Kriminalität:Das Geld von Kriminellen

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Bundesjustizminister Heiko Maas im Kanzleramt in Berlin. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Justizminister Heiko Maas will es beschlagnahmen. Insolvenzverwalter und die Justiz reagieren skeptisch.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Verbrechen lohnt sich in Deutschland. Wie viel Geld Kriminelle etwa durch Korruption erwirtschaften, kann laut Bundeskriminalamt (BKA) "nur sehr schwer" beziffert werden. Im Jahr 2015 belief sich der wirtschaftliche Gesamtschaden, den die Beamten feststellen konnten, auf rund 222 Millionen Euro. Die Dunkelziffer der Bestechung liegt weit höher. Ähnlich verhält es sich bei der organisierten Kriminalität, beim Waffen- und Drogenhandel, dem Terrorismus oder Betrug und auch bei vielen anderen Wirtschaftsstrafsachen. Illegal verdientes Geld können Verbrecher oft behalten - auch weil die Gesetze, die bislang für die Beschlagnahmung dieser Summen sorgen sollen, zu kompliziert sind.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will es Gerichten und Staatsanwaltschaften künftig leichter machen, kriminell erwirtschaftetes Vermögen zu beschlagnahmen und es den Opfern zurückzugeben. Eine Reform der "strafrechtlichen Vermögensabschöpfung" soll der Strafjustiz diese Aufgabe nun klarer als bisher übertragen. "So helfen wir nicht nur den Betroffenen", sagt Maas. Die neuen Möglichkeiten der Justiz seien auch "ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terror".

Die vom Minister bedachte Justiz reagiert allerdings skeptisch auf das Gesetz. Der Verband der Insolvenzverwalter hat angemahnt, dass es schon heute zu wenig spezialisierte Staatsanwaltschaften und Strafkammern gebe, die überhaupt in der Lage wären, aufwendige Wirtschaftsstraftaten zu verfolgen. So habe es im Jahr 2014 bei rund 24 000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland nur knapp 1800 Verurteilungen wegen einer sogenannten Konkursstraftat gegeben. Laut Verbandsvorsitzendem Christoph Niering sei dies ein Indiz dafür, dass "im Umfeld einer Insolvenz strafrechtliche Ermittlungen eher die Ausnahme als die Regel sind". Dabei spreche die Erfahrung für eine Vielzahl von Delikten, wenn ein Unternehmen pleitegeht: Oft wurden Bücher schlecht geführt, Lieferanten um ihr Geld gebracht, Schmiergelder gezahlt. Wichtiger als eine neue Gesetzgebung sei deshalb eine bessere Ausstattung der Justizbehörden, sagt Niering. Bisher gelte: Wo kein Kläger, da kein Richter. Auch der Deutsche Richterbund hat in seiner Stellungnahme das neue Gesetz kritisiert. Zwar sei das Ansinnen, die Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, grundsätzlich positiv. Doch staatliche Behörden wie Fiskus und Sozialversicherungsträger seien künftig besondere Nutznießer dieser Opferentschädigung, und zwar auf dem Rücken der Gerichte. Ersparte Steuern und Sozialabgaben einzutreiben, werde "zum Pflichtprogramm für die Strafjustiz". Bisher sind die betroffenen Behörden selbst dafür zuständig, ihre Abgaben einzutreiben. Eine schwierige Aufgabe, die nur "sehr zögerlich betrieben" werde, heißt es hier. Die Richter sorgen sich, dass künftig Justizbehörden dieses Eintreiben aufgebrummt wird. Eine Sprecherin von Justizminister Maas widerspricht: Öffentliche Verwaltungen seien schließlich auch noch in Zukunft in der Lage, diese Aufgabe wahrzunehmen.

Doch auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele fordert Nachbesserungen. Eine Entlastung der Strafjustiz sei durch die neuen Regelungen nicht zu erwarten, sagt er, weil sie sich bald zusätzlich mit diffizilen zivilrechtlichen Fragen beschäftigen müsse: "Rückstau und Verfahrensverlängerungen sind da vorprogrammiert", sagt Ströbele. Es sei kompliziert, die genaue Höhe eines Schadens durch kriminelle Handlungen zu ermitteln, und für solche umfassenden Prüfungen benötigte man mehr Richter und Staatsanwälte.

Reiner Hüper von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International dagegen begrüßt das Gesetz ausdrücklich. "Es wird sehr viel bringen", sagt er. Doch auch er zweifelt daran, dass mit dem bisherigen Justizpersonal die Regeln mehr Korruptionsfälle aufgedeckt und verhindert werden können. Die Ausstattung des Justizapparats, heißt es aus dem Ministerium, ist allerdings Sache der Bundesländer.

Im Augenblick prüft die Bundesregierung noch Details des Gesetzestextes. So hat der Bundesrat angemahnt, dass nicht nur das Schmiergeld, sondern die Gesamtsumme, die ein Unternehmen mit einem dubiosen Geschäft verdient hat, an den Staat gezahlt werden sollte. Der ehemalige Stuttgarter Oberstaatsanwalt Hans Richter hat schon heute ein einfaches Rezept gegen illegal verdientes Geld: Er habe sich jede Insolvenzakte vorgenommen und nach Unstimmigkeiten überprüft. In mehr als 90 Prozent der Fälle sei er fündig geworden, sagt Richter. Die Manager und Geschäftsführer habe er zur Verantwortung gezogen. Im Stuttgarter Raum sei er dafür jedoch auch kritisiert worden: Eine so rigorose Staatsanwaltschaft sei ein "Standortnachteil".

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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