Luftfahrt:Wieder ganz oben

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Air-Berlin-Pleite, positive Konjunktur, günstiges Kerosin: Die Airline verbucht einen Rekordgewinn. Aber Konzernchef Carsten Spohr hat ein Problem, das ihm durchaus weiteres Wachstum kosten könnte.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es war das bisher beste Jahr: eine Lufthansa-Maschine kurz vor der Landung in Frankfurt. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Carsten Spohr, 51, hatte schon eine gute halbe Stunde geredet, als er plötzlich losprustete und sich kaum mehr halten konnte. Er hatte einen Moment zuvor vom Modernisierungskurs seines Konzerns gesprochen, der so erfolgreich verlaufen sei. In seinen Ausführungen war daraus aus Versehen ein "Modernisierungskonkurs" geworden. "Es gibt Versprecher, die darf man nicht machen", sagte er grinsend, als er sich wieder gefangen hatte.

Wobei, diesen konnte er sich locker leisten. Lufthansa in Zusammenhang mit dem Wort Konkurs zu bringen, ist derzeit so ziemlich das Absurdeste, was man sich in der deutschen Wirtschaft vorstellen kann. Dem Unternehmen geht es nach schwierigen Jahren so gut wie nie zuvor. Im Jahr 2017 hat der Konzern den höchsten Gewinn seiner Geschichte erreicht. Das operative Ergebnis landete bei 2,9 Milliarden Euro, 70 Prozent mehr als im Vorjahr, der Umsatz stieg um 12 Prozent auf 35,6 Milliarden Euro, die Zahl der Passagiere um 20 Millionen auf 130 Millionen.

130 Millionen Passagiere - damit liegen die Deutschen wieder vor Ryanair

Nach landläufiger Meinung liegt der Grund für den Gewinnsprung in der Pleite von Air Berlin, durch die der größte Konkurrent in Deutschland in kurzer Zeit vom Markt verschwunden ist. Doch das war nicht der einzige Grund: Zwar hat Lufthansa beim Umsatz und den Passagierzahlen profitiert und auch davon, dass die Reisenden im innerdeutschen Verkehr Ende 2017 die teuren Reservierungsklassen buchen mussten, die günstigen waren wegen der enormen Nachfrage schnell voll. Auf der Gegenseite standen hohe Zusatzkosten: Die angemieteten Air-Berlin-Jets fielen aus und mussten ersetzt werden, eine Weile flog Lufthansa mit Langstreckenflugzeugen von München und Frankfurt nach Berlin. Damit befördert man viele Leute, aber man verdient kein Geld. Auch für 2018 rechnet Spohr nicht damit, dass der Air-Berlin-Effekt sich positiv auf das wirtschaftliche Ergebnis des Konzerns niederschlägt. Erst 2019 wird sich dies ändern, wenn der eigene Ableger Eurowings die Aufbauphase hinter sich hat und die Strukturen stehen.

Insgesamt findet Spohr, dass die Integration von Teilen von Air Berlin "deutlich komplizierter" war als erwartet. Er betont, dass Lufthansa nur 20 Prozent der frei gewordenen Start- und Landezeiten bekommen habe. Hätte die Bundesregierung Air Berlin keinen Übergangskredit gewährt, hätte Lufthansa über die normale Slotkoordination wohl deutlich mehr bekommen. Dennoch findet Spohr "als Bürger dieses Landes" die damalige Entscheidung, den Flugbetrieb weiterzufinanzieren, richtig.

Dass es der Lufthansa so gut geht, hat sowohl interne als auch externe Gründe. In Sachen Rahmenbedingungen hat schlicht alles gepasst. Die Weltwirtschaft läuft rund, die Entwicklung in Deutschland ist noch besser, die Nachfrage im Luftverkehr korreliert direkt mit den allgemeinen wirtschaftlichen Trends. Darüber hinaus waren 2017 die Treibstoffpreise noch vergleichsweise günstig, mit sehr positiven Folgen für die Kosten. Intern hat Lufthansa es geschafft, die Stückkosten (ohne Treibstoff) um 0,4 Prozent zu senken. Bemerkenswert ist vor allem, dass die Konzernmarke Lufthansa mittlerweile bei einer Umsatzrendite von 9,9 Prozent ist, vor ein paar Jahren noch schien so etwas schlicht undenkbar. Auch die Frachtsparte Lufthansa Cargo hat einen Verlust von 50 Millionen Euro im Jahr 2016 in einen Gewinn von 242 Millionen verwandelt. Die Sanierung wirkt und der Markt boomt.

Die profitabelste Airline innerhalb des Lufthansa-Konzerns bleibt Swiss mit einer Marge von 11,5 Prozent. Austrian mit 4,4 Prozent liegt noch deutlich darunter und steht derzeit vor einem ernsten Tarifkonflikt mit den Mitarbeitern, durch den schon in der nächsten Woche wieder zahlreiche Flüge ausfallen könnten. Auch in der Punkt-zu-Punkt-Sparte Eurowings, die sich auf den Direktverkehr konzentriert, sind die Gewinne mit 94 Millionen Euro und einer Marge von 2,3 Prozent noch dürftig. Zu der Sparte gehört auch Brussels Airlines, deren Chef Bernard Gustin wegen schlechter Zahlen und seiner Weigerung, die Airline stärker in den Konzern zu integrieren, gehen musste. Eurowings investiert weiter in den schnellen Aufbau. 210 Flugzeuge sollen es bis Mitte 2019 werden, etwa ein Jahr später als erhofft. Damit wäre sie die drittgrößte Billigfluggesellschaft in Europa nach Ryanair und Easyjet. Lufthansa-Finanzvorstand Ulrik Svensson rechnet damit, dass Eurowings 2020 bei einer Marge von sieben Prozent landen könnte und damit ähnlich profitabel wäre wie Easyjet.

Um 12,7 Prozent hatte der Konzern die Kapazität im Jahr 2017 ausgeweitet, unter anderem, um möglichst viel des durch die Air-Berlin-Pleite frei werdenden Marktes zu besetzen. Für 2018 rechnet Lufthansa nun mit einem Plus von sieben Prozent. Lufthansa bekommt dabei die dringend benötigten zusätzlichen Flugzeuge nicht schnell genug. Das liegt unter anderem daran, dass Eurowings die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki nicht übernehmen durfte (und nun vielleicht bis zu zehn Flugzeuge von ihr mietet). Außerdem machen die Hersteller Airbus und Bombardier Probleme: Airbus sollte mittlerweile 15 A320neo-Jets liefern, bislang sind es aber nur zehn. Auch Bombardier hinkt bei der C-Serie für die Konzerntochter Swiss hinter dem Lieferplan her.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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