Lieferengpässe bei Süßwarenherstellern:Unterzuckert

Lebkuchen, Zimtsterne und Marzipan gibt es schon jetzt zu kaufen - drei Monate vor Weihnachten. Dabei spitzt sich die Situation bei einer der wichtigsten Vormaterialien der süßen Branche weiter zu: Zucker ist knapp und teuer geworden. Schuld an der Misere hat nach Ansicht der Süßwarenbranche die Regulierung des Zuckermarktes der Europäischen Union.

Stefan Weber, Düsseldorf

Bilanz der Lambertz Gruppe

Enthält Zucker: eine Packung Lambertz-Zimtsterne (Archivbild von 2002).

(Foto: dapd)

Knapp elf Grad und Nieselregen - das Wetter in Düsseldorf ist an diesem Donnerstagmorgen so ganz nach dem Geschmack von Hermann Bühlbecker. "Das macht mich richtig glücklich, wenn ich aus dem Fenster schaue", sagt der Chef und Inhaber der Aachener Lambertz-Gruppe.

Das 324 Jahre alte Familienunternehmen gehört mit Bahlsen und Griesson-de Beukelaer zu den führenden Gebäckherstellern in Deutschland und macht etwa 40 Prozent seines Umsatzes von zuletzt 560 Millionen Euro mit Saisonartikeln. Das sind Lebkuchen, Dominosteine oder Printen - alles Süßwaren, die die Verbraucher gerne im Herbst und Winter essen. Es sei denn, das Thermometer zeigt 20 Grad und mehr, wie im Oktober vergangenen Jahres. Eine Katastrophe sei das gewesen, sagt Bühlbecker.

Ohnehin glaubt er, dass das Wetter sehr viel mehr Einfluss auf die Geschäfte der Gebäckwarenbranche hat als die Konjunktur. Schließlich seien Naschartikel so billig, dass sie sich auch in Flautezeiten jeder leisten könne. "1,49 Euro für 500 Gramm Schoko-Herzen - da kann man doch schon von einem Volksnahrungsmittel reden", meint der Lambertz-Chef.

Konkurrenzkampf der Discounter

Die Wettbewerbssituation im Einzelhandel macht es den etwa 100 mittelständisch geprägten Gebäckherstellern in Deutschland schwer, höhere Preise durchzusetzen. Denn sie sitzen in den Jahresgesprächen, wie die Preisrunden in der Branche heißen, den Vertretern einiger weniger großer Konzerne gegenüber. Vor allem der Konkurrenzkampf der Discounter hält die Preise für Schokolade und Gebäck, die häufig als Lockvögel eingesetzt werden, niedrig. Dennoch hatten Lambertz und andere Gebäckhersteller in den vergangenen beiden Jahren mit dem Verweis auf drastisch verteuerte Rohstoffe Preiserhöhungen durchsetzen können. Das werde diesmal "sehr schwierig", so Bühlbecker.

Dabei hat sich die Situation bei einer der wichtigsten Vormaterialien der süßen Branche weiter zugespitzt: Zucker ist knapp und teuer geworden. Nach Auskunft des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) mussten im ersten Halbjahr 2012 viele Unternehmen wegen des Zuckerengpasses sogar Aufträge ablehnen. Bühlbecker berichtet von Firmen, die "ihren Laden zumachen mussten, weil sie nicht genug Zucker hatten". Schuld an der Misere hat nach Ansicht der Süßwarenbranche die Regulierung des Zuckermarktes der Europäischen Union. Produktionsquoten, Importzölle und andere Beschränkungen sollen Erzeuger in der EU vor internationalen Konkurrenten schützen und zugleich für ein gesichertes Auskommen der Bauern sorgen. Doch seit die Weltmarktpreise stark steigen, ist das System gewaltig aus den Fugen geraten.

Kühle Witterung sorgt für guten Auftakt

Die Lambertz-Gruppe, die in ihren sieben Werken (davon eines in Polen) knapp 3500 Mitarbeiter beschäftigt, hat diese Schwierigkeiten bisher gut umschifft. Allerdings war die Umsatzsteigerung von 1,3 Prozent im Geschäftsjahr 2011/12 (zum 30. Juni) nur möglich, weil die Verkaufspreise angehoben wurden. Gemessen an der Menge verzeichneten die Aachener - wie der gesamte Gebäckmarkt - einen Rückgang. Geholfen haben auch gute Geschäfte im Ausland, wo Lambertz knapp ein Viertel des Umsatzes erwirtschaftet.

In diesem Geschäftsjahr will die Gruppe, die neben eigenen Marken (unter anderem Kinkartz, Weiss, Haeberlein-Metzger) auch Eigenmarken für den Handel produziert, wieder kräftiger zulegen. Bühlbecker hält ein Plus von drei Prozent für möglich. Die kühle Witterung hat für einen guten Auftakt gesorgt. Rückenwind kommt auch von anderer Seite: Mitbewerber Bahlsen hat angekündigt, sich im nächsten Jahr aus dem Geschäft mit Saisonartikeln zu verabschieden.

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