Kurioser Wandel des Florian Homm:Vom Erzkapitalisten zum Erzchristen

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Er steht auf der Liste der meistgesuchten Menschen des FBI und war einst skrupelloser Hedgefonds-Manager. Jetzt verkauft sich Florian Homm als geläuterter Katholik und philosophiert vor Studierenden über Moral.

Von Simone Boehringer, Erding

Viele sind ahnungslos, oder besser unvoreingenommen: Zweit- und Drittsemester, viele Ökonomie-Studenten, das Gros jünger als 25 Jahre. Der kleine Saal der Stadthalle in Erding ist überfüllt, etwas mehr als 200 Menschen sind gekommen, um von Florian Homm etwas über Ethik und Management zu hören.

Ausgerechnet Homm. Der Hedgefonds-Manager, zigarrenrauchender Erzkapitalist. Der Mann, der Unternehmen wahlweise mit Aktienleerkäufen an die Wand gedrückt und manchmal mit seinen radikalen Methoden wohl auch vor der Pleite gerettet hat. Aber auch der Mann, der jahrelang auf der Flucht war, einen Mordversuch in Caracas überlebte, untertauchte, Ende 2012 ganz plötzlich wieder medial auftrat, mit einem Buch über sein Leben mit Aktien, Koks und Prostituierten und sich plötzlich als geläuterter Katholik, ja als Erzchrist verkaufte. "Ich habe 2007 meinen Job aufgegeben und habe ihn keinen Tag vermisst. Ich war seelenlos, jetzt tue ich Gutes", erklärt er heute. Seine Seele solle sich rentieren, nicht mehr sein Depot.

Aha. Homm soll amerikanische Anleger bei seinen oft aggressiven Wertpapiergeschäften betrogen haben und steht daher auf der Liste der meistgesuchten Menschen des FBI. Die US-Detektive hatten ihn im März 2013 in Italien verhaften lassen bei einem Museumsbesuch in Florenz. Nach 15 Monaten Auslieferungshaft war er unter teils miserablen Bedingungen im Juni dieses Jahres freigelassen worden. Die Frist für diese Haft war abgelaufen. Zudem leidet Homm an multipler Sklerose und es ging ihm gesundheitlich sehr schlecht im Gefängnis. Jetzt lebt der mittlerweile 55-Jährige "in der Gegend von Frankfurt, unterm Radar", wie er hofft.

Homm als Gast-Dozent in Erding

In Deutschland liegt nichts gegen ihn vor und die Bundesrepublik liefert Bundesbürger dann nicht aus. Aber was macht so ein berühmt-berüchtigter Mann ausgerechnet in Erding an der Hochschule für angewandtes Management? Sie hatte ihn zu einer Gastvorlesung eingeladen. Und Homm ist da, pünktlich, aufgeräumt. Getönte Brille, schütteres Haar, ganz gute Gesichtsfarbe. Und einen Rosenkranz in der Hand. Er betet, sagt er, öfters. "Florian war früher ein ganz normaler Katholik. Wenn Sie ihn im Gefängnis in Italien gesehen hätten, könnten Sie nachvollziehen, warum er zu so starkem Glauben gefunden hat", erklärt Michael Uhlemann, der sich als "ganz alter Freund Homms" ausgibt und ihn auf seiner Tour nach Erding begleitet.

Florian Homm: getönte Brille, schütteres Haar, ganz gute Gesichtsfarbe - und einen Rosenkranz in der Hand. (Foto: Renate Schmidt)

Ethik und Wirtschaft also. "Es geht nicht um mich", fängt er mit der Vorlesung an, "es geht um euch". Routiniert betätigt er per Fernsteuerung den Beamer und zeigt eine Zeichnung von sich in der Pose von früher mit Zigarre, die Gesichtszüge fast teuflisch. Daneben das Cover eines kleinen Büchleins mit Gebeten einer christlichen Stiftung, für die er jetzt arbeite. "Dieses Büchlein hat mir das Leben gerettet", sagt er später im Gespräch, wohl wissend, dass sich viele Menschen schwertun, seine Läuterung in der Extremität zu glauben.

Wer die bewegte Vorgeschichte von Homm nicht kennt, könnte meinen, der Mann hat eine, sagen wir, etwas tiefere Midlife-Crisis. Einige Studenten stehen auch dazu, wenig zu wissen. "Ich habe erst gerade ein bisschen über ihn erfahren. Und das ist auch gut so, ich will mir selbst ein Bild machen", sagte eine junge Frau. Ein unvoreingenommenes Publikum, besser hätte es Homm nicht treffen können.

Er sei gekommen, "weil hier Querdenken erlaubt und erwünscht ist". Seine Botschaften sind klar: "Wenn ihr weltlichen Erfolg haben wollt, müsst ihr 10 000 Stunden an einer Sache arbeiten, euch eine Nische suchen. Ich selbst habe mit 15 Bilanzen studiert, als andere Bravo lasen. Nach zehn Jahren in diesem Job konnte ich in zwei Minuten jede Schwachstelle in den Zahlen erkennen." Er prahlt noch immer. Früher nutzte er die Schwächen und wurde reich damit. Auf etwa 300 Millionen Euro wurde sein Vermögen in seinen besten Jahren nach der Jahrtausendwende geschätzt. "Ich hatte Macht, Geld und Adrenalinstöße. Aber das ist nicht die Erfüllung."

Was ist sie dann? "Seelen retten", sagt Homm und beamt eine Vortragsseite an die Wand mit dem Titel ,,der Gutmensch". Darauf skizziert sind seine Engagements in diversen Stiftungen für benachteiligte Kinder in Liberia, für Impfstoffe und für eine Firma, die Medikamente gegen Hautkrankheiten entwickelt und auf den Markt bringt. Ob er mit der auch viel Geld verdient habe, möchte ein Student wissen. "Klar, das ist nichts Schlechtes. Aber ich habe auch gebetet, dass diese Firma und ihr Medikament zugelassen werden."

Der Glaube und das Gute zu tun liegen bei Homm dicht beieinander. Vom Erzkapitalisten zum Erzchristen. Es ist schwer nachzuvollziehen, aber ganz unglaubwürdig ist es nicht. Homm hat materiell sehr viel gewonnen in seinem Leben. Und wohl bis auf eingefrorene Gelder in der Schweiz das meiste verloren. Seine Ehe ist ruiniert, seine Gesundheit sowieso. Und er muss einige Anwälte beschäftigen, die schlechten Seiten seines Lebens als skrupelloser Investor aufzuräumen. Dass ihn das FBI irgendwann entführen lässt, ist auch nicht ausgeschlossen. So lange will er aber seine neue Sicht der Dinge verbreiten, wenn sie jemand hören will.

"Ihr müsst nicht auf Reichtum verzichten, aber ihr sollt das Gute, Wichtige nicht aus den Augen verlieren", sagt er. So ein Satz könnte auch in der Bibel stehen.

© SZ vom 06.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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