Margarita Louis-Dreyfus:Die listige Witwe

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Margarita Louis-Dreyfus ist heute 53, sie hat ihren Mann einst im Flugzeug kennen gelernt. Der verliebte sich sofort in sie. (Foto: Fred Dufour/AFP)

Vom Waisenkind zu einer der reichsten Frauen: Margarita Louis-Dreyfus war die Partnerin des Mannes, der Adidas rettete und eine zweifelhafte Rolle im Fußball spielte.

Von Leo Klimm, Paris

Robert Louis-Dreyfus hat Träume wahrgemacht, kein Zweifel, er hat einst den Traditionskonzern Adidas gerettet. Hat er mit seinem Geld den Deutschen auch ihr Sommermärchen ermöglicht, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006? Die Lage ist verworren, der Deutsche Fußball-Bund dementiert. Ganz sicher ist: Der französisch-schweizerische Milliardär hat zumindest das Leben der Margarita Bogdanowa in ein Märchen verwandelt, das an Aschenputtel erinnert. Nur, dass dieses Märchen eben wahr ist. Und dass es nach der Hochzeit mit dem Prinzen noch sagenhafter weitergeht.

Es ist März 1989 und die kurze Ehe, die Margarita Bogdanowa aus der Sowjetunion in die Schweiz geführt hatte, ist schon geschieden. Da findet sich die 26-jährige Leningraderin auf einem Flug von Zürich nach London neben einem Mann in zerschlissenen Jeans wieder. Es ist Robert Louis-Dreyfus, "RLD" genannt. Er erliegt, wie er später erzählt, sofort ihrem Charme. Wenig später sind die beiden ein Paar, und 1992 wird aus einem Waisenmädchen aus Leningrad Madame Louis-Dreyfus. Die Frau des Adidas-Sanierers, Fußball-Mächtigen und Herrschers über einen der weltgrößten Rohstoffhändler.

Sie ist der Meinung, dass das viele Geld im Fußball irrational ist

Man muss nur der Spur der 10,3 Millionen Schweizer Franken folgen, die Louis-Dreyfus den deutschen WM-Anwärtern (angeblich zur Bestechung von Funktionären des Weltfußballverbandes Fifa) geliehen haben soll, um auf die wundersame Frau zu stoßen, in deren Leben Geld, Glamour und Fußball so unverhofft zusammengetroffen sind. Seit dem Tod ihres Mannes im Jahr 2009 zählt Margarita Louis-Dreyfus zu den reichsten Frauen Europas.

Das von ihr kontrollierte Vermögen beträgt der US-Zeitschrift Forbes zufolge acht Milliarden Dollar. Es steckt vor allem im Agrarhandelskonzern Louis Dreyfus Commodities, um den sie nach RLDs Tod einen erbitterten und trickreichen Kampf geführt hat. "MLD", wie sie nun ehrfürchtig genannt wird, ist ihrer Biografin Elsa Conesa zufolge "die geheimnisvollste Reiche Frankreichs", wenngleich sie inzwischen meistens in der Schweiz lebt. Gelegentlich kann man die listige Witwe im Zürcher Opernhaus sehen.

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In Frankreich zeigt sie sich auch manchmal - dann auf der Tribüne von Olympique Marseille (OM), Frankreichs ewigem Fußball-Meister der Herzen, den MLD von RLD gleich mitgeerbt hat. Was sie 2011 einmal über den Fußball gesagt hat, klingt heute - nach all den Skandalen um bestochene Funktionäre oder um die Millionen, die ihr Mann dem Bayern-Lenker Uli Hoeneß für dessen Börsenzockerei überließ - wie ein missratener Scherz: "Ich finde, dass all dieses Geld im Fußball irrational ist: es gibt zu viel davon." Wenn es so weitergehe, sei "der Fußball kein Sport mehr".

Heute könnte Margarita Louis-Dreyfus, wenn sie denn wollte, wohl ein Stück zur Aufklärung der Schwarzgeld-Vorwürfe beitragen, die den Deutschen Fußball-Bund gerade in Bedrängnis bringen und die ihren verstorbenen Mann einmal mehr als rechtsvergessenen Filou erscheinen lassen könnte. Doch sie möchte sich nicht äußern.

Das liegt womöglich daran, dass sie auch das Fußball-Netzwerk ihres Mannes geerbt hat. Sie verbindet die feine Goldküste des Zürichsees mit der schmuddeligen Hafenmetropole Marseille, die Stadt der Fifa mit dem skandalerprobten Club OM. Sie kennt die Familie des suspendierten Fifa-Chefs Joseph Blatter. Seit 1996 kennt sie auch das deutsche Idol Franz Beckenbauer, einst Chef des deutschen WM-Organisationskomitees, der vor der Louis-Dreyfus-Ära auch mal Sportdirektor in Marseille war. "Sie lernt schnell die Codes im Business", hat Beckenbauer anerkennend über MLD gesagt, "und vor allem zeigt sie echten Kampfgeist".

Marseille ist, wie das Fifa-Zürich, ein Sündenpfuhl des Fußballs. Der Verein ist für seine hitzig-aggressiven Fans bekannt und für Manipulationsaffären. Robert Louis-Dreyfus selbst wurde wegen illegaler Zahlungen bei Spielertransfers Ende der Neunzigerjahre zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. "Olympique Marseille macht einen verrückt", sagte er. Für sein nie erreichtes Ziel, OM zum "FC Bayern des Südens" zu machen, soll er Hunderte Millionen ausgegeben haben.

Seine Witwe Margarita hat heute dagegen ein von rationalem Kalkül bestimmtes Verhältnis zum Club. Sie musste zwar auch schon Dutzende Millionen nachschießen, hat dem Verein aber vor einigen Jahren zugleich einen radikalen Sparkurs verordnet. Damals sagte sie: "Wäre ich eine echte Geschäftsfrau, wäre ich sehr vernünftig, hätte ich schon verkauft."

Natürlich ist sie eine echte Geschäftsfrau, eine gefürchtete sogar. Allerdings hat sich das erst in den vergangenen Jahren offenbart. Denn die mysteriöse Madame Louis-Dreyfus, die selbst ihr Alter - heute 53 Jahre - lange verheimlichte, hat viele Facetten. "Das führt dazu, dass man sich in ihr täuschen kann", sagt Biografin Conesa. MLD habe sich zunächst nur als exzentrische Verführerin gezeigt, als liebende Mutter, als aufopferungsvolle Ehefrau, die ihren Mann bis zum Tod pflegte. Für ihre späteren Widersacher in der Louis-Dreyfus-Gruppe war sie daher erst nur eine "russische Puppe", die durch eine Vorliebe für Pelz und Leopardenmuster auffiel und nichts von Rohstoffhandel verstand.

Auf das Vermögen hat sie keinen direkten Zugriff, es liegt in einer Stiftung

Als sie ab 2009 überraschend beginnt, sich für die Geschäfte des verstorbenen Gatten zu interessieren, kursieren plötzlich wilde Gerüchte in Paris. Die Frau sei nur eine Agentin, die aus der Kälte kam, um für Russland den traditionsreichen Konzern zu kapern. Conesa zufolge glauben das auch Mitglieder der Familie Louis-Dreyfus.

Die Wahrheit ist banaler: "Margarita Louis-Dreyfus hat einen Drang zur Macht", sagt Conesa. Und die Wahrheit reicht auch schon, um aus einer Frau, die in ihrer Jugend kaum mehr hatte als Kartoffeln und Karotten, die Herrin über einen der größten Lebensmittelhändler der Welt zu machen: Louis Dreyfus Commodities handelt mit Weizen, Mais, Reis, Soja oder Kaffee und erlöst so 65 Milliarden Dollar pro Jahr. Robert Louis-Dreyfus hatte keine aktive Rolle für seine Frau im Unternehmen vorgesehen, sie sollte nur Sachwalterin der Söhne sein. Auf das Milliardenvermögen der Familienholding hat sie auch keinen direkten Zugriff, ihr Mann hat es vor seinem Tod für hundert Jahre in eine Stiftung nach Liechtenstein überführt. Als sie 2010 jedoch bemerkt, dass der mächtige Vorstandschef Jacques Veyrat einen Börsengang der Holding-Tochter Louis Dreyfus Commodities vorbereitet - da zieht Margarita Louis-Dreyfus in den Kampf. "Sie wird zu einer furchterregenden Regentin, brutal und verbissen", so Conesa. Ein gutes Jahr dauert es, bis sie Veyrat ausgeschaltet hat.

Inzwischen hat sie ihre Macht weiter gefestigt. Den Anteil ihres Familienstamms an der Holding hat sie Ende 2014 von 65 auf 80 Prozent aufgestockt, indem sie die Schwestern und Cousins ihres Mannes herauskaufte. Auch sie mussten sich ergeben.

Die Geschichte von Margarita Louis-Dreyfus ist die einer Unterschätzten, eine Geschichte voller schicksalhafter Einschnitte: Dem Tod der Eltern bei einem Zugunglück, als sie sieben Jahre alt ist. Die hollywoodreife Begegnung mit RLD. Der Leukämie-Tod ihres Mannes - der ihre Verwandlung zur eisernen Geschäftsfrau auslöst.

Und das Märchen geht weiter: Vor zwei Jahren wurde bekannt, dass Margarita Louis-Dreyfus erneut mit einem reichen und schillernden Mann liiert ist. Es ist Philipp Hildebrand, Ex-Chef der Schweizer Nationalbank - heute Vize bei Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwalter. Vergesst Aschenputtel.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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