Kritik an Bonuszahlungen:Verdammnis der Anzugträger

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Banker und Manager am Pranger: Die Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft müssen massiv Kritik einstecken - das ist unfair und unklug.

Marc Beise

In den vornehmen Vororten von New York fürchten Wall-Street-Banker um ihre Sicherheit. Der Volkszorn staut sich auf gegen die Gauner, die diese Weltfinanzkrise angerichtet haben, die blitzschnell zu einer Weltwirtschaftskrise geworden ist und sich vielleicht noch in eine Weltwährungskrise steigert. In Deutschland müssen die Mitarbeiter der großen Bankkonzerne und der Landesbanken, der Hypo Real Estate und der Finanzinvestoren noch nicht mit Tätlichkeiten rechnen. Aber die verbale Gewalt an den Stammtischen und in den Talkshows wächst.

Manager in der Kritik: Die verbalen Angriffe nehmen zu. (Foto: Foto: dpa)

Die Banker, die Manager, die Unternehmer schlechthin gelten als Totengräber des Systems, und die öffentliche Verachtung streut mindestens unabsichtlich bis ins mittlere oder sogar untere Management. Betroffene können schon froh sein, wenn sie nicht zu Verbrechern ("Bangstern") erklärt werden, sondern nur zu Dummköpfen. In diesen Chor stimmen mittlerweile fast alle ein, selbst der Bundespräsident Horst Köhler, der ehemals ein führendes Mitglied der Finanzwelt war und jetzt mitunter den Eindruck erweckt, als habe er die Verirrungen des Turbo-Kapitalismus früh erkannt und bekämpft - nur eben leider vergebens. Die heftige Kritik ist unmäßig, vielfach unfair, und sie ist gefährlich.

Unfair, weil viele der in der Wirtschaft Tätigen ganz sicher keine Schuld an der Entwicklung haben. Nicht einmal alle Banker, und übrigens auch nicht alle Vorstände, sind mitverantwortlich für die Entgleisungen des Kreditgeschäfts, deren Folgen uns derzeit quälen.

In den Vereinigten Staaten hat jetzt ein Spezialist der ehemals weltgrößten Versicherung AIG, die durch artfremde waghalsige Spekulationen in den Abgrund gestürzt ist, seinem Frust freien Lauf gelassen und sich in einem offenen Brief über öffentliches Mobbing beklagt. Partout will der Mann, der im "seriösen" Bereich der Versicherung gearbeitet hat, seine Boni nicht zurückzahlen (sondern spenden), die er zusammen mit vielen anderen trotz Krise noch erhalten hat und um die es heftigsten öffentlichen Streit gibt. Er habe sich dieses Geld verdient, beharrt er trotzig, weil er geholfen habe, die Versicherung vor dem Schlimmsten zu bewahren, in hektischen 14, 16 Stunden langen Arbeitstagen. Auch in Deutschland gibt es viele Mitarbeiter von Banken, Autokonzernen, Maschinenbauern, die keine Fehler gemacht, sondern beigetragen haben, dass die Lage nicht noch schlimmer wurde als ohnehin.

Deshalb ist die jetzt allgemein übliche Verdammung sämtlicher Bonus-Zahlungen kurzsichtig. Für gute Arbeit sollte es weiterhin Zusatzhonorar geben, für schlechte allerdings muss es Abstriche geben. So schwierig es ist, diese Unterscheidung rechtlich zu fassen, so schwierig ist offenbar eine differenzierte Diskussion insgesamt. Ohne die Erfahrung und den Leistungswillen vieler der jetzt pauschal Angegriffenen wird sich die deutsche Wirtschaft nach Ende der Krise nicht wieder aufrichten.

© SZ vom 27.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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