Luftfahrt:Air Berlin verliert zwei Millionen Euro - am Tag

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Hohe Verluste, weniger Umsatz, drückende Schulden: Die Lage der Fluggesellschaft wird immer bedrohlicher.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es geht nur um eine Strecke, aber die Entscheidung ist trotzdem sehr aussagekräftig. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue Air Berlin-Chef Thomas Winkelmann den von Vorgänger Stefan Pichler geplanten neuen Flug von Düsseldorf nach Hongkong gleich einkassiert: Erst müsse die Rentabilität gesichert sein, "dann können wir neue Strecken eröffnen", so Winkelmann.

Was nach einer Binsenweisheit klingt, war bei Air Berlin bislang nicht selbstverständlich. Schließlich sollte "die Air Berlin von gestern eine fliegende Eier legende Wollmilchsau sein" - also alles können. "Dass das nicht geht, ist klar", sagt er.

Nun, so verspricht der Neue, soll alles anders werden. Air Berlin will sich mit halbierter Flotte auf zwei Standorte, Langstrecken in die USA und Flüge zwischen europäischen Metropolen konzentrieren. Angesichts der verheerenden Geschäftszahlen für das Jahr 2016 und das erste Quartal 2017 ist es höchste Zeit dafür: Ein Netto-Verlust von 782 Millionen Euro (Vorjahr 446 Millionen) bei einem Umsatz von nur noch 3,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 4,1 Milliarden), ein negatives Eigenkapital von 1,4 Milliarden Euro, Schulden von 1,2 Milliarden und liquide Mittel von rund 200 Millionen Euro - das ist die dramatische Lage Ende 2016 in Zahlen.

Das erste Quartal verlief genauso schlecht. Obwohl Air Berlin durch den Verkauf der österreichischen Tochter Niki an Etihad 300 Millionen Euro einnahm, blieben die liquiden Mittel nahezu auf gleichen Niveau, das negative Eigenkapital sank von 1,4 auf 1,7 Milliarden Euro, der Netto-Verlust betrug fast 300 Millionen Euro.

Winkelmann selbst sagt, das Ergebnis sei "hochgradig unbefriedigend", und deswegen müsse der Umbau der Air Berlin noch schneller als bislang geplant vonstatten gehen. Konkret bedeutet das auch: "Wir sind offen für neue Partnerschaften und Kooperationen." Man darf das so interpretieren, dass Air Berlin neben Etihad Airways (29,2 Prozent) einen neuen Investor sucht.

Einem Einstieg der Lufthansa stehen Schulden in Milliardenhöhe entgegen

Erster Kandidat ist und bleibt Lufthansa: Die hat ein strategisches Interesse daran, dass Air Berlin nicht implodiert, weil sonst Ryanair und Easyjet die Lücke füllen. Außerdem wäre Air Berlin quasi die Eintrittskarte für den sehr attraktiven Markt Düsseldorf, in dem sich Lufthansa immer schwer getan hat. Lufthansa mietet bereits 38 Air Berlin-Jets, die im Auftrag der Töchter Eurowings und Austrian fliegen. Und nächste Woche begleitet Konzernchef Carsten Spohr Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Staatsbesuch in Abu Dhabi. Dort hatte er schon im Februar Kontakte mit der Herrscherfamilie Al-Nahyan geknüpft und eine Allianz mit der staatlichen Etihad Airways verkündet.

Etihad und Abu Dhabi sind für das Überleben von Air Berlin weiter wichtig: Denn einem Einstieg von Lufthansa stehen vor allem die Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro im Wege, die Spohr auf keinen Fall übernehmen will. Eine Lösung könnte darin bestehen, dass das Emirat noch ein letztes Mal Geld zuschießt und die Schuldenlast mindert.

Positive Signale gibt es jedenfalls. "Etihad wird weiterhin Air Berlin bei ihrem Restrukturierungsprozess unterstützen", so Etihad-Chef James Hogan. Er selbst wird die Zukunft Air Berlins kaum mehr selbst entscheiden, er wird vor Jahresende gehen, und sein Nachfolger dürfte deutlich restriktiver mit dem Geld der Al-Nahyans umgehen. Winkelmann will derweil den Vertrieb umbauen und eisern Kosten senken. Gleichzeitig soll die Fluggesellschaft wieder pünktlicher fliegen, zuletzt hatten die vielen Umbauten Chaos verursacht. Am Flughafen Tegel in Berlin sollen die Passagiere künftig mindestens 45 Minuten Zeit zum Umsteigen bekommen, bislang waren es 30. Doch dies ließ sich oft nicht zuverlässig umsetzen.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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