss gekommen, dass andere Lösungen kaum infrage kommen: Bei einer erhöhten Pendlerpauschale sei offenkundig, dass der Kreis der Fahrzeughalter und jener der Pendler nicht identisch seien. Bei einer Senkung der Spritsteuer herrschen Zweifel, dass die Entlastung von den Mineralölkonzernen in gleicher Höhe an die Verbraucher weitergegeben werde. Schon nach wenigen Monaten sei überhaupt keine Transparenz mehr erkennbar, ist man in der CSU überzeugt.

Aus Brüssel hieß es hingegen ganz klar: Da Dobrindt dem EU-Kommissionspräsidenten Juncker keine neuen rechtlichen Argumente für die geplante Pkw-Maut in Deutschland vorgetragen hat, wird das juristische Prozedere wie geplant fortgesetzt. Ende April steht das nächste Paket von Vertragsverletzungsverfahren auf der Tagesordnung der EU-Kommission. Deutschland hat nach einer sogenannten begründeten Stellungnahme zwei Monate Zeit für eine letzte Erwiderung. Falls die Bundesregierung darauf verzichtet, kann das Verfahren in wenigen Wochen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung gegeben werden.

Eine Kommissionssprecherin erinnerte am Donnerstag daran, dass es mehrere Beispiele für ein funktionierendes Mautsystem in der EU gebe. Auch für die deutsche Pkw-Maut gebe es viele mögliche Alternativen. Natürlich stehe die Kommission für technische Unterstützung bereit. Es ist auch nicht so, dass die Brüsseler Behörde erst jetzt Vorschläge gemacht hat. Es gibt lediglich eine einzige Bedingung: Alles muss im Einklang mit EU-Recht geschehen.

Umweltschützer lehnen die neuesten Vorschläge aus Brüssel ab. Sowohl eine Senkung der Spritsteuer als auch eine Anhebung der Pendlerpauschale konterkariere die Klimaschutz-Bemühungen der Bundesregierung, sagte Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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